Ein Gastblog von Kerberos

Unlängst ließ der Vorsitzende des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG, M.-A. Köttgen, gegenüber verschiedenen Medien erkennbar zufrieden verlautbaren, dass man den Vertrag mit dem Finanzvorstand F. Wettstein bis zum Jahr 2022 verlängert habe. Seine Zufriedenheit begründete M.-A. Köttgen denn auch unter Anderem auf „hsv.de“ damit, dass F. Wettstein als Finanzvorstand der HSV Fußball AG viele Herausforderungen in den schwierigen Zeiten des Umbruchs gemeistert habe. Daher wolle der Aufsichtsrat der HSV Fußball AG die nächsten Entwicklungsschritte der im Zuge der Neuausrichtung ausgerufene Kontinuitätsstrategie mit F. Wettstein als Finanzvorstand der HSV Fußball AG gehen. Bei solch schwülstiger, tatsächlich jedoch inhaltsleerer, Lobhudelei des M.-A. Köttgen schreit einem bei der vorliegenden Bilanz 2018/19 doch förmlich die Frage entgegen, was die Herren des Aufsichtsrats denn unter der Begrifflichkeit der „Meisterleistung“ eines F. Wettstein verstanden wissen wollen.

Eine erläuternde Vorbemerkung zu den nachstehenden Darlegungen erscheint an dieser Stelle sinnvoll: bei der heutigen Darstellung der HSV Fußball AG im Bereich der Finanzen soll der Fokus ausdrücklich nicht auf einzelne Gewinn- und Verlustrechnungen der HSV Fußball AG, sondern auf die Gesamtentwicklung des Unternehmens vom Zeitpunkt der Ausgliederung bis zum Bilanzstichtag am 30.06.2019 gerichtet sein. Es kann und soll hier in keiner Weise darum gehen, die Ursachen oder Verantwortlichkeiten möglicher Fehlentscheidungen und Misswirtschaften der Vergangenheit im Detail aufzuarbeiten. Vielmehr soll die vom Finanzvorstand F. Wettstein seit der Ausgliederung zu verantwortende Finanz-Entwicklung der HSV Fußball AG beleuchtet werden. Jene Entwicklung also, die nach dem Beschluss des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG mit der Vertragsverlängerung eben dieser F. Wettstein als Finanzvorstand der HSV Fußball AG mit Beschreiten der nächsten Entwicklungsstufe fortsetzen soll.

Als Ausgangspunkt einer Betrachtung der historischen Entwicklung der HSV Fußball AG bietet sich die Transformation des HSV mit der Ausgliederung und der „Eröffnungsbilanz“ 2014 an. Denn es ist zweifelsfrei jener Zeitpunkt, indem die Uhren beim HSV auf Null gestellt wurden und in dem F. Wettstein andauernd bis zum heutigen Tage die Verantwortung für die Finanzen der HSV Fußball AG übernommen hat.

HSV Fußball AG




Bilanz-Kennzahlen in Mio.30.6.201430.6.201530.6.201630.6.201730.6.201830.6.2019
Vermögen143.5142.3151.5182.7164.8167.2
davon Anlagevermögen135.0130.7142.0164.8151.7123.6
davon Umlaufvermögen8.511.69.517.913.143.6
Schulden94.493.482.8112.894.699.0
davon Verbindlichkeiten90.589.175.1105.585.591.2
davon Rückstellungen3.94.37.77.39.17.8
Netto- oder Reinvermögen49.148.968.769.970.268.2

Das Nettovermögen (auch als Reinvermögen bezeichnet) der HSV Fußball AG erhöhte sich seit der Ausgliederung von € 49.1 Mio. auf € 68.2 Mio. Ein Zuwachs des Nettovermögens von sage und schreibe € 19.1 Mio. in 5 Jahren. Das ist sie also. Diese brillante Meisterleistung des Finanzvorstands F. Wettstein, die den Aufsichtsrat der HSV Fußball AG so über alle Maßen in Verzückung versetzte, dass er mit diesem „Finanz-Genie“ unbedingt die nächsten Entwicklungsschritte gehen wollte und ihm eine Vertragsverlängerung andiente. Es ist unfassbar. Denn um auch nur eine ungefähre Vorstellung vom apokalyptischen Ausmaß der zu erwartenden Entwicklung der HSV Fußball AG mit einem Finanzvorstand F. Wettstein zu bekommen, ist ein Blick auf die Ursachen und Umstände dieser gepriesenen „Meisterleistung“ doch äußerst aufschlussreich:

·      – € 70.1 Mio. Eigenkapital vereinnahmte die HSV Fußball AG in den letzten 5 Jahren durch die Ausgabe von neuen Aktien.

