Anmerkungen zur Bilanz 2018/19 der HSV AG

Ein Gastblog von Kerberos

Das allgemein positive Echo auf die Bilanz 2018/19 der HSV AG wirkt doch, milde ausgedrückt, irritierend. Und es wirft fast zwangsläufig die Frage auf, welch unglaublicher Märchen es denn noch bedarf, damit auch das Umfeld des HSV endlich aus seiner Scheinwelt erwacht. Eine Bilanz besteht entgegen der langläufigen Auffassung keineswegs nur aus Zahlenkolonnen, die „frei“ interpretierbar sind. Weit aus wichtiger sind die Textpassagen einer Bilanz. Denn es sind gerade diese erläuternden Texte einer Bilanz, die so manche „frei-geistige“ Interpretation des Zahlenwerks verbieten. Daher sollen hier bereits heute aus Gründen der Aktualität einige signifikante Fakten und Anmerkungen zur Bilanz 2018/19 in gebotener Kürze dargestellt werden.

Ein Bilanzverlust von lediglich knapp € 8 Mio. wirkt für viele Betrachter angesichts der gehegten Befürchtungen offenbar doch recht „erfreulich“. Soweit ist es also schon gekommen. Und dabei kam dieses Ergebnis im „erfreulichen“ einstelligen Millionenbereich auch nur zu Stande, weil die HSV AG vom Sportvermarkter Legardere mit einem ertragswirksamen Forderungsverzicht in Höhe von € 3.3 Mio. „beschenkt“ wurde. Ohne dieses „Geschenk“ hätte die HSV AG einen Bilanzverlust in Höhe von gut € 11 Mio. ausweisen müssen. Und das wirkt natürlich denn schon weit weniger „erfreulich“.

Aber nun ist das mit den „Geschenken“ an die HSV AG, ganz gleich vom wem auch sie kommen mögen, immer so eine Sache. Nirgendwo ist eigentlich die Sage um das „Trojanische Pferd“ aktueller als bei der HSV AG. Denn natürlich hat der Sportvermarkter Legardere für seinen Forderungsverzicht erneut einen dieser sagenumwobenen Besserungsscheine erhalten. Erneut? Ja, denn es ist nicht der erste Besserungsschein, den der Sportvermarkter Legardere gegenüber der HSV AG hält. Dies relativiert selbstverständlich auch die freudigen Botschaften der HSV AG, dass dem Investor K-M Kühne seine Besserungsscheine „abgekauft“ werden konnten. Tatsächlich hat in der „Causa Besserungsscheine“ nun der Sportvermarkter Legardere die Position des Investors K-M Kühne eingenommen.  Nur – was an der maladen Situation eines Intensiv-Patienten hat sich denn verbessert, wenn die Pest mit der Cholera kuriert wurde.

Ihres gleichen suchen auch die kommunikativen Akrobatikeinlagen der HSV AG, wenn es darum geht, die Schulden des Unternehmens in die Richtung einer „schwarze Null“ zu relativieren. Da wird dann eben so en passant die Betrachtung der Verschuldung der HSV AG auf die Netto-Finanzverbindlichkeiten reduziert. Auf einen Begriff, der selbst in der Literatur nicht einheitlich definiert ist. Aber egal, schließlich kommt es für die HSV AG nur auf die wohlklingende Botschaft an. Informations- und Wahrheitsgehalt der Mitteilungen von Aktiengesellschaften werden doch überbewertet – zumindest wenn „unser HSV“ betroffen ist. Selbstverständlich haben sich die Netto-Finanzverbindlichkeiten verringert. Denn entgegen allen vorherigen Beteuerungen und Darstellungen der HSV AG, das Schuldschein-Darlehen sei ein Endfälligkeitsdarlehens und belaste die HSV AG während der Laufzeit nicht mit Tilgungen, wurde und wird das Schuldscheindarlehen jährlich von der HSV AG brav getilgt.

