Am Anfang der Saison stellten sich viele die Frage: Kommt dieser Verein, der bis dahin noch nie abgestiegen war, in der zweiten Liga an und wenn ja, wann kommt er an? Der Umstand, dass wirklich jeder der kommenden Gegner die Spiele gegen den „großen HSV“ wie ein Pokalspiel oder das Spiel des Jahrhunderts angehen werden würden, war irgendwie klar, aber ist es eigentlich so gekommen? Einen Trainerwechsel (den man sich hätte sparen können, wenn man sich bereits nach dem Abstieg von Titz getrennt hätte) später, einen Rauswurf des Nachwuchs-Chefs später und eine Bilanz später, kann man heute sagen: Ja, der HSV ist irgendwie in der zweiten Liga angekommen. Der HSV hat in einer Liga, die von einem außerordentlich schwachen technischem und spielerischem Niveau geprägt ist, seine Art des Fußballspielens angepasst, wer allerdings dachte/hoffte, dass  ein Verein, dessen Spieler-Etat das seiner Gegner zumeist um das Doppelte oder sogar Dreifach übersteigt, diese Liga beherrschen würde, sieht sich getäuscht. Jeder Sieg ist ein Arbeitssieg, jeder Punkt muss maximal erkämpft (und nicht erspielt) werden.

Vor einem Blick in eine ungewisse Zukunft, eine Art Bestandsaufnahme. Aktuell führt der HSV die Liga mit 28 Punkten nach 14 Spieltagen an, er holt also exakt zwei Punkte im Schnitt. Hochgerechnet würde dies am Ende der Saison eine Punktzahl von 68 Punkten bedeuten und dies hat zumindest in den letzten 5 Jahren immer für den direkten Wiederaufstieg gereicht. Tatsache ist aber auch: Deutlich weniger sollte es nicht werden, dann könnte es eng mit dem Aufstieg werden. Aktuell profitiert man mit einem Torverhältnis von 19:14 Treffern von einer relativen Ausgeglichenheit innerhalb der Liga, aber eben das könnte am Ende auch zum Problem werden. Überhaupt – 19:14 Tore, für einen Bundesliga-Absteiger eigentlich erschütternd. Mit 19 eigenen Buden rangiert der HSV auf Platz 10 in der Tabelle, mit 14 Gegentoren auf Platz 2. Bedeutet: Die offensiven Leistungen sind trotz angeblich überproportional guter Spieler wie Lasogga, Arp, Hwang, Narey, Ito, Hunt eher dürftig, während eine wackelige Defensive von der Unfähigkeit der gegnerischen Stürmer profitiert.

Betrachtet man all diese Daten, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Wiederaufstiegs zwar relativ groß, aber garantiert nicht gesichert ist und was einen Verbleib in der zweiten Liga betrifft, hat sich der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann bereits klar geäußert. Man würde wohl auch eine zweite Saison im Unterhaus irgendwie überleben, dann aber mit einem Spieler-Etat von irgendwas zwischen € 10 Mio. und € 15 Mio, was gleichbedeutend mit einem dauerhaften Verbleib in dieser Liga wäre, man wäre in der zweiten Liga nicht angekommen, sondern gestrandet und was das für die Zukunft des Vereins bedeuten würde, sollte spätestens nach der letzten Bilanz-Veröffentlichung jedem klar sein. Anders ausgedrückt: Der HSV muss aufsteigen. Und dann?