·      – € 27.3 Mio. an Vorschüssen, überwiegend von Sponsoren, auf die Zukunft wurden bereits auf dieses Ergebnis verwand.

·      – € 14.6 Mio. „bescherte“ die Verschmelzung der Tochtergesellschaften des Konzerns mit der HSV Fußball AG als Sondereffekt vermögenswirksam in den Bilanzen.

·      – ca. € 40 Mio. (bereinigt um die unlängst getroffene Vereinbarung mit K.-M. Kühne) trug der Investor K.-M. Kühne durch Forderungsverzicht zu diesem Ergebnis bei

·      – ca. € 7 Mio. sind dem Vermarkter Legardere durch Forderungsverzicht mit Besserungsschein zu verdanken.

Knapp € 160 Mio. wurden in den letzten 5 Jahren von dritter Seite oder durch „kreative“ Bilanzierung in dieses Unternehmen zusätzlich zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit „Fußball“ reingepumpt. Und das Ergebnis? Das bilanzierte Nettovermögen der HSV Fußball AG erhöhte sich dabei um geradezu lächerliche € 19.1 Mio., man bolzt in der 2.ten Bundesliga und der Aufsichtsrat des Unternehmens ist hoch zufrieden! So kennt man „unseren HSV“.

Die HSV Fußball AG war im Jahr 2014 zum Zeitpunkt der Übernahme der Finanzverantwortlichkeit durch F. Wettstein unbestritten ein sportlich angeschlagener Fußball-Klub der 1.ten Bundesliga mit Relegationserfahrung und finanziell keineswegs auf Rosen gebettet war. Doch hatte die HSV Fußball AG mit der Ausgliederung und der damit verbundene Möglichkeit der Kapitalbeschaffung durch die Ausgabe neuer Aktien eine beachtliche wirtschaftliche Perspektive. Diese hat der Finanzvorstand F. Wettstein in seinem unheilvollen Wirken kontinuierlich vernichtet. Und nun soll es nach Maßgabe des Aufsichtsrats gerade diese Kontinuität sein, auf deren Basis man die nächsten Entwicklungsschritte gehen will. Ohne Kommentar.

Mit F. Wettstein wurde und wird ein Finanzvorstand bei der HSV Fußball AG beschäftigt, der zu keinem Zeitpunkt in der Lage war und auch nie sein wird, die HSV Fußball AG als Finanzvorstand wirtschaftlich zu führen. Sicherlich hat F. Wettstein auch Qualitäten gezeigt. F. Wettstein hat im Zuge seines Wirkens eindrucksvoll belegt, dass er bei Investoren erfolgreich um Geld betteln kann, grenzwertige Bilanzierung beherrscht und kommunikativ die Mitglieder des Vereins, die Fans sowie einen Großteil der Öffentlichkeit hinters Licht zu führen vermag. Anders ausgedrückt: F. Wettstein besitzt alle Qualitäten, seine eigene Unfähigkeit und Ungeeignetheit als Finanzvorstand trickreich zu kaschieren – zumindest mit der erforderlichen Rückendeckung eines geeigneten Aufsichtsrats über einen gewissen Zeitraum hinweg.

Über die Motivlage des Aufsichtsrats der HSV Fußball AG zur Vertragsverlängerung mit dem Finanzvorstand F. Wettstein lässt sich denn auch trefflich spekulieren. Dies kann und soll jedoch nicht Gegenstand dieser Darstellung sein. Mag sich hierüber Jeder selbst seinen Teil denken. Bezweifelt werden muss jedoch nachdrücklich, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats zur Vertragsverlängerung dem Wohl der HSV Fußball AG dienlich sein kann. Und so erinnern denn die Vorgänge in und um die HSV Fußball AG stets wiederkehrend an eines der literarischen Hauptwerke des deutschen Naturalismus: „Die Ratten“ von Gerhard Hauptmann. Ein Leben als Gaukler-Truppe in einer Parallelwelt. Denn was M.-A. Köttgen aus dieser Parallelwelt des Aufsichtsrats heraus so charmant als „Zeiten des Umbruchs“ verklausuliert, wird in der deutschen Sprache zutreffend mit dem Wort „Abbruch“ beschrieben.

Ob und gegebenenfalls welche (neuen) Perspektiven für die HSV Fußball AG denn heute noch für einen Wieder- oder Neuaufbau bestehen, soll in einer noch folgenden Darstellung im Zusammenhang mit dem Schwerpunkt nach der Frage der Liquidität noch erörtert werden.