Stillstand

Nach dem gestrigen Spiel beim Tabellen-12. Holstein Kiel (1:1) steht der Hamburger Sport Verein auf dem ersten Tabellenplatz (noch) mit nunmehr 26 Punkten. 7 Siege, 5 Unentschieden und eine Niederlage (gegen St. Pauli) stehen zu Buche und ich möchte kurz erinnern, wo der Verein zum gleichen Zeitpunkt der letzten Saison stand, an deren Ende man den sicher geglaubten Aufstieg kläglich verspielte: Man war Tabellenführer mit 27 Punkten (8 Siege, 3 Unentschieden, 2 Niederlagen). Wer also denkt, dass der HSV 2019 deutlich besser darstehen würde als der HSV des Vorjahres, der irrt. Auch ich habe mich geirrt.

Denn ich hatte, unabhängig vom Punktestand, gedacht, dass diese Mannschaft des HSV stabiler wäre als eine Mannschaft, gespickt mit Bundesliga-Akteuren, in der letzten Saison. Ich hatte gedacht, man wäre breiter aufgestellt als im letzten Jahr, auf vielen Positionen doppelt besetzt und nicht mehr derart abhängig von einigen wenigen Schlüsselspielern. Ich lag falsch. Der HSV ist immer noch das äußerst fragile Gebilde der letzten Jahre und einige wenige Ereignisse wie Verletzungen oder Sperren können ihn unmittelbar aus der Bahn werfen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass eben auch die Hüpfer, die ansonsten jeden Mist bejubeln, bemerken, woher der Wind weht, sind panische Vergleiche zu Mitkonkurrenten (“Ist doch egal, Stuttgart hat sogar verloren”) oder das übliche Gemoser an Schiedsrichter-Entscheidungen (“Jatta’s Foul war niemals eine rote Karte”).

Wenn man gezwungen ist, auf Ausrutscher der Konkurrenten zu hoffen und jede noch so korrekte Entscheidung der Unparteiischen in Frage stellt, läuft etwas falsch, denn ein souveräner Verein hat sowas nicht nötig. Und während das Spiel noch lief (Ich habe wenig davon gesehen, denn ich habe Präsident Jansen bei meinem Heimatverein Meiendorfer SV verfolgt), war mir klar, was unmittelbar nach dem Ende an Kommentaren folgen würden, denn sie folgen immer, wenn ein Verein so performt wie der HSV.

Boldt: „In der zweiten Halbzeit hat man gesehen, welche Moral die Mannschaft hat und wie sie zusammenhält. Wir haben die ganze Zeit daran geglaubt und hart dafür gearbeitet. Am Ende haben wir den verdienten Ausgleich dann auch geschossen“ (Quelle: Mopo.de)

Hecking: „Die Mannschaft hat die taktischen Anpassungen hervorragend umgesetzt und das Spiel ausgeglichen gestaltet.” (Quelle: Mopo.de)

Genau. Bla bla bla. Ein selbsternannter Aufstiegsfavorit holt gegen eine Mannschaft, die noch vor wenigen Wochen das Tabellenende zierte, einen Punkt und versucht das als Erfolg zu verkaufen. Wie in Wiesbaden. Wie beim Pokal-Aus gegen Stuttgart. Und hier beginnt das Problem, welches den HSV erneut den Aufstieg kosten kann. Anstatt auch nach außen Selbstbewusstsein zu demonstrieren und die Dinge beim Namen zu nennen, wird relativiert. Für jede Scheiß-Leistung gibt es eine beschissene Ausrede und die Spieler nehmen sie mit jedem Spieltag begieriger an.

