Tellerrand

Mehr und mehr beschäftigt man sich, wenn man nun als Hobby-Blogger oder Berufsjournalist seine Zeit damit verbringt,  über Fußball im Allgemeinen und den HSV im Besonderen zu berichten, mit der Frage: Worüber genau soll ich eigentlich (noch) schreiben? Im Grunde ist über einen Verein, der im Verlauf seiner Geschichte mehr und mehr an Bedeutung verliert, doch alles gesagt und zigfach geschrieben worden. Soll ich mich jetzt wirklich dazu herablassen und meine Leser/User auffordern, Wunschaufstellungen zu posten oder ihren Wochenend-Tipp zu präsentieren? Garantiert nicht, das ist unter meiner Würde. Oder soll ich so tun, als wäre ich beim Training gewesen und hätte dort eine Weltklasse-Mannschaft gesehen, bei das mal wieder “Zug während der Übungseinheit” war und dann gibts am nächsten Wochenende die nächste Minusleistung? Nö, ist mir zu blöd.

Also gucke ich mich ein wenig in der (Presse)-Landschaft um und finde hier und da einige interessante Ansätze, über dies es lohnt, nachzudenken. Heute geht es um ein Interview, welches Ex-Sportvorstand Becker auf transfermarkt.de gegeben hat. Los gehts.

Transfermarkt: Mit wem tauschen Sie sich konkret aus?

Becker: Ich habe die letzten Jahre durch die Arbeit in Kiel und Hamburg mein Netzwerk gut gepflegt, was Berater und Trainer in Deutschland betrifft. Jetzt geht es eher darum, sich in verschiedenen Ländern ein Bild von Trainern und Spielern zu machen, auch viele Spiele anzuschauen. Ich nutze die Zeit, um viel in der erstenzweiten und dritten Liga, aber auch im Ausland zu sein, um so gut wie möglich vorbereitet zu sein.

Wenn man möchte, könnte man das jetzt falsch verstehen. Durch die Arbeit in Kiel und besonders in Hamburg hat Becker die Möglichkeit bekommen, sein Netzwerk zu Beratern zu vergrößern? Sollte das nicht eigentlich andersherum sein? Sollte nicht eigentlich das exzellente Netzwerk (weshalb man den Mann ja auch zum Vorstand gemacht hat) der Grund sein, weshalb ein Mann wie Becker bei seinem Arbeitgeber funktioniert? 

Transfermarkt: Wann haben Sie gemerkt, dass die Luft für Sie in Hamburg dünn wird? (Frage von „Joystick44“)

Becker: Um ehrlich zu sein: Eigentlich gar nicht.

Wow, das spricht von einer gehörigen Portion Naivität. Es war doch wohl sonnenklar, dass jemand für den Nichtaufstieg würde bluten müssen und Becker war immerhin so naiv gewesen, sein Schicksal mit dem des Trainers Wolf zu verknüpfen. Heute so zu tun, als hätte ihn die Entlassung wie der Blitz beim Scheißen überrascht, wirkt ein wenig lächerlich. Oder aber die Herren im Aufsichtsrat (für die Entlassung von Vorständen zuständig) haben mal wieder mit gezinkten Karten gespielt. 

Transfermarkt: Im vergangenen Januar sagten Sie auf der HSV-Mitgliederversammlung: „Sie können es jetzt aufschreiben: Hannes Wolf ist in zwölf Monaten noch Trainer des HSV.“ Warum haben Sie Ihr Schicksal so deutlich an das von Wolf geknüpft? (Frage von „Spoink“)

Becker: Das war in dem Moment nicht ewig und lang überlegt. Es ging um die Trainerthematik, und der HSV war der Verein, der in den letzten Jahren die meisten Trainer verbraucht hat. Diese fehlende Konstanz und mangelnde Geduld hat den Verein dorthin geführt, wo er jetzt ist – in der 2. Liga und in einer wirtschaftlich sehr angespannten Situation. Ich wollte damit eigentlich nur sagen, dass das jetzt vorbei sein sollte und ich vom Trainer und unserem gemeinsamen Weg überzeugt bin.

Mit dieser Aussage manifestiert sich das, was ich schon öfter gehört habe: Becker hat wohl Ahnung, was die Bewertung von Spielern betrifft, aber er ist einfach kein Vorstand. Er ist vielleicht ein brauchbarer Scout oder ein vernünftiger Kaderplaner, aber als Mitglied des Vorstandes eines Vereins wie dem HSV war er komplett überfordert. Aber zum Schluss das Wichtigste

Transfermarkt: Welche Entwicklungen im Bundesliga-Geschäft gehen Ihnen auf die Nerven?

