Heute mal ein anderes Thema, zur Abwechslung mal nicht Pinocchio Hoffmann und seine Spießgesellen. Ich weiß nicht, ob jemand von euch weiß, was so ein (Sport)-Journalist respektive Journalisten-Simulant eigentlich pro Monat einstreicht (als Angestellter) bzw. als freier Schreiber zu leisten hat, bevor der erste Euro rüber wächst. Ich denke, dass der Eine oder Andere dort komplett falsche Vorstellungen hat und ich möchte die Betrachtung der finanziellen Abdeckung gern in einen Zusammenhang mit a. Abhängigkeit und b. Bestechlichkeit bringen, wenn’s genehm ist. Also gucken wir mal.

Ein fest-angestellter Jung-Journalist beginnt bei einem Verlag, nach Studium und Volontariat, mit ungefähr € 3.000 brutto, in Einzelfällen kann es auch etwas mehr sein. Nach Abzügen von Steuern und Versicherungen bleiben ihm davon ca. € 1.400 und dann hat noch keine Wohnung, kein Auto und nichts zu essen. Dafür soll er aber ständig verfügbar sein und vorzugsweise gern am Wochenende arbeiten wollen, weil – am Wochenende finden die Sportveranstaltungen statt, über die es zu berichten gilt. Dafür bekommt der emsige Jungschreiber in den meisten Fällen nur einen zeitlich befristeten Vertrag, also eine ungewissen Zukunft.

Noch finsterer sieht es bei den freischaffenden „Künstlern“ aus. Diese haben keinerlei festes Einkommen und müssen zumeist das nehmen, was ihnen geboten wird. Hierfür müssen sie allerdings etwas bringen. Ein normaler Artikel in einem Print- oder Onlinemedium mit ca. 5.000 Zeichen wird mit knappen € 100 entlohnt. Dort enthalten sind Recherche, das Schreiben, Korrigieren, Termin einhalten etc. Es geht aber auch noch schlimmer, denn es gibt verschiedene Online-Medien, sogar welche mit recht großer Reichweite die durchaus bekannt sind, die für Exklusiv-Interviews mit aktiven Trainern, Spielern ganze € 60 bis € 70 bezahlen, 7.000 Zeichen, brutto natürlich. Für die gleiche Geschichte mit Ex-Profis sind maximal € 50 drin.

Um einmal zu verdeutlichen, was daran hängt: Man muss ein solches Interview vorbereiten, sich also möglichst schlaue Fragen ausdenken. Dann muss man das Interview natürlich erstmal bekommen. Als Beispiel: Wenn man als freier Autor beim HSV anfragt und ein Exklusiv-Interview mit Bernd Hoffmann oder Hannes Wolf haben möchte, kriegt man dieses Gespräch wahrscheinlich nicht und wenn doch, nicht exklusiv. Und wenn exklusiv, dann in ein paar Monaten. Aber mal vorausgesetzt, es klappt. Dann bereitet man das Interview vor, fährt in den Volkspark, redet vielleicht ne halbe Stunden, fährt wieder zurück, tippt das aufgenommene Gespräch ab, korrigiert und schickt ab. Eventuell gibt es von Seiten des Auftraggebers noch Korrekturen. Die ganze Geschichte hat dann ca. 4 Stunden in Anspruch genommen und man erhält € 60. Brutto.

Die Funke-Mediengruppe hat harte neue Sparmaßnahmen verkündet. Über 20 Mitarbeiter müssen laut dem DJV die Berliner Zentralredaktion von Funke verlassen. Bei den drei Zeitungstiteln in Nordrhein-Westfalen wird Funke zehn Prozent Personal streichen. Auch die Druckerei in Essen mit 120 Mitarbeitern wird geschlossen. Die Mediengruppe will dadurch Kosten in zweistelliger Millionenhöhe einsparen. (Quelle: Meedia.de) Betr. u.a. Hamburger Abendblatt

Das ist die finanzielle Welt des Traumberufs Journalist. Und natürlich soll man noch gut und interessant schreiben können. Und man muss die Kontakte haben. Und man soll kritisch sein, oder? Wie kritisch bzw. ehrlich kann man aber sein, angesichts dieser Sklaven-Zustände? Kann ich es mir als freier Journalist überhaupt leisten, über eine Fehlleistung oder über ein falsches Verhalten zu berichten, wenn ich daraufhin in Gefahr gerate, nie wieder Zugang zu ähnlichen Gesprächspartnern zu erhalten? Oder eben die andere Seite…

Dumont. Im Herbst vergangenen Jahres hat die Unternehmensleitung angekündigt, 84 MitarbeiterInnen in Verlag, Druckerei und Verwaltung betriebsbedingt zu kündigen (Quelle: taz.de) Betr. Morgenpost

Wie empfänglich bin ich in einem Business, in dem es fast grundsätzlich um Millionenbeträge geht, für die eine oder andere „Versuchung“? Tut es mir als gegen den Hungertod kämpfenden Schreiberling denn eigentlich weh, wenn ich die größte Katastrophe in der Geschichte eines Vereins inhaltlich ein wenig glätte und dafür vom Klub eine freundliche Gegenleistung erhalte, die ein Vielfaches von dem, was mir das knausrige Blatt für die Realität zahlen würde, abbildet? Ich tue doch niemandem weh, wenn ich vielleicht sogar einen ganzen Blog erstelle, bei ein Verein, der sich kurz vor dem endgültigen Kollaps befindet, wegkommt wie ein riesengroßes Erdbeerfeld.

Hr. Schnitgerhans hat sich keine Uhr vom HSV-Vorstand „schenken lassen“. Sondern vielmehr wurde ihm diese Uhr vom gesamten HSV-Vorstand zum 60. Geburtstag als Würdigung und Anerkennung für seine 37-jährige Tätigkeit als Sportreporter für verschiedene Medien und speziell als journalistischer und kritischer Begleiter des Vereins überreicht. Dies wurde auch so in der Ansprache des Vorstands artikuliert. (Quelle: Bildblog.de)

Und die Stilblüten der geschönten (und bezahlten) Berichterstattung sind vielfältig. Da werden auch gern mal Umfragen, die online bei Tageszeitungen getätigt werden, ein kleines bißchen gefälscht, um den Auftraggeber in ein vorteilhaftes Licht zu rücken. Da werden Jubelperser auf Mitglieder-Versammlungen eingeschleust, um Abstimmungen zu beeinflussen. Und natürlich ist alles und jeder bei diesem Verein ein Wahnsinnskracher, sozusagen eine Zierde seiner Zunft. Und, wie gesagt, es tut doch keinem weh. Und man kann doch die windelweiche Falschaussage später wieder „gut machen“, in dem dem zuvor Gelobten tonnenweise Dreck hinterher wirft, aber bitte erst dann, wenn er die Stadtmauern hinter sich gelassen hat. Oder aber man ist ganz besonders abgewichst…

….und kündigt ein Enthüllungsbuch an. Der Inhalt dieses Buches könnte dem einen Würdenträger nicht ins Konzept passen, also was macht man? Ganz simpel, man nimmt einen Job an, z.B. als Legendenbetreuer und lässt sich dafür bezahlen, dass man den Erscheinungstermin des Buches ein wenig nach hinten verlegt.

Und, hey, es tut doch keinem weh, oder? Nö, höchstens der Wahrheit, aber die muss man sich auch leisten wollen.

P.S.

Ich liebe die immer noch vorhandene und durch nichts zu erklärende Arroganz vieler sogenannter -„Fans“, die den lediglich als Durchgangsstation zum Halbfinale empfinden. Hoffentlich kriegt ihr richtig auf die Fresse.