Endlich einmal Thema über das es sich zu schreiben lohnt. Wäre ich Journalist bei Mopo, Abendblatt oder BILD oder wäre ich bezahlter Auftragsschreiber, der einen Alibi-Blog  betreibt, müsste ich wahrscheinlich über Andrian Fein’s Gesichtsmaske berichten. Oder über die unbefriedigende Situation der Auslaufmodelle Hunt und Harnik. Oder über van der Verrats gestrigen Geburtstag. Oder ich müsste mal wieder ein absolut oberflächliches Interview im Kai Schiller-Style fabrizieren, bei dem 1/3 des Artikels davon handelt, welche Heißgetränke der Gesprächspartner vor und während der Runde zu sich genommen hat. Und meine unterbelichteten Leser würden 14 Stunden dummes Zeug darüber schreiben, ob Gideon Jung nun ein Risiko darstellt oder nicht. Apropos.

“Gideon Jung gönnte sich am Sonntagvormittag ein spätes Frühstück. Im Café „Mit Herz und Zucker“ im Grindelhof gab es für den HSV-Profi und seine Freundin Alina geröstetes Landbrot mit Avocado und Granatäpfeln, Bananenbrot, frischen Orangensaft und Cappuccino.” 

Das ist übrigens kein Witz, sondern die Gastro-Kritik von Shy Killer, die er vor jedem Interview unterbringen muss.  Vielleicht möchte der scheue Kay nach seiner durchschnittlichen Karriere ja doch beim Feinschmecker anheuern, man weiß es nicht. Ich jedenfalls bin froh, dass ich mich mit Sachen beschäftigen kann, die mich interessieren und wenn es außer mir keinen anderen interessiert, ist es mir auch Latte. Seit gestern nun interessiert mich der Fall Klinsmann und zwar aus den unterschiedlichsten Gründen. Nimmt als Basis das, was man bisher von Verein und Grinsi-Klinsi selbst gehört hat, so hat der Mann aus Huntington Beach etwas getan, was man früher einmal mit den freundlichen Worten „Sowas macht man nicht“ kommentiert hätte, heute würde man sagen: „Was für eine linke Type“.

Klinsmann, seines Zeichens Mitglied des Aufsichtsrat bei Hertha BSC, wollte nämlich nichts anderes als die Gunst der Stunde nutzen. Ein Verein, sportlich auf der Schwelle in die direkte Abstiegszone, aber durch die Investitionen des Herrn Weghorst gut bei Kasse, ist komplett verunsichert, das Vertrauen in die sportlich Verantwortlichen (Preetz) schwindet und exakt in dem Moment sticht Schwabe Klinsmann in die Lücke, die sich auftut. Genau jetzt formuliert er Forderungen für die nächsten zwei Jahre, ohne zu wissen, wie sich diese Saison noch entwickeln wird. 

„Es gab einfach verschiedene Denkweisen und vor allem verschiedene Kulturen. Und verschiedene Arten der Herangehensweise.“ Natürlich sei es auch um Kompetenzverteilung gegangen: „Nach meinem Verständnis sollte ein Trainer – nach dem englischen Modell – die gesamte sportliche Verantwortung tragen.“ Das schließe auch Transfers mit ein, denn das gebe der Position wesentlich mehr Power. In Deutschland gehe aber „zu viel Energie verloren für Dinge, die außerhalb des Spielfeldes liegen“. (Quelle: Stern.de)

Klinsmann hat damit etwas getan, was ich mehr als alles andere hasse und verachte. Den schwachen Moment eines Menschen, eines Vereins oder eine Institution nutzen wollen, um einen persönlichen Vorteil herausschlagen zu können. An keinem anderen Punkt wird die eigentliche Absicht einer Person so deutlich wie an solch einem Punkt. Wie muss man als Mensch eigentlich drauf sein, wenn man die Ängste und Probleme anderer für sich ausnutzen will? 

Er selbst werde zurückkehren nach Amerika, was er ausdrücklich nicht als Flucht verstanden wissen will. Zudem bleibe er der Hertha als Berater von Tennor, der Firma von Investor Lars Windhorst, erhalten. Außerdem kündigte Klinsmann an, wieder Aufsichtsratsmitglied des Vereins zu werden. (Quelle: Stern.de)

Wenn Herr Weghorst einigermaßen bei Verstand ist, teilt er seinem Berater Jürgen K. noch heute mit, dass er in Zukunft wieder surfen gehen kann, in Berlin ist dieser Vogel wohl kaum noch vermittelbar. Aber – die Aktion des grinsenden Jürgen zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise, wie das Geschäft heute funktioniert, besonders das Geschäft Fußball. Ich selbst kann mich da noch an die Aussagen von Bee Pee Hopeman erinnern, oben im Blog nachzuhören. Die Richtung ist exakt die gleiche, denn auch Hoffmann nutzte die Gunst der Stunde für sich und seine Ambitionen. Und genau wie Klinsmann wird er scheitern, eben weil die Motive die falschen sind.