Wieder einmal ist man dabei, sich schöner zu labern als man ist, wieder einmal werden Ausreden gesucht, anstatt die Dinge beim Namen zu nennen. Der HSV 2019 ist und bleibt nichts anderes als der HSV 2013 oder der HSV 2017. Den Spielern wird die Chance gegeben, sich zurückzulehnen und zu sagen: “Was wollt ihr denn, wir sind immer noch Erster” und das werden sie so lange sagen und denken, bis sie es nicht mehr sind. In der letzten Saison quatschte Kapitän Hunt etwas von “Es ist uns egal, wer hinter uns Zweiter wird” und daran glaubte man bis zu dem Zeitpunkt, an dem einen das Momentum eingeholt hatte und man es nicht drehen konnte. Auch in dieser Saison ist dieses Phänomen zu beobachten und eben das unterscheidet große Vereine von unwichtigen Vereinen.

Beispiel: Die Bayern hätten nach der 1:5-Klatsche in Frankfurt auch sagen können, dass es ja erst der 10. Spieltag wäre und man nur lächerliche 4 Punkte hinter Gladbach stehen würde. Machen sie aber nicht, in München knallt es. Das Resultat hat man gestern Abend beim 4:0-Sieg gegen Dortmund gesehen. Aber dem HSV sollte noch etwas anderes Sorgen bereiten, schaut man sich die Spielerbewertungen des Abendblatts an. Ich konzentriere mich mal nur auf die Schlüsselspieler.

Van Drongelen (bis 74.): Nur dabei statt mittendrin. Und eine Viertelstunde vor Schluss nicht mal mehr das.

Kommentar: Der Holländer war vor wenigen Wochen noch direkt zu Manchester City geschrieben worden, nun erkennt man, dass die Qualität eben doch gerade mal für die 2. Liga reicht

Fein: Nach dem schwachen Auftritt in Wiesbaden folgte ein noch schwächerer Auftritt in Kiel. Dem feinen Fußballer droht der Novemberblues.

Kommentar: Granate Fein gerät an seine Grenzen, das Spiel ist entschlüsselt. Damit hat der HSV ein Monster-Problem

Kinsombi (bis 74.): In der alten Heimat leider noch immer nicht in der alten Form.

Kommentar: Ich hatte bereits vor der Saison gesagt, dass man erst einmal abwarten sollte, wie weit sich der Königstransfer von seiner schweren Verletzung erholt hätte. Heute sieht man das Ergebnis, der Mann ist nach wie vor ein Schatten.

Kittel (bis 65.): Glänzte in den ersten drei Minuten zweimal – und hatte sein Pulver damit komplett verschossen. Wurde eine Stunde später erlöst.

Kommentar: Im Verlauf der Saison wird deutlich, was übermäßige Belastungssteuerung unter der Woche bedeutet. Über eine ganze Spielzeit gesehen erkennt man, dass der Mann eben doch massiv vorgeschädigt ist und das wird nicht besser.

Hinterseer: Hing wie ein Kronleuchter in der Luft. Zudem sind seit Wochen auch noch die Glühbirnen defekt.

Kommentar: Wer in Bochum 18 Saisontreffer macht, muss doch in Hamburg über 20 machen können. Hieß es. Heute sieht man, dass Hinterlader doch nur ein Drittliga-Lasogga ist.

Dazu kommt ein immer dünnhäutig werdender Trainer, der den Druck des Aufsteigen-müssens mit jedem Spieltag mehr zu spüren bekommt. Fehlt eigentlich nur noch das nächste Interview von Kühne, aber das kommt früher oder später ohnehin….

Von | 2019-11-11T07:31:42+01:00 10. November 2019|Allgemein|13 Kommentare

13 Comments

  1. Kevin allein in Hamburg 10. November 2019 um 09:43 Uhr

    Dieser Verein wurde irgenwann mit dem Versager Virus infiziert.
    Man bekommt diesen nicht mehr isoliert.
    Der HSV ist dem Untergang geweiht.
    Erst graue Maus und dann geht’s schneller in die Bedeutungslosigkeit als man denkt.