Und so erscheint ein Unternehmen mit einem Kassenbestand von € 17.5 Mio. auf den ersten Blick auch über alle Zweifel erhaben liquide. Doch eben nur auf den ersten Blick für einen Bilanz-Unkundigen. Denn auch hier trügt der Schein, wie so Vieles bei der HSV AG. Alleine die Einnahmen aus der neuen Fan-Anleihe (€ 12.8 Mio) und die Einnahmen aus dem Kartenvorverkauf (€ 6.5 Mio) für die kommende Saison sind hierin bereits mit € 19.3 Mio. enthalten. Oh, da fehlt ja schon etwas! Ein Gutteil dieser im Vorgriff getätigten und bereits für die kommende Saison fest verplanten Einnahmen findet sich also schon zum Bilanzstichtag nirgendwo mehr in der Bilanz als Guthaben wieder.

So lebt man denn in und von der HSV AG, fröhlich dem „treuen“ HSV-Fan eine glorreiche Zukunft vorgaukelnd, im Heute aus den Geldern von Morgen. Und dies eben solange, bis kein Fan und kein Sponsor mehr bereit sein wird, auch nur noch einen Cent auf die Zukunft des HSV zu geben. Auf nunmehr gut € 27 Mio. (+ € 6 Mio.) ist der Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz 2018/19 angewachsen. Im Rechnungsabgrenzungsposten sind überwiegend die Einnahmen aus den Sponsorenverträge für die nächsten Jahre enthalten. Jene Gelder also, die bereits von den Sponsoren heute als Vorschuss auf die Verträge für die folgenden Jahre an die HSV AG ausgezahlt wurden. Doch auf das umfangreiche Thema „Konsolidierung“ einschließlich einer Betrachtung der Entwicklung der Vermögenswerte wird zu einem späteren Zeitpunkt noch eine ausführlichere Darstellung erfolgen.

Die HSV AG weist in der Bilanz 2018/19 Verbindlichkeiten in Höhe von gut € 91 Mio. und Rückstellungen in Höhe von knapp € 8 Mio. aus. Fakt ist also, dass für die HSV AG zum Bilanzstichtag nicht relativierbare Zahlungsverpflichtungen in Höhe von € 99 Mio. ausgewiesen sind. Den Verbindlichkeiten stehen Forderungen in Höhe von gut € 23 Mio. und ein Kassenbestand einschließlich aller sonstigen Guthaben in Höhe von knapp € 18 Mio. gegenüber – mithin also in etwa € 41 Mio. Und so wird es auch für die HSV AG zutreffen, dass über kurz oder lang die Finanz-Jongleure und Kommunikations-Gaukler stets von der Macht des Faktischen eingeholt wurden.

Zu guter Letzt noch ein die HSV AG prägendes Beispiel. Es zeigt nur zu deutlich, mit welch perfider Darstellerkunst die Vertreter des Unternehmens stets versucht sind, die Öffentlichkeit gehörig hinter die Fichte zu führen. In der vorherigen Bilanz 2017/18 wurde das EBITDA in Höhe von knapp € 42 Mio. stets und ständig zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten bejubelt. Einwände, das EBITDA-Ergebnis 2017/18 sei nicht aussagekräftig, da es sich in erster Linie auf die Erlöse durch Forderungsverzichte von K-M Kühne begründe, kamen einer Majestätsbeleidigung gleich und wurden sogar mit einer Art von „Nachrichtensperre“ für störrische Nachfrager sanktioniert. In der aktuellen Bilanz 2018/19 wird nun jedoch der Rückgang des EBITDA-Ergebnis 2018/19 um € 10 Mio. auf lediglich noch knapp € 32 Mio. wie folgt begründet: „Diese Entwicklung resultiert im Wesentlichen aus einem Sondereffekt im Vorjahr im Zusammenhang mit sonstigen betrieblichen Erträgen aus Forderungsverzichten.“ Na also …. .

Von | 2019-11-17T18:36:32+01:00 16. November 2019|Allgemein|25 Kommentare

25 Comments

  1. Hansestädter 16. November 2019 um 08:27 Uhr

    Besten Dank!

  2. Tobi 16. November 2019 um 09:17 Uhr

    Vielen Dank an Kerberos für diesen Beitrag.

  3. qbert 16. November 2019 um 10:06 Uhr

    danke!

  4. Christian 16. November 2019 um 10:30 Uhr

    Moin Grave und Kerberos,

    vielen Dank für den umfassenden und interessanten Finanzbericht.

    Gruß
    Christian

  5. H96 16. November 2019 um 11:40 Uhr

    Hallo Kerberos
    besten Dank.
    Aber jetzt mal meine Frage: Werde ich meine paar tausend Euros aus der Fananleihe wiedersehen?
    Oder geht der Verein doch pleite, wie hier ja schon seit 2 Jahren geschrieben wird?
    Wie ist deine Einschätzung dazu?