Tja, dann fangen die eigentlichen Probleme erst an. Denn betrachtet man den aktuellen Kader, so muss man zu dem Schluss kommen, dass man damit in der zweiten Liga zwar wettbewerbsfähig ist, in der Bundesliga jedoch komplett chancenlos wäre. Hinzu kommt, dass man angesichts der prekären wirtschaftlichen Situation die verliehenen Spieler Hwang und Mangala auf keinen Fall halten kann und Lacroix auf keinen Fall halten will. Hinzu kommt, dass man Gelder generieren muss, was Verkäufe von Bundesliga-tauglichen Spielern wie Douglas Santos und Pollersbeck mehr als wahrscheinlich macht, während man auslaufende Verträge von Spielern wie Holtby, Lasogga ausschließen muss. Wenn man dann noch bedenkt, dass Trainer Wolf gerade dabei ist, die angeblichen Peters-Supertalente wie Pfeiffer, Vagnoman, Ambrosius, Knost, David, Kwarteng, Opoku, Drawz und den von den Bayern gekommenen Wintzheimer zur Regionalliga-Mannschaft zurück zu schicken, wird der zukünftige Kader lichter und lichter. Denn wie sollen diese Jungs in der Bundesliga bestehen können, wenn es nicht mal zur Bank in der zweiten Liga reicht?

Also, wie würde das Ganze, Stand heute, aussehen?

Tor: Pollersbeck (Verkaufskandidat).Mickel (bleibt), Behrends (bleibt)

Abwehr: Papadopoulos (ungewiss), van Drongelen (bleibt), Jung (ungewiss), Lacroix (Abgang), Bates (bleibt), Douglas Santos (Verkaufskandidat), Sakai (bleibt)

Ambrosius, Pfeiffer, Vagnoman, Knost – nicht Bundesliga-tauglich

Mittelfeld: Mangala (zurück nach Stuttgart), Janjicic (bliebt), Steinmann (bleibt), Moritz (bleibt), Hunt (bleibt), Holtby (nicht verlängert)

David, Ferati, Kwarteng – nicht Bundesliga-tauglich

Sturm: Ito (bleibt), Samperio (nicht verlängert), Narey (bleibt), Lasogga (nicht verlängert), Arp (Verkaufs-Kandidat), Hwang (zurück nach Salzburg)

Opoku, Jatta, Drawz, Wintzheimer – nicht Bundesliga-tauglich

Wie gesagt, Stand jetzt, würde sich also für die Bundesliga-Saison 2019/20 eine Aufstellung ergeben, die wie folgt aussehen könnte.

Mickel – Sakai, van Drongelen, Bates, Vagnoman – Janjicic, Steinmann, Moritz, Hunt – Ito, Narey.

Für alle, die es immer noch nicht begriffen haben: Der HSV hat keinen Cent, um sich für die Bundesliga zu verstärken, im Gegenteil. Man muss alte Schulden abtragen, Zinsen bedienen, noch ausstehende Transfergelder abdrücken und € 17,5 Mio. Fan-Anleihe zurückzahlen. Hinzu kommen mögliche Forderungen von Herrn Kühne und die furchtbare Möglichkeit, dass verliehene Spieler wie Wood im nächsten Jahr wieder auf der Matte stehen und auf ihr Gehalt von über € 4 Mio. pochen. Und unglücklicherweise ist dies eben keine Schwarzmalerei, sondern das sind Fakten und bittere Realität. Stand jetzt fehlt zumindest mir die Phantasie, wie das alle klappen soll, zumindest weiß ich eines: Wenn es den Herren Becker und ganz besonders Hoffmann gelingt, diese gefühlten 5.548 Probleme zu lösen, müsste man ihnen ein Denkmal bauen, denn die Aufgabe ist im Grunde nicht lösbar. Man kann auch nicht mit 15 Leih-Spielern eine Bundesliga-Saison bestreiten, das klappt nicht.

Wenn jetzt allerdings auf der Mitglieder-Versammlung erneut „politisch“ abgestimmt wird bzw. wenn die Vorauswahl der zwei oder drei Kandidaten seitens des Beirats ausschließlich darauf abzielt, eigene Ziele zu verfolgen, dann sollte man lieber auf der Stelle abmelden und die Insolvenz beantragen. Wer den Warnschuss des Abstiegs immer noch nicht begriffen hat, sollte aus diesem Verein austreten. Dabei geht es in keinster Weise darum, Bernd Hoffmann eine Freikarte auszustellen, seriöse Kontrolle muss sein, nein ist überfällig. Aber eine Blockade der dringend notwendigen Restrukturierungsmaßnahmen aus persönlichen Gründen wäre ein Skandal.