„Heidenheim ist auswärts nicht gerade Angst einflößend“. So stand es vor dem Heimspiel im Stadionheft und kaum ein Satz zeigt so exemplarisch, dass es den hohen Herren offenbar immer noch nicht gelungen ist, das größte Grundübel aus diesem Verein zu eliminieren – die Arroganz. Immer noch glaubt man offenbar, man sei der „große HSV“, der man seit dem Ende der 80er-Jahre nicht mehr ist und eigentlich nie so richtig war, außer vielleicht in Rumpelnickis und Schwulles feuchten Träumen. Und diese Einstellung offenbart das gesamte Dilemma des Vereins, denn wenn man nicht in der Lage ist, die tatsächlich Situation einzuschätzen und in irgendeiner Phantasiewelt leben möchte, wird man immer wieder scheitern. Immer und immer und immer wieder. Aber was ist die Realität?

Die Realität des Hamburger SV am Tag nach Nikolaus 2019 sieht wie folgt aus: 

Der HSV holte aus den letzten 5 Ligaspielen exakt 5 Punkte, macht einen Schnitt von 1,0 pro Spiel. Das ist so abstiegsreif wie die Rückserie der letzten Saison, nur dass die Krise diesmal deutlich früher beginnt. 

Der HSV (Kaderwert: € 46,25 Mio.) verlor Punkte gegen Darmstadt (€ 15,85 Mio.), St. Pauli (€ 21,75 Mio.), Regensburg (€ 11,90 Mio.), Bielefeld (€ 18,20 Mio.), Wehen Wiesbaden (€ 13,93 Mio.), Kiel (€ 19,63 Mio.), Osnabrück (€ 12,10 Mio.) und Heidenheim (€ 20,05 Mio.). Das ist unerklärbar, aber nimmt man die Kaderkosten hinzu und einen Beritt von mehr als 300 Angestellten auf der Geschäftsstelle, dann ist das ein Skandal. 

Trainer Hecking hat aktuell einen Punkteschnitt von 1,78. Zur Erinnerung: Christian Titz wurde beim HSV mit einem Schnitt von 1,79 gefeuert, für Hannes Wolf war bei einem Schnitt von 1,68 Feierabend. 

Apropos Dieter Hecking. Unmittelbar nach dem Pokal-Aus gegen den VfB Stuttgart (1:2) meinte der Übungsleiter: „Wir sind gut. Der HSV ist richtig gut.Es gibt auch Spiele, die du mal verlierst. Die Niederlage sollte uns keine großen Knacks geben für die nächsten Wochen.“. Tatsache ist aber, dass nicht die Niederlage im Pokal einen Knacks brachte, sondern der 6:2-Sieg in der Liga wenige Tage zuvor. Erneut ein Zeichen dafür, dass in Hamburg nach wie vor die Überheblichkeit und Arroganz regiert. 

Und nochmal Hecking. Unmittelbar nach der Pokal-Niederlage meinte der Trainer äußern zu müssen, dass man eigentlich gar nicht so unglücklich wäre, aus einem Wettbewerb ausgeschieden zu sein, in dem man im Jahr zuvor noch das Halbfinale erreicht hatte. Schließlich stehen die nächsten, überaus anstrengenden 90 Pokalminuten im Frühjahr an und dann geht es in der Liga um die Wurst. Eine unfassbare Aussage und für seine überbezahlten Söldner das nächste Alibi. 

Hecking zum Vierten. Völlig ohne Not bricht der Trainer einen Pressekrieg mit den Medien vom Zaun, in dem er beständig auf irgendwelche nörgelnden Kritiker eindrischt, die lediglich in seiner Phantasie existent sind. Auch damit öffnet er dem real bestehenden Leistungsabfall die Tore, denn seine Spieler können sich wunderbar hinter solchen Aussagen verstecken. Nun aber gibt es Kritik, wenn auch viel zu spät. Mal gucken, welche Verteidigungsstrategie Hecking diesmal aus dem Keller holt. 