    • Gravesen 16. November 2019 um 11:44 Uhr

      Bevor wir hier zur Fragestunde kommen, solltest du dir vielleicht selbst die Frage stellen, wie man so dämlich sein und diesem Verein auch noch Geld in den Rachen werfen kann…

      • H96 16. November 2019 um 11:49 Uhr

        na ja es sind ja nur ein paar Euros so das ich einmal im Jahr ein Flug und die Eintrittskarte aus den Zinsen bezahlt bekomme.
        Also ein überschaubarer Betrag.

        • Gravesen 16. November 2019 um 12:09 Uhr

          Ein paar Tausend Euros sind also nur ein paar Euros. Na, herzlichen Glückwunsch

        • Kevin allein in Hamburg 16. November 2019 um 16:18 Uhr

          Ich bin sprachlos.

  6. Saschas Alte Liebe 16. November 2019 um 12:26 Uhr

    “So lebt man denn in und von der HSV AG … im Heute aus den Geldern von Morgen.”
    Es bleibt, wenig überraschend, beim gleichen System.
    Man darf wohl auch davon ausgehen, dass bei den zu bedienenden Verbindlichkeiten kaum “Niedrigzinz” herrscht.
    Es gibt vermutlich im Fußballzirkus etliche Clubs, die gleichsam zu arbeiten pflegen;
    gelegentlich raucht ja auch mal einer ab …
    Steigt denn – mal über längere Zeit betrachtet – der Berg der in die Zukunft verschobenen Verbindlichkeiten an beim HSV bzw. nimmt dabei die vorhandene Substanz ab?
    Für Szenarien, wie sich die Situation bei einem Aufstieg respektive Nichtaufstieg darstellte, sind vermutlich zu viele unbekannte Faktoren relevant, um belastbar prognostizieren zu können, oder?
    Besten Dank für den informativen Blog.
    Ein weiterer zur Vermögensentwicklung wäre selbstredend hoch interessant!

  7. Fohlenflüsterer 16. November 2019 um 12:59 Uhr

    Erstaunlich finde ich, wie man damit überhaupt die Lizenz erhält? Die rosa Hüpfer sitzen wohl auch in anderen Gremien?

    • Freundchen 16. November 2019 um 13:19 Uhr

      Bilanzkosmetik gibt es wohl in jedem Unternehmen, vielleicht nicht in dieser Ausprägung, aber sie gibt es. Was der HSV exklusiv hat, sind die Jubelarien für ein derart schlechtes Ergebnis inkl. hochdotiertem, neuen Vertrag für den CFO vom AR. Unfassbar. Danke für den Beitrag.

    • Saschas Alte Liebe 16. November 2019 um 13:22 Uhr

      Die DFL interessiert nur, dass es zu keinen “Störungen im Betriebsablauf“ komme.
      (oder war das doch woanders ?)
      Ob dabei Vereine sich völlig in Pleiten steuern, Sklaverei betreiben, mit Waffengeschäften oder Spekulation ‘finanzieren’, ist denen vollkommen gleichgültig.
      Solange der für sie fett lukrative Kommerzkicker Zirkus nicht gestört wird …

  8. Fernsehsportler 16. November 2019 um 13:33 Uhr

    Der HSV hatte ja bereits laut internen Strategie Papier zur HSV Anleihe richtig erkannt, dass die Fans als Geldquelle attraktiver als Investoren sind.

    Weil:

    1. unkritischer,
    2. fordern teils Ihr Geld nicht zurück (siehe Schmuckanleihe)
    3. sind mit relativ wenig Gegenleistung zufrieden.

    Deshalb wird es wohl früher oder später zur Umwandlung der Rechtsform kommen. Von der AG zur KGaA. Danach geht es zack Zack wieder auf Betteltour bei den Fans.

  9. Kevin allein in Hamburg 16. November 2019 um 16:21 Uhr

    Es ist überlebenswichtig für den HSV das es solche Menschen wie H96 gibt.

    Der HSV ist dank solcher Leute auf dem besten Weg.

    Wie grave es schon immer geschrieben hat.
    Das größte Kapital des HSV ist die Doofheit seiner Fans.

