Bin ich eigentlich der Einzige, der sich fragt, wie lange das wohl gut gehen wird? Ein Verein, der zum ersten Mal in seiner Geschichte, in der Geschichte der Bundesliga sogar, endlich einmal damit beginnen sollte, seine eigene, offensichtlich degenerierte DNA zu hinterfragen, macht einfach so weiter, wie man es aus den letzten erfolglosen Jahren kennt. Es werden Verträge mit Spielern (zu 2.-Liga-Mondpreisen) verlängert, bei denen man endlich einmal die Chance hatte, sich halbwegs geräuschlos von ihnen trennen zu können, aber damit nicht genug. Der HSV plant für die nächste Saison mit einem Spieler-Etat von € 30 Mio., angesichts der ausbleibenden Zahlungen in der TV-Vermarktung, Reduzierung der Preise für Eintritt, Business-Seats und Logen und und und der absolute Wahnsinn.

Ich erinnere mich an eine Zeit vor ca. 3 Jahren, da hatte man das Ziel, auf einen Spieler-Etat von ca. € 36 Mio. – € 38 Mio. zu reduzieren, ab dann hätte man kostendeckend arbeiten können. In der Bundesliga! Mit einem Tabellenplatz 12 und besser. Jetzt wird man versuchen, mit der Brechstange den direkten Wiederaufstieg zu erzwingen und wenn das schiefgeht, dann Gute Nacht. Mal zum Vergleich:

Der HSV plant für die kommende Zweitligasaison mit einem Spieleretat von rund 30 Millionen Euro. Dieselbe Summe, die auch Kölns Geschäftsführer Sport Armin Veh für seine Mannschaft anpeilt. Zum Vergleich: Beim Ligakonkurrenten FC St. Pauli liegt der Etat bei rund elf Millionen Euro – inklusive Trainerteam. Die Topspieler verdienen etwa 400.000 bis 500.000 Euro pro Jahr. (Quelle: Abendblatt.de)

Das sollte man sich mal vorstellen und man sollte die Relationen nicht aus den Augen verlieren. Der Spieler-Etat des HSV wird in der nächsten Saison dreimal so hoch sein wie der Gesamt-Etat des FC St. Pauli. Auf dem Kiez verdienen die Topleute € 500.000 in der Spitze, beim HSV streichen Superstars wie Hunt, Holtby und Co. immer noch € 1,5 Mio. und mehr ein, von den Herren Lasogga und Wood wollen wir gar nicht erst reden. Aber – alles super, besonders der Trainer, oder? Muss doch so sein, wie sonst wäre es zu erklären, dass Wundermann Titz nahezu jeder Wunsch erfüllt wird. Titz darf seinen Holtby behalten (gleicher Berater), Titz kriegt seinen Moritz (gleicher Berater), Titz darf seinen Hunt behalten und Titz kriegt jetzt auch noch seinen Wunsch-Co-Trainer (gleicher Berater).

Als neuen Assistenten hat er André Kilian ausgesucht. Das berichtet die „Bild“-Zeitung. Der 31-Jährige, in der Jugend des FC Schalke Mitspieler der Weltmeister Manuel Neuer, Mesut Özil und Benedikt Höwedes, spielte später unter Titz beim FC Homburg und ist seit einem Jahr bei dem Oberligameister als Cotrainer tätig.

Wie HSV-Profi Lewis Holtby und Neuzugang Christoph Moritz wurde Kilian von Titz individuell trainiert und hat denselben Berater: Marcus Noack. Und noch etwas hat Kilian mit Holtby und Noack gemeinsam: Titz hat ihn vor einem Jahr in seine „Transfermarkt-Traumelf“ berufen.

Vielleicht fehlt mir ja einfach das Verständnis, aber warum der HSV jetzt, in dieser Situation, alles auf die „Karte Titz“ setzt, erschließt sich mir nicht. Käme jetzt ein renommierter Trainer mit internationaler oder Bundesliga-Erfahrung und würde darauf bestehen, Teile seines Funktionsteams mitzubringen, okay. Aber Herr Titz ist 47 Jahre alt, hat exakt 8 Spiele im professionellen Fußball auf der Haben-Seite und vor 2 1/2 Monaten noch in der Regionalliga trainiert. Warum muss man dann (mal wieder) so derart durchdrehen?

https://www.bild.de/sport/fussball/hsv/titz-und-seine-kumpel-truppe-55904936.bild.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter

Hinzu kommt, dass der neue Kollege Becker aufpassen muss, nicht zum Titz-Wunsch-Abnicker zu werden. Sollte der neue Sportvorstand weiterhin alle Wünsche des Trainer-Neulings erfüllen und auf der anderen Seite Probleme beim Verkauf von Spieler wie Ekdal, Papadopoulos, Wood, Kostic und Co. bekommen, kann er schnell an seine Grenzen geraten, sowas dauert in Hamburg nicht lange. Auch ein Becker braucht Erfolgserlebnisse/Nachweise, sonst kann die Luft ganz schnell ganz ätzend werden.

Erlaubt mir noch ein kurzes Wort in eigener Sache. Vor ca. 2 Wochen erhielt ich eine Anfrage, ob ich nicht Lust hätte, während der Sommerpause ein HSV-Buch zu schreiben. Natürlich hatte ich Lust, immerhin ist es mein Ziel, irgendwann einmal in gedruckter Form vorzuliegen. Dann erklärte man mir, es sollte ein Art „HSV-Mutmachbuch“ werden, für sowas gäbe es in diesen Tagen einen Markt. Meine Bauchschmerzen begannen. Wie sollte jemand wie ich, der diesen Verein beständig kritisiert, für etwas „Mut machen“, woran ich selbst nicht glaube. Nun, long story short, ich habe das Angebot gestern abgelehnt, so gern ich auch ein Buch geschrieben hätte. Aber als Auftragsschreiber für ein solches Thema hätte ich mich verbiegen müssen und das kann und will ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Außerdem hätte ich das Gefühl gehabt, die 6 Jahre Arbeit an diesem Blog mit einem Schlag verraten zu haben.

Anyway, diese Tür ist zu, aber irgendwann öffnet sich eine andere. Mir geht es mit dieser Entscheidung jedenfalls wesentlich besser und Geld ist nicht alles.

Es gibt übrigens eine Tipprunde zur WM:

https://www.kicktipp.de/hsvarena-wm/