  2. Volli 10. November 2019 um 10:25 Uhr

    Hab nicht das Gefühl, dass versucht wird die Spiele schön zu labern. Weder in Wiesbaden noch gestern in Kiel. Die rote Karte kann, muss man aber nicht geben. Allerdings werden Spieler besser gequatscht als sie sind. Kiel hat sich gestern selbst bestraft, weil man in der zweiten Hälfte viel zu wenig Druck auf die desolate Abwehr gemacht hat. Das dürfte bis zum Schluss ein schönes Schneckenrennen geben. Wenn der HSV nicht in die Puschen kommt, und sich vor der Winterpause ein paar Punkte Vorsprung erspielt, dürfte es im Frühjahr wieder massenhaft Bremsstreifen in der Unterhose geben?

  3. cajunX 10. November 2019 um 13:25 Uhr

    “Die rote Karte kann, muss man aber nicht geben.” Den Satz habe ich auch schon bei Ellbogenschlägen gegenGesicht oder Schläfe des Gegenspielers gehört. Aber immer dann, wenn der Verursacher aus der eigenen Mannschaft kommt. Wer die Szene gestern im TV oder live gesehen hat, wie Bäckerei Jatta/Daffeh mit voller Geschwindigkeit mit der Sohle voraus so den Kieler Spieler Öczan weggrätscht, daß der auf die Laufbahn geschleudert wird und blutet wie ein Schwein, der wollte keinen Ball treffen sondern den Spieler außer Gefecht setzen. Und wenn ich mir überlege, daß die Schieris schon für Meckern gelb geben, dann ist rot für diese Szene angemessen. Diese Grätscherei stand vom DFB aus schon einmal vor 30 Jahren auf dem Index und wurde ohne Ausnahme hart bestraft. Leider beurteilen einige jüngeren Schiedsrichter Grätschen unterschiedlich, deshalb ist das wieder in Mode gekommen.

    Zu der Relativierei passt der Kommentar von Hecking, siehe unten. Wehe der Gegenspieler hätte seinen Lieblings-Flüchtling so umgenietet. Hecking hätte den doch glatt vor den Kameras als AFD-Sympathisanten runtergemacht.

    Zitat kicker:
    Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte er (Hecking): “Für mich ist es keine Rote Karte. Baka (Bakery Jatta, Anm. d. Red.) kann man vorwerfen, dass er mit einer Dynamik in den Zweikampf reingeht, die vielleicht überflüssig war in der Szene. Der Gegenspieler will einfach nur blocken und wird durch die Dynamik gefoult.”

    Also nicht Jatta hat foul gespielt, nicht einmal Daffeh, sondern DIE Dynamik. Hat da ne Frau mitgespielt? Die war schuld, genau. Irgendwann bekommt Hecking nach der 1. auch in der 2. Liga keine Angebote mehr, vielleicht setzt er sich dann zur Ruhe und schreibt denm Bestseller, auf den die Welt gewartet hat: Das Bezahl-TV, die Schiedsrichter-Mafia und ICH: Meine 1000 besten Ausreden!

    • Volli 10. November 2019 um 13:54 Uhr

      So wie ich das lese, sieht Jovanov die Entscheidung auch als diskutabel an. Und der steht nicht im Verdacht unkritisch mit dem HSV umzugehen.

  4. Saschas Alte Liebe 10. November 2019 um 15:41 Uhr

    “Drittliga Lasogga” ?? beispielhaft treffend.
    Bielefeld gewinnt 5:1 und ist Tabellenführer. Die halten die Mentalität hoch, als einzige.
    ich kann mich an kaum eine schwächere 2. Liga erinnern als diese.
    Fast alle Spiele sind überhaupt keine “Spiele”, eher eine rumpelige Zumutung für den Betrachter.

