Und? Hatte ich zu viel versprochen?

Doch bevor wir zu Daniel Jovanovs NDR-Artikel von gestern Abend kommen, möchte ich auf einen Abendblatt-Beitrag aus dem Jahr 2017 hinweisen, den ein Leser gestern dankenswerterweise in den Blog stellte. Ich zitiere:

Visionär war Paul Hauenschild, ein vermögender Hamburger Polster-Unternehmer. Der HSV und seine Mäzene, das ist ein stetiges Reizthema. Doch während Klaus-Michael Kühne die Bundesligaprofis finanziert und mit Alexander Otto ein weiterer Milliardär das neue Nachwuchsleistungszentrum ermöglichte, ging es Hauenschild um etwas anderes.

Nicht nur deshalb würde er gerne eine Art Geschichtslehrpfad mit Infotafeln errichten. Auch, um das Erbe Paul Hauenschilds zu betonen. Dreimal war der 1962 verstorbene Geschäftsmann Präsident des HSV – 1921/1922, 1927/1928, 1949/1950. Seine Entscheidung, ein rund 13 Hektar großes Gebiet im damaligen Dorf Harksheide aus eigenen Mitteln und zum Wohle seines Vereins zu erwerben, wird im Jubiläumsbuch „125 Jahre HSV“ (2012, Verlag Die Werkstatt) vom Historiker Werner Skrentny wie folgt eingeordnet: „Zu den weitsichtigsten Entscheidungen in der Geschichte des Hamburger Sport-Vereins gehört zweifelsohne der Ankauf eines fast 130.000 Quadratmeter großen Areals, nach einem historischen Viehtriftweg Ochsenzoll genannt, vor den Toren der Stadt in Harksheide.“

Damit nicht genug: Immer wieder kamen Gerüchte auf, der HSV müsse – nicht zuletzt aus Liquiditätsgründen – das Filetstück an der Ulzburger Straße veräußern. Keine Frage, Bauinvestoren hätten liebend gern zugeschlagen, vielleicht sogar die Stadt Norderstedt. Doch offiziell war die Fläche nie auf dem Markt. Überhaupt gab es nur zwei Fälle, in denen kleine Grundstücke abgegeben wurden – und zwar jeweils an Uwe Seeler. Die Fußballikone ist direkter Nachbar, er baute vor über 50 Jahren einen Bungalow, der immer wieder ein wenig erweitert worden ist.

Norderstedt als Zuhause des HSV? Ein größeres Bekenntnis zum Standort könnte es nicht geben. „Wir wollen deutlich machen, dass wir uns nicht vom Gelände verabschieden, sondern bewusst weiter investieren“, so Papenfuß. „Tradition ist etwas, das wir zeigen wollen. Etwas Einmaliges wie fast 100 Jahre Geschichte sollte man pflegen. Aber wir leben nicht nur von Tradition. Wir wollen die Anlage modern ausbauen.“

(Quelle: https://www.abendblatt.de/region/norderstedt/article211552017/Norderstedt-bleibt-fuer-den-HSV-unverzichtbar.html)

Soweit zur Geschichte. Aus eigener Erfahrung (immerhin habe ich jahrelang auf der Anlage für den Verein trainiert und gekickt) kann ich sagen, dass O-Zoll zum HSV gehört wie das Volksparkstadion, nicht mehr und nicht weniger. Die Paul Hauenschild-Anlage ist sowas wie ein Heiligtum des Vereins, ungefähr so wie der goldene Ring der Ur-Oma, der seit Generationen innerhalb der Familie vererbt wird und bei dem man lieber betteln gehen würde, als ihn zu versetzen. Doch diese Zeiten scheinen endgültig vorbei zu sein, denn in Hamburg bemüht man zwar immer mal wieder gern den Terminus vom „großen Traditionsverein“, aber offenbar kann man sich diese Tradition aufgrund eklatanter Fehlentscheidungen aus Vergangenheit und Gegenwart nicht mehr leisten. Also soll verramscht werden, was noch zu verramschen geht, obwohl von Seiten des Vorstands doch immer wieder erklärt wird, dass die Situation, die vor wenigen Monate noch dramatisch war (Hoffmann), heute locker im Griff sei, denn immerhin geht es ja auch ohne Kühne. Und so sieht das dann aus, wenn es auch ohne den Gönner geht.

