Es wäre nicht unser aller HSV, wenn er nicht den altgewährten Mustern folgen würde, oder? Immer dann, wenn den Verein der Flow verlässt, wenn sich eine angedeutet Krise manifestiert, wenn die üblichen Durchhalteparolen von Vorstand, Sportchef und Trainer keine Wirkung mehr zeigen, zieht man die letzte Trumphkarte: Die vorzeitige und spektakuläre Vertragsverlängerung mit einem der umworbenen und hoffnungsvollen Nachwuchs-Superstars. Und man kann sagen was man will, in der Vergangenheit hat es auch oft genug geklappt. Immerhin kann man sich sicher sein, dass die hiesige Hofberichterstatter-Presse mit im Boot ist und das Vorhaben gebührend abfeiert. 

Toptalent: HSV bietet Josha Vagnoman vorzeitig neuen Vertrag an (Abendblatt)

HSV will Mega-Talent langfristig an sich binden (Mopo)

Vagnomans Vertragsverlängerung als Türöffner für den HSV? (Graupenperle/Mein Scheiß)

Um Himmels Willen, es ist so unendlich durchsichtig und so unglaublich peinlich. Dabei hat der HSV doch eigentlich alle Zutaten, um mit einem der teuersten Kader der Liga, mit dem zweithöchsten Marktwert, mit einem langjährigen Ex-Vorstandsvorsitzenden an der Spitze, mit einem Sportchef von einem Champions League-Klub, mit einem Bundesliga-erfahrenen Trainer, mit einem stumm-abnickenden Aufsichtsrat etc. endlich einmal eine durchschnittlich erfolgreiche Saison ohne größere Dellen spielen zu können. Aber sie kriegen es nicht hin. 

Stattdessen wird nun ein mittelmäßig begabter Junge zum Superstar gekrönt, damit man in Zeiten der Krise vom eigentlichen Thema ablenken und weiter lustig fuhrwerken kann. Aber gucken wir uns diesen Vagnoman doch mal etwas genauer an. Josha ist 19 Jahre alt und tatsächlich in Hamburg geboren, lobet den Herren. Damit erfüllt er schon mal das erste Monster-Kriterium für zukünftige Kritiklosigkeit. Er spielt seit frühester Jugend für den HSV, der nächste Pluspunkt. Aktueller Marktwert: € 1,5 Mio. Nimmt man den Transfer von Mister Amaechi, der den HSV € 3,5 Mio. gekostet hat und der maximal in der Regionalliga bolzen kann, kann man sich ausrechnen, was das bedeutet. Nämlich nichts. 

Vagnoman hat in dieser Saison bisher 7 Mal in der zweiten Bundesliga für den HSV gespielt und er hat nur deshalb gespielt, weil sich der etatmäßige Rechtsverteidiger Gyamerah den Arsch gebrochen hat. Ansonsten würde „Mega-Talent“ Josha immer noch gegen Havelse, Jeddeloh und Altona 93 kicken, aber unglücklicherweise hat er sich selbst verletzt. Nun aber wird bundesweit vermeldet, dass man mit dem Spieler vorzeitig verlängern möchte und, was für ein Zufall, sein aktueller Berater ist mit Dr. Gudel der Kollege, der bis 2018 noch den HSV-Campus leitet. Ist es nicht herrlich, wenn man sich die Bälle gegenseitig zuspielen kann?

Und natürlich, ich hätte es fast vergessen, stehen beim Atom-Talent Vagnoman nicht nur Engländer, Spanier und Tahitianer Schlange, nein, die halbe Bundesliga und 3/4 der Milchstraße laufen Bernd Paul Hoffmann die Bude ein, woher kenne ich das eigentlich? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Bei so gut wie jedem Blindstecher, mit dem der HSV einen Vertrag in den letzten 400 Jahren verlängert hat. Es ist immer wieder die gleiche billige Show. Lanciert werden irgendwelche kranken Gerüchte über ein angebliches Interesse an wirklich jedem Fußkranken aus dem Volkspark. Bayern wollte Amaechi, aber der zog den HSV vor. West Ham wollte Lasogga, doch leider hatten sie nie von ihm gehört. Holtby war bei allen spanischen Top-Klubs im Gespräch und kickt heute in der zweiten britischen Liga. Die ganze Welt war hinter Douglas Santos her und der spielt heute in Russland. Wann endlich begreifen die belämmerten Hüpfer, dass an all diesen Scheißhausgerüchten nicht 0,5% Wahrheit dran ist? Es sind nichts als eine von Beratern und Verein gesteuerte Ente, um zu verdeutlichen, wie sensationell der HSV doch arbeitet, indem man mit diesen zukünftigen Weltfußballern des Jahres verlängern konnte. Heiße Luft und Bahlsenkekse.

Mega-Talent Vagnoman 😀 😀 😀 Ein Mega-Talent ist vielleicht Jadon Sancho, der mit ebenfalls 19 Jahren bereits 74 Bundesliga-Spiele und 11 A-Länderspiele absolviert hat. Oder Kai Havertz (20) mit 123 Bundesliga-Einsätzen und 7 A-Länderspielen. Das sind für mich MEGA-TALENTE. Josha Vagnoman ist ein Junge, der vielleicht irgendwann ein vernünftiger Zweitliga-Kicker werden kann, mehr nicht. Aber das lässt sich nicht so gut verkaufen. Apropos verkaufen, was passiert eigentlich in Zukunft mit dem Spieler? Zur Zeit denkt der HSV angeblich darüber nach, auf der Position des rechten Verteidigers im Winter nachzurüsten, um den notwendigen Aufstieg nicht zu gefährden. Man würde dann also einen Spieler holen, der sofort weiterhelfen kann, keinen Perspektivspieler.

Und dann? Dann haben wir diesen neuen Kicker, wir haben Gyamerah, der irgendwann wieder fit ist und wir haben Spieler Nr. 3 auf dieser Position, Josha Vagnoman. Bedeutet: Klein-Josha findet sich in den nächsten Jahren in der Regionalliga wieder, aber immerhin konnte man mit ihm verlängern und bekam so über 2 Wochen positive PR, die von den massiven Problemen ablenken konnte. Der HSV und seine Verhaltens-Muster.