  5. Demosthenes 10. November 2019 um 15:47 Uhr

    Erstens: Rot ist rot.
    Zweitens: Der Fehler liegt nicht beim Schiedsrichter, sondern beim Spieler.
    Rumpel-Jattas Blutgrätsche – überflüssig wie eine Gambische Geburtsurkunde – in nicht mal unmittelbarer Tornähe sondern direkt vor der gegnerischen Bank, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Homunkulus nichts in irgendeiner Nationalmannschaft dieser Welt verloren hat. Es zeigt allerdings auch, wie angespannt die Stimmung im Team ist. Die Nerven liegen blank. Nach nur 7 Punkten in den letzten 5 Ligaspielen lag man in der Tabelle nur noch deswegen vorn, weil die Verfolger zu blöd zum Überholen sind. Aber auch das ist seit 15:15 vorbei, Arminia führt, HSV nur noch 2ter.
    Aber das kann sich schnell ändern. Und wenn Van Dingdong und KittelFein einen gebrauchten Tag erwischen, gibt es keinen in der Mannschaft, der es statt ihrer rausreißen kann. Jung: altersschwach. Leibold: bemüht. Dudziak: abgetaucht. Hunt: Bremse. Narey: Fehlpasskönig. Hinterseer: hilflos.
    Jetzt ist Schnappi gefordert, damit sein Team bei den kommenden Knallern gegen Dresden, Osnabrück, Heidenheim, Sandhaufen und Darmstadt Mentalität und Männerfußball zeigt. Oh Mann, warte, hab’ ich das jetzt echt gesagt? HSV, was ist nur aus Dir geworden… (Kopfschüttel).

  6. Fohlenflüsterer 10. November 2019 um 15:53 Uhr

    Hecking möchte nur ablenken von dem eigenen Unvermögen. Das war eine ganz klare rote Karte! Wenn Jatta für die nächsten Spiele gesperrt wird, wird dieser dann durch Daffeh ersetzt? Hecking ist maximal nur ein zweitklassiger Trainer. Marco Rose zeigt in Gladbach, wie man eine Mannschaft entwickeln kann und das kann Hecking einfach nicht! Patrick Hermann hat bei Hecking überhaupt nicht gespielt und jetzt blüht Hermann richtig auf! Es gibt noch viele weitere Beispiele, aber das würde in einem HSV Blog zu weit führen!

  7. Volli 10. November 2019 um 16:03 Uhr

    Ich kann nicht beurteilen, ob das die schwächste 2. Liga aller Zeiten ist. Hab die Klasse bis 2018 kaum verfolgt? Dürfte vielen so gehen.

  8. Walti 10. November 2019 um 16:15 Uhr

    Der Spruch “die schwächste 2. Liga aller Zeiten” war auch letzte Saison im Gespräch und jetzt eben wieder… ob’s tatsächlich so ist, das kann ich nicht beurteilen… 😉 Was aber Demosthenes richtig schrieb ist, dass der HSV nur deshalb noch Zweiter ist, weil die Verfolger zu doof zum Überholen sind… aber auch das wird sich noch ändern… 😉

    Hunt hat seine letztjährige Aussage bereits korrigiert in “…ist mir doch egal, wer hinter uns Dritter wird…” 😉 🙂

    • Volli 10. November 2019 um 16:38 Uhr

      Hab eher das Gefühl, dass viele Mannschaften mit der 2. Liga so ihre Probleme haben. Ohne Kampf geht da gar nix. Allein mit spielerischen Mitteln läuft nicht viel! Bis auf 3, 4 Teams versuchen alle Mannschaften das beste aus ihren Möglichkeiten rauszuholen. Das ist meistens eine gesunde Härte, defensive Stabilität und hohe Bälle nach vorn. Da finden die gefühlten Bundesligisten kaum Lösungen.

      • Walti 10. November 2019 um 17:09 Uhr

        Angesichts der Tatsache, dass der HSV (und auch andere Ex-BL-Mannschaften) sich vor allem gegen Mannschaften aus dem Tabellenende unheimlich schwer tun, ist’s wohl wirklich so… ohne Kampf geht gar nix..!. …aber “Kampf” ist jetzt dummerweise nicht wirklich die Stärke vom HSV… 😉

        • Volli 10. November 2019 um 17:14 Uhr

          ?so siehts aus

  9. Ulrich 10. November 2019 um 19:26 Uhr

    Die zweite Liga ist so öde wie die EL in Europa.
    Da will niemand spielen. Da kann man noch soviel Werbung machen wie man will.

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