Der HSV hilft sich selbst: Auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen kann die HSV Fußball AG wohl auf Hilfe des HSV e.V. hoffen. Nach Informationen von NDR.de haben die ausgegliederte Profifußball-Abteilung und der Gesamtverein die Verhandlungen über einen Verkauf des Nachwuchsleistungszentrums auf dem Gelände in Norderstedt wieder aufgenommen. Der Wert der Jürgen-Werner-Schule wird auf zwei bis drei Millionen Euro geschätzt. Dafür müsste der eingetragene Verein ein Darlehen aufnehmen. Geld, dass wiederum der AG helfen könnte, mögliche Liquiditätslücken zu schließen

(Quelle:NDR.de)

Das muss man sich jetzt wirklich einmal bildlich vorstellen. Zuerst bettelt man die Mitglieder an, damit sie mit ihrem Geld den Bau eines Nachwuchsleistungszentrums (Campus) ermöglichen – Fan-Anleihe. Dann verknallt man diese Kohle, weil man sie für noch ausstehende Ratenzahlungen für Spieler benötigt, die schon längst nicht mehr beim HSV spielen. Und für Abfindungen. Und für Vorstandsgehälter. Dann bettelt man die Mitglieder ein zweites Mal an, weil man es natürlich nicht geschafft hat, die erste Anleihe zurück zu zahlen, dies sollen erneut die Mitglieder übernehmen, die im Übrigen schon mit exorbitanten Eintrittspreisen bei gleichzeitigem Folterfussball gequält werden. Und nun möchte man, dass der e.V. mit Mitgliedergeldern ein Grundstück kauft, dass der AG gehört, damit sich die AG wieder einmal in die Lizenz und die nächste Saison rettet und damit die Herren dort weiterhin einen Direktor am nächsten einstellen können, anstatt Personal zu reduzieren. Und damit man Spielern wie Stehgeiger Lasogga auch in der nächsten Saison noch € 1,5 Mio. für mehrere Jahre in den Hals werfen kann. Und dann soll sich der e.V. auch noch dafür verschulden? Soll das ein mieser Witz sein?

Es reicht!

Im NDR-Artikel wird Ex-Präsident Ronny Wulff mit folgenden Worten zitiert:

„Vielleicht hat das Präsidium keine andere Möglichkeit mehr, um den Fortbestand des Profifußballs zu sichern. Allerdings wären mehr Transparenz und Ehrlichkeit bei dieser Thematik angebracht. Den Mitgliedern wurde versprochen, dass ohne ihre Zustimmung nur 24,9 Prozent verkauft werden können. Das entspricht nicht der Wahrheit. Dass sowohl das aktuelle Präsidium als auch die ehemaligen Präsidien diese ‚Satzungslücke‘ bis heute nicht geschlossen haben, ist unverständlich und besorgniserregend.“

So ist es, aber das ist halt Hoffmann-Style. Sich als großer Dealmaker feiern zu lassen, aber unglücklicherweise nie transparent darzulegen, wie diese Deal zustande gekommen sind. Jahre später werden dann die Details bekannt, wie u.a. die Praxis, für verkaufte Spieler das Geld sofort zu fordern, während man beim Ankauf von neuen Spielern immer aufs Abstottern setzte. Mit anderen Worten: Man löst Probleme nicht, sondern verlagert sie in die Zukunft, in der wirren Hoffnung, dass sich dann „schon irgendwas ergeben wird“. Leider ergibt sich beim HSV grundsätzlich etwas,  aber nie etwas, was für den Verein zum Vorteil ist. Damit muss irgendwann einmal Schluss sein und dieser Zeitpunkt ist jetzt.

Die Anleger-Versammlung, der Aufsichtsrat oder am Ende die Mitglieder müssen den Vorstand dazu auffordern, endlich einmal transparent darzulegen, wie es um die Situation des Vereins tatsächlich bestellt ist, anstatt eine Blendgranate nach der nächsten zu zünden. Die Zeiten der leeren Versprechungen, der Worthülsen und der Tricksereien muss vorbei sind, ansonsten bezahlen dann wieder die Mitglieder, während die Verursacher mit vollen Taschen vom Hof geritten sind.