Die Wahrheit stirbt oder sie ist bereits gestorben. Wer die Wahrheit sagt, ist wahlweise Hater, Querulant, Pester oder möchte schlicht und ergreifend die Einfachheit der Realität nicht erkennen. Er verweigert sein bedingsloses Bejubeln von offensichtlichen Lügen und gönnt anderen deren Triumph nicht. Meinen diejenigen, die jubeln, aber nicht denken wollen. Dabei geht es dem „Hater“ um mehr, nämlich weniger um einen kurzfristigen „Deal“, der sich im Nachhinein als Eigentor erweist, sondern um das große Ganze. Um die Zukunft und nicht nur um die heutige Gegenwart. Aber solche Leute sind verdächtig, zumindest in diesen Tagen. 

Kurz vor dem Jahreswechsel ins richtungsweisende Jahr 2020 sind Parolen angesagt, keine Pläne. Heute kann man mit Schlagworten, die fern jeder Realität sind, schneller und effektiver punkten als mit durchdachten Plänen und Ideen für eine lebenswerte Zukunft. Dies fängt im Großen an, in den USA und jetzt in England. Dort gewinnen unbeliebte pathologische Lügner und erkennbare Hohlköpfe, weil ihre politischen Gegner noch unbeliebter sind als sie. Dort zählt keine Wahrheit, keine Aufrichtigkeit, keine zukunftsgewandte Politik, dort zählt, wer die Fresse weiter aufreißen und einfach dreister lügen kann als der andere. 

Der Guardian schreibt heute: 

Die Wahrheit ist ein fremdes Land geworden. Und es sind die Tories, die die schlimmsten Übeltäter waren und jeden Trick aus dem Steve-Bannon-/Donald-Trump-Spielbuch übernommen haben. Warum eine kleine Lüge erzählen, wenn du mit einer großen noch besser dran bist? Und wenn du beim Lügen erwischt wirst, entschuldige dich nie. Setz einfach noch einen drauf. Erzähl eine Lüge oft genug, dann werden einige Leute es glauben. Und eine beachtliche Zahl war dumm genug gewesen, auf (Johnsons Slogan) „Get Brexit done“ hereinzufallen. Die ungeheuerlichste Lüge überhaupt. Es war weniger eine Wahl als vielmehr ein Unbeliebtheitswettbewerb. Boris und Corbyn waren im ganzen Land sehr unbeliebt, und ihnen wurde misstraut. Worum es wirklich ging, war, welcher Führer am wenigsten gehasst wurde. Ein Rennen, das Boris mühelos gewann. Niemand erwartete von ihm, dass er die Versprechen einhielt, die er gemacht hatte, aber man machte sich darüber weniger Sorgen als über die Versprechen, die Labour einhalten könnte.

Woran erinnert das? Richtig, es erinnert an unser alle tägliches Leben und am Ende erinnert es auch an den HSV. Warum ehrlich sein, warum transparent sein, wenn man doch mit den Märchen und den Lügen wunderbar durchs Leben kommt? Warum rücksichtsvoll sein, wenn alle anderen rücksichtslos sind und dafür nicht bestraft werden? Warum die Ellenbogen einfahren, wenn alle anderen aus purem Egoismus wie mit dem Schneidbrenner durchs Leben gehen? Wo bleibt die Belohnung dafür, dass man ehrlich ist? Die aktuelle Geschichte zeigt doch, und das ist das tatsächlich Fatale, dass genau das Gegenteil passiert. Am Ende wendet man sich dann ab und geht nicht mehr wählen. Oder man hat keinen Verein mehr. 

P.S. Da ich meine Pappenheimer ja kenne (gell, Jacob) möchte ich euch bitten, auf politische Stellungnahmen zu verzichten. Danke