Genau zwei Niederlagen waren nötig, um Bernd Hoffmann nun doch vor die Presse zu zwingen und ihn sagen zu lassen: „Wir haben eine sportliche Krise. Honeymoon is over“. Wobei die Wortwahl aus meiner Sicht absolut daneben ist oder man hat in Hamburg eben doch monatelang in einer Blase gelebt. Denn wer meint, nach einer Hinrunde mit zum Ende mehr als durchwachsenen Leistungen und Platz 2 in den Flitterwochen gewesen zu sein, der hat nach außen, vor allem aber nach innen die falschen Signale gesandt und sich absolut mitschuldig an der bestehende Situation gemacht. So aber gibt BeePee Hopeman nun das öffentlich zu, was längst alle wissen. Und er macht vor allem eines: Er übt Druck auf alle aus. Auf Spieler, Trainer, aber eben auch auf Kaderplaner Mutzel und Sport Vorstand Boldt. 

Ich hatte es ja vor einiger Zeit schon mal geschrieben – wer Hoffmann kennt, der weiß, dass er sich das nicht ewig angucken wird, Martin Jol lässt grüßen. Und wer genau hinhört, wird auch die Realität hinter den Sätzen verstehen. 

Die sportliche Leitung um Trainer Dieter Hecking und Sportchef Jonas Boldt habe die volle Rückendeckung. „Sie haben die Erfahrung, jetzt die richtigen Worte zu finden“ . Hoffmann sagte mit Blick auf das verlorene Derby gegen den FC St. Pauli: „Wir haben jetzt zwei grottenschlechte Spiele gemacht.“ Am angepeilten Aufstieg ändere das aber nichts. „Klares Ziel ist die 1. Liga.

Genau. Sie haben die Erfahrung, es gibt also keine Ausreden mehr. Und vor allem haben sie nicht nur die Erfahrung, sie haben auch die alleinige Verpflichtung, die Mannschaft zurück in die Spur zu führen. Hoffmann, dessen Vertrag zum Saison-Ende ausläuft und sich nur bei Aufstieg verlängert, nimmt sich selbst wunderbar raus aus dem Dilemma, auf der anderen Seite werden die Daumenschrauben angezogen. Man kann davon ausgehen, dass auch Boldt den Druck direkt an Übungsleiter Hecking weiterleiten wird und dieser steckt nach seinem Bekenntnis zur Mannschaft und anschließender 0:3-Klatsche in Aue ohnehin in der Schusslinie. 

Der Mannschaft dürfte all dies nicht wirklich helfen, aber die hat auch kein Mitleid verdient. Zu offensichtlich haben die Herren um Jung, Hunt und Co. ihren Trainer hängenlassen, nachdem sich dieser nach der Derby-Niederlage schützend vor sie gestellt hatte. Hinzu kommt, dass bei wirklich jedem HSV-Spieler die Formkurve aktuell nach unten zeigt, selbst der bisher konstante Leibold mutiert von Spiel zu Spiel mehr zum Mitläufer und weniger zum Antreiber. Seit gestern hat nun Arminia Bielefeld 9 Punkte Vorsprung, der erste Platz ist weg für den HSV. Stuttgart wirkt trotz der Niederlage am Wochenende in Fürth deutlich stabiler und vor allem spielerisch besser als der HSV, ab sofort geht es nur noch darum, den Relegationsplatz zu sicher. 

Und ob man damit in Hamburg glücklich wird, darf bezweifelt werden. In Hamburg geht die Angst um. Hier Hoffmanns Kern-Aussagen und als jemand, der sowohl den Verein wie auch Hoffmann kennt, empfehle ich, das genaue Gegenteil von dem zu glauben, was dort verbreitet wird. 

https://www.hsv.de/news/nachbericht-wir-muessen-jetzt-alle-gemeinsam-anpacken

Vielleicht noch ein paar Fakten zur Situation, die auch den Herren im Volkspark bekannt sein dürften. 

Nach dem 24. Spieltag der Saison 2018/19 hatte der HSV 47 Punkte und stieg nicht auf. Jetzt sind es 41 Punkte.
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Dieter Hecking hat einen aktuellen Punkteschnitt von 1,69. Hannes Wolf wurde mit einem Schnitt von 1,68 gefeuert.

Wie bereits im letzten Jahr unter anderen Trainern wurde stark begonnen und dann stark nachgelassen. 

Wirklich jeder Spieler wird im Verlauf wirklich jeder Saison, nimmt man zumindest die letzten 10 Jahre, schlecht und nicht besser. 

Die teuersten Spieler des Kader (Wood, Papadopoulos) stehen mittlerweile nicht mal mehr im Kader, Kapitän Hunt (was für ein Treppenwitz) ist inzwischen der Schatten, den viele seit Jahren in ihm sehen. 

Hecking verändert die Mannschaft gegenüber dem St. Pauli-Spiel auf drei Positionen (Ewerton, Narey und Hinterseer für van Drongelen, Kittel und Pohjanpalo) und sowohl Spiel wie auch Einsatzbereitschaft wird nochmals schlechter. 

Selbst die ehemaligen Leistungsträger fallen von Loch zu Loch, die Mannschaft scheint der Situation mental nicht gewachsen zu sein. Beispiele:

Leibold: So stark, wie er über weite Teile der Saison spielte, so sehr lässt er nun nach. Zur Zeit nur noch ein Schatten seiner selbst. Note: 6

Hinterseer: Hing total in der Luft und war auch nicht in der Lage, selbst etwas daran zu ändern. Note: 6

Ehrlich, wenn schon erwähnt werden muss, dass ein außerordentlich limitierter Spieler wie Jatta/Daffeh dadurch heraussticht, dass er zumindest gekämpft hat, dann sagt das alles. Gekämpft in einem Spiel, in dem es um Wiedergutmachung für das Stadtderby-Debakel ging. Nun also die große (Zwischen)-Abrechnung des Vorstandsvorsitzenden, die sowohl als letzte Warnung wie auch als letzter Strohhalm gesehen werden darf. „Es gibt nichts schönzureden. Das, was wir erwartet haben, die Reaktion auf die Derby-Pleite, ist ausgeblieben.“ Heißt nichts anderes als: „Ihr Versager, es reicht!“ Ob man allerdings verunsicherte Spieler dadurch motiviert, indem man sie noch mehr unter Druck setzt, darf bezweifelt werden. Aber darum geht es Hoffmann auch nicht, er will sich selbst aus der Schußlinie nehmen. Nicht, dass ihm am Ende der Saison nachgesagt werden kann, er hätte nicht rechtzeitig reagiert. Ebenso wie im Falle der Wintertransfers geht es darum, für die Zukunft (und die Vertragsverlängerung) Argumente zu sammeln. 

Aus den letzten 13 Spielen holte der HSV nun 17 von 39 möglichen Punkten. Im gleichen Zeitraum holte Bielefeld 28 Punkte, Stuttgart 24 Punkte, 22 Punkte, Fürth 20 Punkte, Darmstadt 21 Punkte. Aus den Unabsteigbaren werden die Unaufsteigbaren. 

P.S. 

Nach dem bitteren Wochenende haben die HSV-Profis heute ein wenig Zeit, um durchzuatmen. Die Mannschaft hat heute frei, ehe morgen ab 10 Uhr die Vorbereitung auf den Regensburg-Kick am Sonnabend beginnt.

Ohne Worte