Ich kann nicht mehr zählen, wie oft in Hamburg in den letzten 15 Jahren über den eigenen Nachwuchs gesprochen wurde. Vorläufiger Höhepunkt war im Jahr 2009 die Aussage des damaligen (und jetzigen) Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann, der die eigene Nachwuchs-Abteilung als „Geldverbrennungsmaschine“ bezeichnete, dieser Text leitete die Trennung vom damaligen Sportchef Dietmar „Verbrennungs-Didi“ Beiersdorfer ein. Und obwohl der Focus in Hamburg nach wie vor auf den Stars vor Morgen hätte liegen müssen, passierte im Grunde weniger als nichts. Selbst der im Juni 2017 eröffnete und mit Otto-Millionen fremdfinanzierte Campus brachte bisher keine Erfolge, obwohl man sich seit 2014 sogar den selbsternannten Nachwuchs-Gott Bernhard Peters und jährlich € 8 Mio. leistete, um endlich einmal zumindest einen Nachfolger von Jonathan Tah zu finden, der den HSV 2016 für sagenhafte € 7,5 Mio. Richtung Leverkusen verließ, der heutige Marktwert liegt bei € 32 Mio.

Guckt man von Hamburg aus Richtung Süden, könnte und sollte man vor Neid erblassen, denn in Stuttgart zeigen sie, wie man Nachwuchs ausbildet. Allerdings sieht man eben auch am VfB Stuttgart, dass man noch so gut ausbilden kann – wenn das Management nicht funktioniert, kann man selbst aus Gold nichts entwickeln. Dennoch: Die Nachwuchsausbildung in Stuttgart ist beispielhaft, wenn man sieht, welche Profis aus deren Akademie hervorgegangen sind. Als da wären…

Timo Werner (22): Eigengewächs, heutiger Marktwert: € 65 Mio.

Joshua Kimmich (22): Ablöse € 500.000, heutiger Marktwert: € 60 Mio.

Antonio Rüdiger (26): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 45 Mio.

Serge Gnabry (23): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 40 Mio.

Thilo Kehrer (22): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 35 Mio.

Bernd Leno (27): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 25 Mio.

Sead Kolasinac (25): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 20 Mio.

Timo Baumgartl (23): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 15 Mio.

Sami Khedira (31): ablösefrei, Markthöchstwert: € 35 Mio.

Sebastian Rudy (29): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 14 Mio.

Odysseus Vladochimos (24): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 10 Mio.

Loris Karius (25): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 9,5 Mio.

Rani Khedira (25): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 6 Mio.

Daniel Didavi (29): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 6 Mio.

Sven Ulreich (30): ablösefrei, heutiger Marktwert: € 4,5 Mio.

Holger Badstuber (29): ablösefrei, Markthöchstwert: € 22 Mio.

Mario Gomez (33): ablösefrei, Markthöchstwert: € 42 Mio.

Dann wollen wir doch mal gucken, wo die letzten Super-Talente aus der HSV-Schmiede gelandet sind.

2011: Sidney Sam (heute Bochum: für € 2 Mio. nach Leverkusen), Sören Bertram (heute Darmstadt: ablösefrei nach Bochum), Wolfgang Hesl (heute Kaiserslautern: ablösefrei nach Dresden), Kai-Fabian Schulz (heute Todesfeld: ablösefrei nach Jena), Maximilian Beister (heute Uerdingen: ablösefrei nach Mainz), Hanno Behrens (heute Nürnberg: ablösefrei nach Darmstadt), Christan Groß (heute Werder II: ablösefrei nach Babelsberg)

2012: Lennard Sowah (heute Hamilton Ac: vereinslos), Eric-Maxim Choupo-Moting (heute PSG: ablösefrei nach Mainz), Tunay Torun (heute Bursaspor: ablösefrei zu Hertha)

2013: Daniel Nagy (heute Ujpest; ablösefrei nach Osnabrück), Miroslav Stepanek (heute Schärding: ablösefrei nach Senica), Muhamed Besic (heute Middlesbrough: ablösefrei zu Ferencvaros), Kevin Ingreso (heute Ceres-Negros: ablösefrei nach Neumünster), Heung-Min Son (heute Tottenham: für € 10 Mio. nach Leverkusen)