Becker: Es ist alles teilweise wahnsinnig schnelllebig und oberflächlich geworden. Aber nicht falsch verstehen: Wir alle, die in diesem Bereich arbeiten dürfen sind privilegiert und sollten uns nicht beschweren, es geht uns gut. Man lebt in einem Bereich, in dem man gewisse Dinge akzeptieren muss. Wir jammern alle auf einem hohen Niveau. Sicher müssen wir uns an Zielen messen. Ich würde mir aber wünschen, dass wir nicht von der Zeit überholt werden, vernünftig sind und Dinge sich entwickeln lassen. Fußball hat einen Stellenwert erlangt, der manchmal grenzwertig ist. Man darf ihn auch nicht zu groß machen, sonst besteht die Gefahr, dass irgendwann mal alle genug davon haben, weil es nur noch ums Geschäft und Geld geht. Wenn wir die Basis verlieren, verlieren wir unseren Sport.

Becker spricht das Thema an, welches ich auch mehrere Male in diesem Blog zu erklären versucht habe. Der (Profi)-Fußball wird ausgepresst wie eine alte Zitrone, die Kuh wird so lange gemolken, bis der Euter leer ist. Was danach kommt, interessiert nicht. Es wird nicht perspektivisch gedacht, sondern nur von einer Transferperiode zur nächsten. Jetzt gilt es, abzusahnen, schnell noch alles rausholen, sonst ist es zu spät. Dass dabei ein gesamter Sport kaputtgemacht wird, kratzt niemanden. 

Und dann wundert man sich, dass es nichts mehr zu berichten gibt….

 

 

 

Von | 2019-12-06T20:26:26+01:00 6. Dezember 2019|Allgemein|19 Kommentare

19 Comments

  1. jusufi 6. Dezember 2019 um 08:53 Uhr

    Du könntest zumindest mal über die genialen Millionendeals des HSV sprechen. Alle Topsponsoren (Emirates, Popp, Volksparkspender) bleiben für gigantische Summen bei der Stange. Millionen, mit denen der HSV die Kaderplanung für die erste Bundesliga angehen kann…
    Beckers Aussagen klingen ehrlich, zu ehrlich wahrscheinlich, um sich als Vorstand beim HSV zu profilieren.

    • Gravesen 6. Dezember 2019 um 09:09 Uhr

      Stimmt.
      .
      € 1 Mio. von Popp (in der 2. Liga)
      € 1,8 Mio. von Emirates (in der 2. Liga)
      € 2 Mio. von Kühne fürs Stadion (in der 2. Liga).
      .
      Da ist man ungefähr bei Sandhausen angekommen.
      .
      Mal zum Vergleich…
      .

      Borussia Dortmund verlängert seinen Ausrüster-Vertrag mit Puma bis ins Jahr 2028. Das bestätigte der Verein am Donnerstagmorgen. Pro Saison überweist das Unternehmen aus Herzogenaurach laut Kicker insgesamt 30 Millionen Euro – das macht eine Gesamtsumme von 250 Millionen Euro bis zum Jahr 2028. Der alte Kontrakt mit dem Bundesligisten lief noch bis 2022.

      .
      Vor 6!!!! Jahren
      .
      https://www.kicker.de/1-bundesliga/spieltag/2012-13

      • Volli 6. Dezember 2019 um 09:50 Uhr

        30 Mio sind ein stolzes Sümmchen. Die Kommune, aus der ich stamme, hat Verbindlichkeiten von 36 Mio. Dadurch werden notwendige Investitionen verschoben. Wäre ja für PUMA eine Kleinigkeit, für meine Heimatstadt kaum stemmbar. Das ist schon äußerst bedenklich, wo in unserer Gesellschaft die Reise hingeht. Aber die Schmarotzer bekommen den Hals leider nicht voll, und das gilt leider nicht nur für die Geschwüre am Arsch des Fußballgeschäfts.

  2. Demosthenes 6. Dezember 2019 um 10:14 Uhr

    Lieber Grave, ich frage mich schon seit längerem, wie Du es schaffst, jeden Tag einen neuen blog rauszuschiessen.Und das in einer konstant hohen Qualität. Mir ist bewußt, wie viel Zeit, Aufwand und Disziplin dafür notwendig ist. Darum sage ich jetzt einfach nur mal Danke. Spende folgt.

  3. Ich 6. Dezember 2019 um 10:23 Uhr

    Vielen fällt beim HSV wohl eine realistische Selbsteinschätzung schwer

    “Max Eberl mit anderen Bundesliga-Managern unterwegs

    Mit an Bord waren noch: Hasan Salihamidzic (Bayern), Sebastian Kehl (Dortmund), Fredi Bobic (Frankfurt), Jonas Boldt, Marcell Jansen (beide Hamburger SV), Clemens Fritz (Werder Bremen), Markus Krösche (RB Leipzig), Stefan Reuter (FC Augsburg), Simon Rolfes (Bayer Leverkusen), Jochen Saier (SC Freiburg), Marcel Schäfer, Pablo Thiam (beide VfL Wolfsburg), Joti Chatzialexiou (Sportlicher Leiter Nationalmannschaften), Tobias Haupt (Akademie-Leiter), Stefan Kuntz (U21-Trainer) sowie Marcus Sorg (Assistenzcoach der Nationalmannschaft).”

