Ehrlich gesagt, mittlerweile entwickel ich sowas wie Mitleid. Mitleid mit erwachsenen Männern mit massivem Übergewicht, die sich bereits jetzt wieder einmal in ihre viel zu engen rosa Trikots gepresst haben, um sich darin am Hauptbahnhof den Arsch abzufrieren, weil – man muss doch pünktlich in Sandhausen sein. Sandhausen!!! Über Jahre war dieser kleine Ort in Hamburg so etwas wie das perfekte Schimpfwort gewesen. „Und wenn ihr so weitermacht, dann spielt ihr irgendwann gegen Sandhausen“. Tja, so schnell holt einen die Geschichte ein, wenn man jahrelang nichts als Scheiße baut. 

Aber, die Rumpeltrottel fahren auch heute wieder los. Mit dem Auto, der Bahn, mit was auch immer. Sie fahren teilweise 581,3 km (Entfernung von Hamburg nach Sandhausen) um dann etwas geboten zu kommen, was mit dem Begriff „Folterfußball“ nur unzureichend gewürdigt ist. Sie stehen in der Kälte, grölen ihre immer gleichen Parolen, immer in der Gewissheit, dass ihnen nach der Niederlagen eine stundenlange Rückfahrt bevorsteht, die man möglicherweise nur im Zustand des Pupillenstillstandes ertragen kann. Und trotzdem: Sie werden auch nach dem heutigen Spiel, egal wie es ausgehen mag, jeden zweiten Satz, den sie in der nächsten Woche artikulieren werden, mit dem Schwachsinn „Nur der HSV“ beenden. 

Das sind die Fans? Möglicherweise sind sie es. Obwohl sich mir nie erschlossen hat, warum man etwas „Besseres“ sein soll, nur, weil man in seinem Leben offenbar nichts anderes hat als einen fast-insolventen Fußballverein, dessen Angestellte beim nächstbesseren Angebot die Seiten wechseln und ein anderes Trikot küssen werden. Ich würde es vielleicht besser verstehen, wenn man dort in der Fremde ab und zu tatsächlich so etwas wie Fußball vorgesetzt bekommen würde, aber das ist im Falle des HSV schon viele Jahre nicht mehr der Fall. Trotzdem werden ihn auch nach Sandhausen wieder Tausende begleiten. Warum? Warum tut man sich das an?

Weil man Bestandteil eines Kultes sein möchte? Weil man ansonsten nichts hat? Die Aussicht auf Vergnügen kann es wohl kaum sein, oder? Man stelle sich vor, man fährt mitten in der Nacht los, um sich dann um ca. 15.15 Uhr von Sandhäusern veralbern lassen zu müssen. Sandhäusern!!!! Ich habe mir im Leben exakt zwei Auswärtsspiele des HSV „gegönnt“. Das Eine fand in Bremen statt, ging mit 1:3 verloren, ich war Anfang 20  und wir waren bereits zum Zeitpunkt der Abfahrt nicht mehr nüchtern. Das Andere bezahlte meine damalige Firma, fand in München im Schneetreiben statt und der HSV siegte zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder in Bayern, damals mit 2:1. 

Wenn man mir heute sagen würde: „Alter, hier hast du ne Karte. Hier hast du nen Porsche und hast du € 1.000, fahr nach Sandhausen“, ich würde erwidern, dass es heute Nachmittag irgendwo eine tolle Dokumentation über Kaiserpinguine gibt, die ich auf gar keinen Fall verpassen darf und dass der Spender die € 1.000 dem Tierschutz spenden könnte. 

Mein Beileid an alle, die sich diesen Schwachsinn, diese sportliche Folter und diese Kern-Verarsche immer noch antun.