Ich stelle mir mal vor, ich wäre einer der angeblich 44.000 Zuschauern gewesen, die sich den Weg in den Volkspark nicht sparen wollten, ich würde mich spätestens jetzt fragen, warum ich mir das zum nächsten Heimspiel nochmal antun sollte. Gefühlte 346 neue Spieler, neuer Trainer, neuer Sportchef – und der Fußball ist exakt der gleiche geblieben. Viel Ballbesitz, viel Geschiebe, ein paar Chancen und am Ende kommt (fast) nichts dabei raus. Jedenfalls kommt zu wenig raus, will man sowas wie Aufbuchsstimmung entwickeln. Denn, sein wir doch mal ehrlich, genau so wie heute, sah es am Anfang der letzten Saison auch aus. Und ich frage mich, ob man so viel Geld auf und neben dem Platz ausgeben muss, um auf der Stelle zu treten.

Das sieht zwar phasenweise ganz niedlich aus, aber das ist ein Ergebnissport und die Ergebnisse stimmen eben nicht. Und ich bitte dringend, sich an die Fakten zu erinnern.

Darmstadt wurde in der letzten Saison 10.

Darmstadt hat einen Kaderwert von € 15 Mio., der HSV von € 54 Mio.

Darmstadts Kader kostet pro Saison € 7,5 Mio, der HSV-Kader (mit Prämien) jenseits der € 34 Mio.

Ich möchte nicht wissen, wie viel Grammozis in Darmstadt verdient und wie viel Hecking abgreift.

Jetzt mag wieder das leidige Gejammer von wegen „Geld schießt keine Tore etc.“ anfangen, aber für Durchschnitt muss man nicht diese Gelder bewegen, die der HSV jedes Jahr bewegt. Dann hätte man den Weg mit den jungen Spielern gehen können.

Fakt ist: Darmstadt ist gelebter Zweitliga-Durchschnitt und der HSV ist, trotz aller finanzieller Anstrengungen nicht mehr. Über den Elfmeter in der 98. Minuten kann man diskutieren, wenn man möchte, ich möchte eigentlich nicht, weil mich dieses Spiel, die Aussagen des Herrn Boldt im Anschluss und der gesamte Verein an diesem Tag schon genug gelangweilt haben. Und, wie gesagt, wäre ich heute im Stadion gewesen und hätte für diesen Murmeltier-Auftritt € 50 plus hingelegt, ich würde es garantiert nicht wieder tun.

Tatsache ist nun mal, der HSV hat in der Rückrunde der letzten Saison etwas verspielt, was mehr wiegt als nur ein wenig Geld – die Gegner, die nach Hamburg kommen, haben weder Angst noch Respekt, warum auch? Galt der Verein in der Hinserie der letzten Saison noch als der ewige Bundesliga-Dino, der große Verein, so hat nun wirklich jeder verstanden, dass dieser Klub ein Scheinriese ist, den man mit ein wenig Glück, Laufarbeit und Disziplin schlagen kann, kein Grund zur Panik vor der Fahrt nach Norden.

Und es noch etwas, was mir nicht nur diesen Verein, sondern sein gesamtes Umfeld von Monat zu Monat langweiliger macht. Es sind die immer gleichen Ausreden, die gefunden werden müssen, um das nächste Versagen zu erklären. Ist es nicht einfach nur noch öde, wie die Rumpelnickis sich jeden Tag neue haarsträubende Erklärungen ausdenkenmüssen, um den Schwachsinn zu rechtfertigen? Jeden Spieltag zwingt der Verein die Hofberichterstatter und Hüpfer dazu, die nächsten Legenden zu erfinden. Mal sind es die neuen Spieler, dann ist es die Verletzung eines Leistungsträgers, dann das Wetter, der neue Trainer, das neue Flutlicht bla bla bla. Kann der Verein nicht einfach mal das machen, wofür er unfassbare Eintrittspreise verlangt, ungeheure Gehälter bezahlt und einen nicht nur für die zweite Liga extrem aufgeblähten Wasserkopf beschäftigt?

Jetzt kommen nach diesem spielerischen Offenbarungseid tatsächlich die ersten Vollidioten um die Ecke und feiern begeistert, dass man bereits einen Punkt mehr hat als zum gleichen Zeitpunkt der letzter Saison, ohne Worte. Es gab tatsächlich ein Spruchband, auf dem stand: „Wir verzeihen euch alles“. Diese Pfosten begreifen nicht, dass sie einer der Hauptgründe für das sind, was passiert ist und weiterhin passieren wird.

HSV-Kapitän Mit seiner Coolness rettet Hunt das Hecking-Debüt

Genau. Und davor hat wie immer 90 Minuten lang das Tempo verschleppt, ist mit Leidensmiene über den Platz gejoggt und hat nebenbei eine 150%ige Chance versiebt.

Der Kapitän ist sicher: „Wir hätten in der ersten Hälfte in Führung gehen müssen und das Spiel dann auch überzeugend gewonnen.“

Habt ihr aber nicht, verdammt nochmal. „Und wenn meine Tante eine Pimmel hätte, wäre sie mein Onkel“. Dieser Verein lebt sein 15 Jahren im Konjunktiv. Und ja, natürlich stimmt mal wieder „die Moral in der Truppe“, die im ersten Heimspiel der Saison nach einem Rückstand in der 46. Minuten doch tatsächlich noch versucht hatte, den Ausgleich zu erzielen. Wie lange wollt ihr uns eigentlich noch verarschen?