Irgendwie sind die schon lustig da beim HSV. Seit Jahren höre und lese ich immer wieder „Dies ist der HSV, das geht hier nicht“ oder „Wir sind hier in Hamburg und nicht in Freiburg“. Zuletzt kam Noch-Sportvorstand Ralle Becker mit der Weisheit um die Ecke, dass man den so unfassbar anspruchsvollen HSV-Anhängern einen 5. Platz als Zielsetzung für die nächste Zweitliga-Saison nicht verkaufen könnte. Wie anspruchsvoll diese selbsternannten „HSV-Fans“ tatsächlich sind, davon konnte ich mich am letzten Sonntag beim letzten Saisonspiel gegen Duisburg überzeugen. Unabhängig davon, dass ich diese Aussage für Schwachsinn halte, stelle ich die gleiche Frage wie Holger Hieronymus im NDR Sportclub: „Wer stellt diese vermeintlichen Regeln eigentlich auf?“ Gibt es in Hamburg eine Art Geheimloge, die für die Saisonziele des HSV verantwortlich ist oder vielleicht, neben dem Aufsichtsrat, dem Beirat, dem Ehrenrat und dem Seniorenrat, noch eine Art Saisonziel-Rat, der in irgendeiner Art weisungsbefugt ist? Ich jedenfalls habe noch nichts davon gehört, aber das soll nichts heißen.

Spaßig ist allerdings, dass man (von Vereinsseite) erklärt, dass man in Hamburg einfach mal andere Umstände und Voraussetzungen vorfindet und zu akzeptieren hat und man sich deshalb eben nicht an Vereinen wie dem SC Freiburg orientieren dürfe, während die „Fans“, die es immer noch nicht verstanden haben und wohl auch nicht verstehen werden, immer wieder auf Beispiele anderer Vereine zugreifen wollen. War es jahrelang das Beispiel Borussia Dortmund, dem man nacheifern wollte (hat irgendwie so gar nicht funktioniert), ist es aktuell das Beispiel Eintracht Frankfurt, welches man tunlichts kopieren sollte. Typisch Hamburg halt, immer so, wie es am besten passt.

Problem ist nur: Kopieren bringt gar nichts. Sowohl die Borussia wie auch die Eintracht sind vereinstechnisch und strukturell komplett anders organisiert und aufgestellt, als der HSV. Und nur, weil Herr Bobic nach dem Weggang von Heribert Bruchlandung einige Personen wie Physios und Nachwuchstrainer ausgetauscht hat, muss das in Hamburg noch lange nicht klappen. Zumal man in Hamburg all diese Schritte der Veränderung bereits mehrfach und ohne erkennbaren Erfolg hinter sich hat. Nein, der HSV muss begreifen, dass er seinen eigenen Weg gehen muss und nicht einfach die Schablone Dortmund, Frankfurt oder Leipzig auf den Volkspark legen kann und dann geht das Ding los. So nicht.

In Hamburg bzw. beim HSV steht dem allerdings ein großes Problem im Wege, denn in diesem Verein gibt es derart viele Seilschaften, uralte (Geschäfts)-Beziehungen, unterschiedlichste Strömungen und Begehrlichkeiten, dass man, möchte man eine oder mehrere konzeptionelle und personelle Entscheidungen treffen, unendliche viele Allianzen eingehen und Zugeständnisse machen muss. Denn während in Dortmund, Frankfurt, Leipzig etc. vielleicht 3 oder 4 Personen einen Konsens zu finden haben, muss man beim HSV teilweise 10 oder 15 Personen unter einen Hut bringen. Angefangen beim Vorstand (Gesamt und Sport), über den Aufsichtsrat, den Beirat, Herrn Kühne und (im Hintergrund) Herrn Gernandt, den e.V-Präsidenten, den SC und und und. Jeder möchte mitreden und merkt dabei nicht, dass er einer zeitnahen Lösung eher im Weg steht als sie beschleunigt.

Was wäre also die Lösung? Antwort: Es gibt sie nicht. Der HSV hatte in den 80er-Jahren mit Dr. Wolfgang Klein, Günther Netzer und Ernst Happel drei Personen, die nicht nur die Richtung vorgaben, sondern auch die Entscheidungen trafen.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Verein dann zu einem Moloch (Gründung des Aufsichtsrats, Ausgliederung 2014, Anteilsverkäufe an Kühne), so dass heute eine zweistellige Anzahl an Personen gefragt werden und an Entscheidungen beteiligt sein möchte. Diese Entwicklung ist nicht zurück zu drehen, Punkt. Genauso wenig, wie man als HSV e.V. jemals seine AG-Anteile zurückbekommt, bekommt man einen kleinen Kreis von Entscheidern zurück. Der Verein ist in sich selbst gefangen und steht sich selbst im Weg.

Fakt: Es wird Zeit, dass der HSV einen Vorstand bekommt, der besonders der BILD erklärt, wer in Hamburg die Saisonziele festlegt, wer der nächste Trainer wird und welche Spieler verpflichtet werden. Andernfalls könnte man Herrn Hesse einmal fragen, ob er nicht bereit wäre, dieses Amt zu übernehmen. Aus dem Hinterhalt schießt er immerhin schon seit vielen Jahren. 

Und noch was…

Am 04.05.2019, unmittelbar nach der 0:3 Heimniederlage gegen Ingolstadt, erklärte Sportvorstand Becker einem überforderten Trainer Wolf, dass sich die Wege am Saison-Ende trennen werden, unmittelbar vor dem entscheidenden Spiel in Paderborn. Heute schreiben wir den 23.03.2019, also fast 3 Wochen nach der Erklärung und der HSV sondiert und sondiert und redet und klärt ab. Man war sich also vor 3 Wochen sicher, was passieren würde und war wie immer komplett unvorbereitet. Jeder Tag, der nun vergeht, ist ein verlorener Tag im Hinblick auf einen angekündigten Radikal-Umbau. Bisher hat man keinen neuen Trainer, dafür aber einige neue Spieler, die er alte Trainer Wolf unbedingt haben wollte. Was dies für die nächste Saison, den nächsten Trainer und die Saisonziele bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.