Mir fehlen langsam die Worte, selbst nach all den Jahren, die ich mich mit diesem Verein und der Presse beschäftige.

Auch Sportrechtler argumentieren streng formaljuristisch. Sie empfehlen, die Diskussion um Jatta sachlich zu führen, ohne moralisch zu argumentieren. Als ließen sich Moral und Recht trennen. Du sollst nicht töten. Und wenn möglich auch nicht einem beinahe vorbildhaft integrierten jungen Geflüchteten das Leben zur Hölle machen. Und erst recht nicht Rechtsextremen Futter geben. (Quelle: Zeit.de)

Die Art und Weise der moralischen Selbstgerechtigkeit kennt in diesem Fall offensichtlich keinen Grenzen mehr. Allein die Überschrift dieses vor überheblicher Moral triefenden Artikels schlägt dem Fass den Boden aus. „Wen betrügt er denn?“ Nun, zuerst einmal betrügt er niemanden, denn nach wie vor ist ein Betrug nicht er- und bewiesen. Aber offenbar ist man in einigen Redaktionen schon weiter, denn hier geht man offenbar davon aus, dass ein Betrug vorliegt. Und deshalb schiebt man schon mal die Tränendrüse raus und fragt, wer sich denn betrogen fühlen würden, sollte ein Betrug vorliegen.

Also, ich z.B. Ich würde mich betrogen fühlen und das hat absolut nichts mit der Person Bakery Jatta zu tun. Denn ich, der sich an die geltenden Gesetze und an die deutsche Rechtsprechung zu halten habe, fühle mich ebenso betrogen, wenn Hassan Ali durch Urkundenfälschung eine Leistung erhält, die ihm nicht zustehen und wenn Horst Müller gegen eine Straßenverkehrsordnung verstößt und dies ungeahnt bleibt, ich aber meinen Strafzettel zu bezahlen habe. Dann fühle ich mich betrogen. Oder sollte ich ab sofort all3 Fälle von juristischer Ungerechtigkeit lieber moralisch betrachten, während man sich über meine moralische Naivität einen Ast lacht?

Ob Bakery nun Jatta heißt oder Daffeh, ob er 21 oder doch schon 23 Jahre alt ist, hat auf seine Leistung auf dem Platz und damit auf das Spiel keinen Einfluss. Kein gegnerischer Torwart würde einen einzigen Schuss mehr halten, nur weil der Schütze anders heißt als gedacht. Kein Gegenspieler würde einen einzigen Zweikampf mehr gewinnen, wenn er wüsste, dass sein Kontrahent ein wenig älter ist als vermutet.  (Quelle: Zeit.de)

Heilige Mutter Gottes, habt ihr eigentlich alle etwas geraucht. Natürlich hält ein gegnerischer Torwart den Ball nicht, ob Jatta nun 21 oder 23 ist, aber wäre Jatta 23, hätte er überhaupt nicht spielen dürfen, ist das denn so schwer zu kapieren? Er hätte sich einen Vorteil erschlichen, auf den er keinen Anspruch gehabt hätte und das ist verdammt nochmal zutiefst un-mo-ra-lisch! „Ja, mein Gott, leidet irgendjemand darunter, dass ich in der 50er-Zone 134 km/h gefahren bin? Es war doch mitten in der Nacht und es ist doch niemand zu Schaden gekommen. Außerdem hatte ich es eilig“. Und da ich es so eilig hatte und zum Glück auch nichts passiert ist, darf ich meinen Lappen behalten, weil – wäre ja moralisch. Oder spielt Moral an dieser Stelle keine Rolle, weil ich kein intregierter Vorzeigeflüchtling bin? Geht es nicht bei all den Moral-Diskussionen weniger um eine eventuelle Verfehlung Jattas und mehr um seinen Status?

Natürlich sollte die Angelegenheit aufgeklärt werden. Aber egal, was dabei herauskommt: Auf das, was im Fußball zählt, auf das nämlich, was auf dem Platz passiert, auf Sieg oder Niederlage, haben die Vorwürfe keinen Einfluss. Jatta hat dort niemanden betrogen. Mit sportlicher Fairness haben die Einsprüche deshalb nichts zu tun, sie sind momentan nicht mehr als kleinkariertes Funktionärsdenken. (Quelle: Zeit.de)

Oh ja, kleinkariertes Funktionärsdenken. Ein moral-durchsetzter, selbstgerechter Journalist wie Herr Spiller und viele andere können sich ihre oberflächliche Moraldiskussion leisten, schließlich leben sie in einem Staat, der ihnen dies ermöglicht. Sie können anprangern und kritisieren und fordern, aber sie müssen am Ende keinerlei Verantwortung übernehmen, wenn die Sache in die Hose geht. Wenn sich nach einem moralischen Freispruch für Jatta Hundertausende auf genau diesen Fall beziehen werden. Dann dürfen sie mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die aufgrund des Drucks, den sie zur Zeit ausüben, den Bock geschossen haben.

Und dann, genau dann, sind sie froh, dass das sie das alles können und dürfen, weil ihnen ein Land, in dem eben nicht ausschließlich nach „moralischen Aspekten“, sondern nach kleinkariertem Funktionärsdenken gehandelt wird, ihnen diese Möglichkeit bietet. Heuchler!

https://www.zeit.de/sport/2019-08/bakery-jatta-einsprueche-hamburger-sv