2014:

(Beginn der Tätigkeit von Bernhard Peters)

2015: Zhi Gin Lam (heute R&F Hongkong: für € 200.000 nach Fürth),

2016: Jonathan Tah (heute Leverkusen: für € 7,5 Mio. nach Leverkusen), Alexander Brunst (heute Magdeburg: für € 200.000 zu Wolfsburg II),

2017: Philip Müller (heute Münster: ablösefrei nach Wiesbaden)

2018: Dren Feka (heute Luzern: ablösefrei nach Luzern), Frank Ronstadt (Werder II: ablösefrei zu Werder II), Ashton Götz (heute vereinslos: ablösefrei zu vereinslos)

2019: Mats Köhlert (heute zurück zu HSV II)

spätestens 2020: Fiete Arp (heute Bayern München: für € 2,5 Mio. nach München)

Betrachtet man diese Entwicklung, betrachtet man die Tatsache, dass von den aktuelle, hochgezogenen Nachwuchsspielern kaum einer in der zweiten Liga zum Einsatz kommt, kann man das Ganze nur als ein riesengroßes Desaster bezeichnen. Trotz des Einsatzes von zig-Millionen Euro, trotz der Fertigstellung des angeblich modernsten Campus der Welt, trotz diverser Trainer und Nachwuchs-Größen, kommt nichts dabei raus. Und schaut man sich an, dass der VfB Stuttgart bis auf einen Spieler alle seine Nachwuchsstars ablösefrei bekommen hat, muss man sich sich doch diverse Fragen stellen. Wie ist das möglich? Auch der VfB Stuttgart ist in den letzten 12 Jahren nicht eben für seinen sportlichen Dauererfolg bekannt (Tabellenplätze 12, 6, 12, 15, 14, 17, zweite Liga, 7), also wechselt man als junge Kicker nicht eben zu einem erfolgsverwöhnte Klub.

Also? Woran liegt es? Sind beim HSV zu viele Selbstdarsteller am Werk? Verpflichtet man die falschen Nachwuchsscouts? Ist der HSV nicht mehr attraktiv genug für junge Spieler? Irgendwo muss doch der Fehler liegen. Aber gucken wir uns zusätzlich die Nachwuchs-Hoffnungen der Gegenwart an, also alles Spieler, die unter der Leitung des Herrn Peters zum HSV geholt wurden und analysieren wir, welche Rolle diese Herren bei einem durchschnittlichen Zweitligisten spielen.

Morten Behrens (21): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 0

Stephan Ambrosius (20): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 0

Patric Pfeiffer (19): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 0

Josha Vagnoman (18): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 192

Tobias Knost (18): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 0

Jonas David (18): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 45

Moritz-Bruni Kwarteng (20): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 0

Marco Drawz (20): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 0

Jann-Fiete Arp (19): ablösefrei, Einsatzminuten Zweite Liga: 370

Ich denke, das Ganze ist mit Begriff „überschaubar“ nicht ausreichend gewürdigt, aber diese Local player, die für die Zertifizierung der Nachwuchsabteilung wichtig sind, erfüllen selbstverständlich ein wichtiges Kriterium – sie sind jung. In einem Kader von 32 Spielern insgesamt 9 Spieler zu haben, die im Schnitt 19,2 Jahre alt sind, das schlägt sich eben auch im Gesamt-Altersdurchschnitt nieder und man kann bei Bedarf immer wieder medienwirksam rausposauen, welch außerordentlich jungen Kader man doch beschäftigt. Leider ist dies, wie man beim Blick auf die Einsatzzeiten erkennen kann, wie alles beim HSV: Blendwerk und heiße Luft.

Aber halt, einen sehr jungen Spieler hat der HSV dann doch in seinem Kader und der brachte in den meisten Spielen seine Leistung

Orel Mangala (20): Einsatzminuten zweite Liga: 1885

Nur schade, dass dieser Spieler lediglich geliehen ist. Und wem gehört der Junge? Ach richtig, dem VfB Stuttgart. So ein Zufall.