Der Eine sagt Hü, der Andere sagt Hott. Nun ist es ja nicht so, dass dies beim HSV etwas Neues wäre, denn nicht nur die externe Kommunikation des Vereins gestaltet sich seit Jahren wie eine einzige große Katastrophe. Auch intern scheint mehr man übereinander als miteinander zu reden, ansonsten wäre es wohl kaum möglich, dass Mitarbeiter, die zwingend an einem Strang ziehen sollten, aneinander vorbeireden oder sogar noch schlimmer, grundsätzlich gegensätzliche Positionen einnehmen. Der vorläufige Höhepunkt dieser Kommunikations-Unfähigkeit gipfelt nun erneut in der Auffassung über die sportliche Ausrichtung und Zukunft des Vereins.

Hannes Wolf: „Es wird einen großen Umbruch geben, auch geben müssen. Erneut mit der klaren Vorgabe Aufstieg. Ich halte das für problematisch, weil ich es für sinnvoll erachten würde, sich erst einmal zu stabilisieren. Aber so tickt der HSV.“

Relativ eindeutig, was der Ex-Coach damit meint. Als jemand, der an der Kölner Sporthochschule seinen Fußball-Lehrer gemacht und 2017 mit dem Titel „Deutschlands Trainer des Jahres“ ausgezeichnet wurde, weiß Wolf, welche Schwierigkeiten mit einem Radikal-Umbruch verbunden sind. Es muss sich eine neue Mannschaft und ein neues Mannschaftsgefüge bilden. Es müssen sich Führungsspieler heraus kristallisieren, die vom Rest der Mannschaft als solche akzeptiert werden. Positionen müssen besetzt und untereinander abgestimmt werden und so weiter. Es ist nicht damit getan, drei oder vier erfahrene Spieler von anderen Vereinen zu leihen, die dann den Auftrag haben, ein Gerüst zu bilden. Problem: Hier arbeiten Menschen miteinander.

Sportvorstand Ralf Becker scheint mit dieser Erkenntnis überfordert zu sein, denn er proklamiert bereits vor dem 34. Spieltag der laufenden Saison den Aufstieg im Jahr 2020, obwohl noch nicht mal feststeht, wer dann als Trainer auf der Bank des HSV sitzen wird.

Becker:  „Ich kann mich als Sportvorstand des HSV doch nicht hier hinsetzen und sagen, wir wollen Fünfter werden.“

Diese zwei komplett unterschiedlichen Ansätze und Ansichten, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erst nach der Kündigung Wolfs entstanden sind, zeigen das Dilemma des HSV in aller Deutlichkeit. Hier diejenigen, die in der Lage sind, eine Situation realistisch einzuschätzen und die am Ende den Kopf hinhalten müssen, wenn das, was die Anderen meinen als Kampagne ausgeben zum müssen, nicht eintritt. Wolf (und jeder vernünftige Trainer) sagt das, was umsetzbar bzw. wahrscheinlich ist, Becker sagt das, von dem er meint, dass es alle hören wollen. Dabei ist es Becker tatsächlich scheißegal, ob seine Forderungen tatsächlich eingehalten werden, denn am Ende kann er immer noch seinen Rettungs-Joker ziehen und den nächsten Übungsleiter, der nicht in der Lage war, seine Dummheiten umzusetzen, feuern. Und genau an dieser Stelle beginnt der nächste Fehler.

Halten wir doch mal fest: Ralf Becker und Bernd Hoffmann haben zu Beginn der Saison diesen Kader, der mit ca. € 56 Mio. Kaderwert und mit über € 30 Mio. Kaderkosten für neue Rekorde in der zweiten Liga gesorgt hat, zusammengestellt. Sie waren es, die mit einem Trainer (Titz) in die Saison-Vorbereitung und dann in die Saison gegangen sind, obwohl sie schon unmittelbar nach dem Abstieg nicht mehr vom damaligen Coach überzeugt waren. Aber – man gab dem Druck nach, weil sie meinten, sie (persönlich!!!) könnten es sich nicht leisten, den damals beliebten Trainer zu entlassen, obwohl es das einzig Sinnvolle gewesen wäre. Dann trennte man sich doch von Titz, installierte Wolf und tut heute so, als hätte man mit all dem nichts am Hut. Und um schnell vom eigenen Versagen abzulenken, verschwindet Hoffmann in der Versenkung, nachdem er den sportlichen Bereich für das Scheitern verantwortlich gemacht hat und Becker gibt mal schnell die nächste Parole aus, von der er meint, sie würde bejubelt werden.

Keine Spur davon, Verantwortung zu übernehmen, kein Anzeichen dafür, das eigene Versagen zu hinterfragen. Es ist immer das Gleiche, der Verein dreht sich nach wie vor im Kreis. Führungskräfte fällen Entscheidungen, die ein sportliches Scheitern herbeiführen und am Ende wird der Trainer gefeuert. Aber garantiert wird wieder eine arme Sau gefunden, die nach außen so tut, als würde sie sich mit den wahnsinnigen Zielvorgaben des Vorstandes einverstanden erklären und diese arme Sau wird es am Ende wieder sein, die über den Jordan geht, während die wahren Versager an ihren Stühlen kleben bleiben.

Es ist immer die gleiche Nummer. Deshalb traut sich niemand, endlich einmal Schluss mit diesem Scheiß-Lied zu machen, deshalb will niemand die Uhr abbauen und deshalb will keiner einen Dino abschaffen, obwohl der Verein den Nimbus des Dinos längst verspielt hat. Jeder denkt nur daran, was das Beste für ihn selbst, aber nicht das Beste für den Verein wäre.