Woran erkennt man im Normalfall, dass es nicht (mehr) so richtig läuft? Ganz klar, an den Aussagen von Spielern, Trainern und Managern und an Kommentaren von sogenannten „Fans“ in Foren und sozialen Medien. Die antrainierte Gelassenheit ist weg, weil auch der verblendeste Hüpfer zumindest in Teilen in der Lage ist, die Situation so zu sehen, wie sie ist. Der HSV hat nicht nur ein Auswärtsproblem, der HSV hat ein Einstellungsproblem und er hat ein massives Offensivproblem. Denn wenn ein vorgeschädigter Mittelfeldspieler wie Kittel der mit Abstand beste Scorer des Teams ist, kann bei einem Tabellenführer etwas nicht stimmen. 

Platz 6 nimmt in der derzeitigen Scorer-Liste Sonny Kittel ein (9 Tore, 2 Vorlagen), der nächste Hamburger ist Linksverteidiger Leipold mit (0 Tore, 8 Vorlagen) auf Platz 11. Und die Stürmer? Jatta/Daffeh (2 Tore), Jairo (1 Tor), Harnik (2 Tore), Hinterseer (4 Tore), Wood (0 Tore). Besonders am US-Amerikaner, der auch in der 2. Liga noch ca. € 2 Mio. einstreicht (von verdienen wollen an dieser Stelle nicht reden) kann man erkennen, welche Probleme der HSV hat, wenn auch nur zwei Spieler ausfallen. Weder in der U21 noch in der U19 oder sonstwo gibt es offenbar einen Spieler, der produktiver als Wood spielen könnte und irgendwann sollte man in Hamburg auch mal die Sinnhaftigkeit eines € 3,5 Mio. Amaechi-Transfers stellen, wenn der Junge maximal in der Regionalliga mithalten kann. 

Hier hat man offenbar doch nicht richtig eingekauft und wenn man sich das personelle aber eben nicht qualitative Überangebot in der Innverteidigung anschaut (van Drongelen, Ewerton, Jung, Letschert, Papadopoulos, Ambrosius, Knost), werden die Sorgen nicht kleiner, denn dort herrscht nicht nur bei hohen Standards das blanke Chaos. Egal ,wer da spielt, es fehlt an Abstimmung, es fehlt an (Handlungs)-Schnelligkeit und es fehlt offenbar mehr und mehr an Einstellung. 

„Wenn du gegen einen solchen Gegner spielst, musst du über das Zweikampfverhalten kommen. Da waren wir oft zweiter Sieger“. Unmittelbar nach der 1:2-Niederlage in Osnabrück hatte HSV-Trainer Dieter Hecking den „Primaballerina“-Fußball seiner Mannschaft kritisiert und eine „dreckigere Spielweise“ gefordert.

Dabei ist diese Gelaber vom „dreckigen“ Fußball natürlich mal wieder populistischer Bullshit, es geht darum, dominanter aufzutreten. Man ist im Moment scheinbar nicht mehr bereit, den nächsten Meter zu machen, sondern man denkt (in schönster HSV-Tradition), man könnte das Problem auch spielerisch lösen. Kann man nicht, denn dafür ist das HSV nicht stark genug. Und das Gequatsche von der so unendlichen Heimstärke sollte man sich auch umgehend von der Backe putzen, denn mit Ausnahme des Spiels gegen Stuttgart (6:2), waren die restlichen Spiele weniger souverän als man es gern erzählen möchte. 

Die Hüpfer merken das, aber sie dürfen es nicht zugeben. Zu präsent ist noch die letzte Saison, in der man nahezu deckungsgleich die Fehler machte, nach gelungenem Start immer mehr abkackte und am Ende den Aufstieg verspielte. Das darf sich der HSV nicht noch einmal erlauben, denn dann gehen auch die letzten Lichter aus. Bei Übungsleiter Hecking bekommt man mehr und mehr den Eindruck, er wisse genau, wie der Hase in Hamburg läuft und er bereit bereits zum jetzigen Zeitpunkt seinen Abgang, spätestens nach Ende dieser Saison vor. 

Ach ja, und dann sind da natürlich wieder diejenigen, die ihrem Beißreflex folgend nach Verstärkungen schreien, weil irgendwelche Vollpfosten in irgendwelchen Redaktionen dieses Fass aufgemacht haben. Sie haben immer noch nicht begriffen, wie es um diesen Verein bestellt ist. Es wird keine Verstärkungen geben, weil es sie nicht geben kann. Der HSV hat sein letztes Pulver verschossen, wenn dies nicht reicht, ist Feierabend.