    • Gravesen 6. Dezember 2019 um 10:26 Uhr

      Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Was macht der e.V.-Präsident eines ausgegliederten Zweitligisten bei dieser Veranstaltung?

      • TCvonderanderenElbseite 6. Dezember 2019 um 11:16 Uhr

        Nichts anderes als netzwerken und sich-in-Stellung-bringen!

        • jusufi 6. Dezember 2019 um 11:28 Uhr

          Könnte aber auch eine reine Vergnügungsreise gewesen sein – Ehemaligentreff mit Alibiterminen.

          • Saschas Alte Liebe 6. Dezember 2019 um 12:28 Uhr

            Wer hat die Kaffeefahrt bezahlt ??

          • Vsabi 6. Dezember 2019 um 12:45 Uhr

            Ist bekannt, wer zu diesem Treffen eingeladen hat ? Darf man vermuten, das der ” große HSV ” bzw. JANSEN sich selbst ins Spiel gebracht haben und weiterhin im Glauben leben, Bundesliga 1 geht ohne HSV nicht !
            Die Aroganz und Grössenwahn dieses armseligen Vereins kotzen einem nur noch an.

      • Dennis61 6. Dezember 2019 um 12:34 Uhr

        Moin! Auch wenn es manchmal schwer zu ertragen ist, der HSV ist nach wie vor ein Schwergewicht der Branche. Rein von den Zuschauerzahlen her stehen die Rothosen auf einem ligaübergreifenden vierten Platz hinter Dortmund, Bayern und Schalke. Jetzt so im zweiten Jahr denke ich, dass der 2.Bundesliga doch gar nichts besseres hätte passieren können. Wahrscheinlich wurden bei Sky schon alle Zweitligarekorde gebrochen. So lässt sich wieder mehr Geld für die Rechte eintreiben usw. Auch wenn es verschwörerisch klingt, doch unser hassgeliebter Chaosclub D A R F gar nicht vor die Hunde gehen. Dafür kann man mit der Raute viel zu viel Geld verdienen. Und zwar auf allen Ebenen.

        Die Oberligatorkanone ist der Chef des Mehrheitseigners an der Fußball-AG und darüber hinaus ja der selbsternannte Fachmann für Profifußball. Insofern ergibt seine Teilnahme an der Reise doppelt Sinn. 😉

        • Ben 6. Dezember 2019 um 15:54 Uhr

          Moin Dennis,
          Kaiserslautern war mal genauso eine große Nummer! Sogar mit Erfolgen in den 90ern in Form von Titeln.
          Auch die sind vor die Hunde gegangen.
          HSV lebt schon viel länger in der Vergangenheit und schlechte Entscheidung mit ständigem Personalwechsel auf Führungsebene haben noch kein Unternehmen nach vorne gebracht. Zuschauerzahlen waren bei Lautern die erste und zweite Saison auch nicht so schlecht, aber irgendwann setzt auch hier die Gleichgültikeit ein, wenn der Aufstieg nicht gelingt, daher auch die Panik, obwohl punktetechnisch alles im soll ist.
          Rede hier nicht von der Spielweise oder sogar einer Philiosophie des Spielens:
          Soetwas gibt es beim HSV nicht.
          Kein Nachwuchs!
          Keine Leader !
          Keine Spielidee!
          Kein Vereinskonzept!
          Keine Fans, die mal etwas in Frage stellen!
          Nur der HSV, ist die Philisophie.
          Zum Glück ist gleich Feierabend und ich darf mein Bier trinken und Fußball gucken.

  4. Ich 6. Dezember 2019 um 10:58 Uhr

    Vermutlich sind die zwei 2.Liga Nasen dabei, weil Sie jetzt erst Amerika erobern und sich dann um die mickrige Bundesliga kümmern wollen.

  5. FohlenflüstererA 6. Dezember 2019 um 12:35 Uhr

    Korruptionsverdacht…..
    Bei der FIFA! Welche Überraschung? Die WM in Katar sollte einfach boykottiert werden, aber wegen der vielen Kohle wird das leider nicht passieren.

    https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-katar-korruption-teixeira-1.4711286

    • Saschas Alte Liebe 6. Dezember 2019 um 16:49 Uhr

      ich werd’ nix gucken, allein schon wegen der Sklaven, die dort Zwangsarbeit an den Stadien leisten mussten.
      Und die Mafia unterstütze ich nicht.

  6. jusufi 6. Dezember 2019 um 18:39 Uhr

    Mein Motto ist auch:Verzicht!

  7. UFO 6. Dezember 2019 um 20:02 Uhr

    Ich fang schon mit der nächsten EM an 🙂 !

  8. Demosthenes 6. Dezember 2019 um 20:21 Uhr

    0:1… Schnappi mit Schnappatmung. Die Similarität zur Vorsaison wird immer unübersehbarer.

  9. Volli 6. Dezember 2019 um 20:25 Uhr

    Tolles Spiel unseres HSV. Leider Pech gehabt ?

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