    • H96 16. November 2019 um 18:39 Uhr

      Mal abwarten Kevin, in 7 Jahren denkst du vielleicht an mich und sagst dir dann, oh man das hat er H96 richtig gemacht.
      So kann ich einmal im Jahr einen schönen Stadttrip machen.

      Und das der HSV Insolvenz geht, glaubt doch so richtig auch hier keiner mehr.

      • Gravesen 16. November 2019 um 20:19 Uhr

        Du bist schon ein echter Held.

      • Ex-HSVer im Herzen 17. November 2019 um 15:21 Uhr

        Naja, wenn du 2012 ein paar Tausend Euro in gute Aktien (Apple/Amazon/Microsoft) investiert hättest, könntest Du jetzt 4 Wochen Malediven machen plus 1x im Jahr einen Städtetrip…. statt es diesem Versagerhaufen zu geben, damit sie ihre üppigen Gehälter finanzieren

  10. Vsabi 16. November 2019 um 17:19 Uhr

    KERBEROS Interesse am HSV beschränkt sich nur auf den Jahresabschluss und der Bilanz, was auch nur von Interesse für die meisten Bloger von Arena ist. Seinen Komentaren sind für mich das Salz in der Suppe, danke für diese Ausführungen.
    Kerberos sind es nicht jedes Jahr die gleichen Tricks, die der kleine, listige, bauernschlaue Finanz- Joungleur Wettstein anwendet? Ich vermute einmal, das sein Tun am rande der Legalität ist und auch der Aufsichtsrat als Kontrollgremium mit der Interpretation der Bilanz überfordert ist. Manches mal habe ich den Verdacht, dass dieser Märchenerzähler auf Grund seiner jahrenlangen Tricksereien den AR durch Akzeptanz in seiner Hand hat und sie mit dem Zustand weiter leben müssen. Warum ist ein seriöser Hanseatischer Kaufmann wie Werner OTTO ausgestiegen!
    Vielleicht zu viel Spekulation von mir, aber mein Vertrauen zu diesem Verein tendiert auf NULL !
    Noch ein Wort zu H 96, mit Grosskotzigkeit ist hier kein Blumentopf zu gewinnen, passt eher in den Dummblog von Scholz.

    • Kevin allein in Hamburg 16. November 2019 um 17:38 Uhr

      Dein Kommentar ist was kerberos sein Interesse am HSV angeht ziemlich deplatziert.

  11. Gravesen 16. November 2019 um 17:26 Uhr

    KERBEROS Interesse am HSV beschränkt sich nur auf den Jahresabschluss und der Bilanz, was auch nur von Interesse für die meisten Bloger von Arena ist.

    .
    Steile These. Das würde dann wohl bedeuten, dass die meisten Leuten an den restlichen 363 Tagen diesen Blog nicht lesen. Na denn….

  12. Gravesen 16. November 2019 um 17:43 Uhr

    OT:
    Könnt ihr euch eigentlich vorstellen, dass es Opfer gibt, die (ohne Gag) jeden Tag ca. 14 Stunden damit verbringen, irgendwelchen unmaßgeblichen Dünnschiss, den nie jemand lesen wird, auf dem Spamfilter dieses Blogs zu platzieren? Kein Gag, jeden Tag 😀 😀 😀 Was muss man am Kopf und was für ein beschissen trauriges Leben muss man haben, um auf sowas zu kommen? 😀 😀 Diese Typen gehören aus dem Verkehr gezogen, bevor sie sich selbst etwas antun. Vielleicht sollte ich mich ja geschmeichelt fühlen, immerhin habe ich inzwischen sogar eigene Promi-Stalker 😀 😀 😀

  13. volker sablatnig 16. November 2019 um 17:47 Uhr

    Sorry, ist falsch rübergekommen, nartürlich ist derBlog das Gelbe vom Ei und immer interssant sonst würde ich auch nicht so oft schreiben. Nochmals Sorry, habe es zu spät gemerkt, dass es falsch verstanden werden könnte.

    • Gravesen 16. November 2019 um 17:48 Uhr

      Naja, das Gelbe vom Ei sicher nicht.

  14. Ex-HSVer im Herzen 17. November 2019 um 15:22 Uhr

    Danke Kerberos! Freue mich schon auf die weitere Analysen.

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