Die Herren Boldt und Jansen tingeln auf Vereinskosten als einzige Vertreter eines Zweitligisten durch die USA und „bilden sich fort“. Unabhängig davon, dass ich denke, dass man in Hamburg ganz andere Sorgen haben sollte – was macht eigentlich der Präsident des e.V. bei einer Veranstaltung, bei der nur die Sportchefs der anderen Vereine und des DFB teilnehmen? Ist man beim HSV schon wieder so weit, dass man sich Vergnügungsreisen gönnen kann? 

Mit Trainings-Allergiker Aaron Hunt hat man einen Spieler zum Kapitän gemacht, der bestenfalls in jedem zweiten Spiel einsatzfähig ist und der maixmal 1 1/2 mal pro Woche trainiert. Aber sobald der Ex-Bremer nicht mehr erkennbar humpelt, steht er in der Startelf, um dort erfolgreich die Bälle zu verschleppen und das Spiel zu verlangsamen. Aber scheinbar reichen dem Übungsleiter die 1,4 Geistesblitze pro Spiel. Die Kapitänsrolle Hunts offenbart jedoch noch ein anderes Dilemma, denn wer sollte denn außer ihm die Binde tragen? Hierarchie ist ein Fremdwort in Hamburg. 

Ist man in der letzten Saison auch deshalb gescheitert, weil man mit Spielern wie Lasogga, Holtby, Pollersbeck und Hunt Bundesliga-Spieler mit Zweitliga-Abneigung im Team hatte, hat in dieser Spielzeit ein Team aus erfahrenen Spielern aus dem Unterhaus an Bord. Und das Resultat ist das Gleiche. Man leistet sich einen Sportchef von einem Champions League-Verein. Man leistet sich einen Bundesliga-erfahrenen Trainer, der bereits bei Vereinen wie Gladbach, Wolfsburg, Nürnberg und Hannover gecoacht hat. Man leistet sich das teuerste Team und den größten Wasserkopf der Liga und die Entwicklung ist: Null!

Hinzu kommt: Jeder (neue) Spieler, der am Anfang der Saison noch überproportional gut funktionierte, begibt sich mit jedem weiteren Spiel in ein Leistungsloch mit Grand Canyon-Ausmaßen. Fein ist aktuell nur noch ein Schatten, van Drongelens Weg zu ManU bleibt ein Träumchen, Kittel ist ein Schönwetter-Kicker, der mit untergeht, wenn es nicht läuft. Hinterseer zeigt, dass er offenbar doch nur ein Zweitliga-Lasogga ist und dass Hamburg scheinbar eine Nummer zu heftig für ihn ist. Und jetzt fängt auch noch der bisher stabilste HSVer, Tim Leibold an zu schwächel. Zur Zeit hat nicht ein HSV-Akteur Normalform. Was ein Martin Harnik abliefert, ist eine Frechheit. Außer vor dem Mikrophon. Letschert 😀 Ewerton 😀 😀 Gute Nacht. 

Übrigens: Auch die Damen und Herren der Presse können sich einen Teil des Schuhs anziehen, denn wieder einmal wurde in Hamburg viel zu lange bejubelt, was nicht zu bejubeln war. Wieder einmal hat man erkennbare Dinge verklärt und schön geredet, anstatt rechtzeitig auf Mißstände hinzuweisen. Aber sowas kommt beim hüpfenden Leser bekanntlich schlecht an, deshalb fängt man grundsätzlich erst dann mit der Kritik an, wenn die Fehler auch für Stevie Wonder erkennbar sind. 

Fakt ist: Der HSV hat kein Auswärtsproblem, er hat ein Leistungs- und ein Einstellungsproblem. Er hat ein Abwehrproblem und ein Sturmproblem. Er hat ein Kommunikationsproblem und ein Finanzproblem. Und sollte am Ende dieser Spielzeit etwas anderes als der Aufstieg in die Bundesliga rauskommen, hat er ein umfassendes Personalproblem, denn dann sind nicht nur Trainer Hecking, dann sind auch die Herren Hoffmann, Boldt, Mutzel, Wettstein und der komplette Aufsichtsrat, der seit Jahren diesen Schrott absegnet, krachend gescheitert. 

Viel Spaß beim Zittern, meine Herren.