Wer hätte damit rechnen können?

 

Ich habe irgendwo gelesen, dass es sie immer noch geben soll. Von wem ich rede? Nun, ich rede von den rosa Hüpferchen mit den übergroßen Vereinsbrillen, die immer noch an einen Weihnachtsmann glauben, der irgendwie Bernd Hoffmann ähnlich sieht. Sie sind es, die vor wirklich jeder Saison an die große inhaltliche Wende glauben, die daran glauben, dass alles gut wird und alle Verantwortlichen im Volkspark zum Wohle des Vereins an einem Strang ziehen. Und jedesmal, wenn man ihnen erklärt, dass es dazu in diesem Leben nicht mehr kommen wird, wird man beleidigt, bepöbelt und in Einzelfällen sogar bedroht. Dann ist man wahlweise Hater oder Pester oder einfach jemand, der nie Anhänger dieses Vereins war, dem er ohnehin nur das Schlechteste wünscht. Und da wir dieses lustige Spiel jedes Jahr wieder spielen, ist man ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch müde. Jedensfalls geht es mir so. 

Nun haben wir also Mitte März im Jahre des Herrn 2020 und sind wieder einmal da, wo wir schon so viele Male waren. “Der große Krach” titelt das Hamburger Abendblatt und lässt “Machtkampf zwischen Hoffmann und Boldt beim HSV ausgebrochen” unmittelbar folgen. Wie es nicht anders hätte sein können, lässt Fischeinwickelpapier Mopo sich nicht lumpen und kontert mit “Hoffmann gegen Boldt. HSV-Vorstand zofft sich mitten im Aufstiegsrennen”! und das wirklich Lustige oder Erschütternde (ganz, wie man möchte) ist eigentlich, dass jetzt so viele überrascht tun. Wie konnte es bloß dazu kommen? Wirklich, damit hätte doch keiner rechnen können, nachdem sich die Hamburger Hofberichter über Monate gegenseitig darin überboten, über die neue Einigkeit an der Silversterallee zu berichten. Ich frage mich dann ja immer, wie man dann sowas schreiben kann. 

Nach intensiven Recherchen und zahlreichen Gesprächen bat das Abendblatt am Dienstag die HSV-Vorstände Bernd Hoffmann und Jonas Boldt um schriftliche Stellungnahmen, nachdem sich der Eindruck verfestigt hatte, dass es innerhalb der Chefetage nicht nur ein wenig brodelt. Sondern dass es bereits seit Langem blitzt und donnert. (Quelle: Abendblatt.de)

Nein sowas. Da mussten erst die Investigativ-Journalisten Schiller und Jacobs intensiv recherchieren, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen? Gott sei es gepriesen, dass es diese Edelfedern gibt. Ohne klugscheißen oder nachtreten zu wollen, aber wenn man möchte, kann man es hier ebenso nachlesen wie im ab heute verfügbaren Buch, denn ich hatte bereits vor der Saison darauf verwiesen, dass diese Konstellation nicht funktionieren kann. Man kann keinen Turn-around oder einen Neustart schaffen, wenn man sich Personen bedient, die eine massive Vorgeschichte vorweisen können, die alles andere als positiv sind. Ich habe geschrieben, dass es eine signifikante Veränderung der Arbeitsweise mit Bernd Paul Hoffmann nicht geben wird, weil Hoffmann eben der ist, den wir kennen. Und ich kann keinen sportlichen Neustart mit einem Sportvorstand beginnen, dessen Stunts ein halbes Kapitel in einem Enthüllungsbuch füllen. Das geht nicht und es wird nie gehen und um das zu verstehen, muss man kein Raketenwissenschaftler sein. 

Es geht um das Übertreten von Kompetenzen, Hinterzimmerpolitik und atmosphärische Spannungen zwischen den Alphatieren. 

Dort trafen sich Bernd Hoffmann und der Spielervermittler Marcus Haase, um über den sich hinziehenden Millionentransfer von Douglas Santos zu Zenit St. Petersburg zu beraten.

Das Problem an diesem Treffen: Boldt hat erst Wochen später von diesem Geheimtreffen erfahren – genauso wie von zahlreichen anderen Gesprächen hinter seinem Rücken in dieser Angelegenheit. Und über all das soll der neue Sportchef – vorsichtig formuliert – nicht wirklich erfreut gewesen sein.

„Ich werde das intern besprechen“, soll der HSV-Chef in dem Vieraugengespräch versichert haben.

Sollte es stimmen, was Haase behauptet, mag das Vorgehen Hoffmanns einerseits verständlich sein, weil der HSV-Chef offenbar den wichtigen Millionentransfer gefährdet sah. Andererseits wäre es ein krasses – und vor allem unabgesprochenes – Einmischen in Boldts Entscheidungsbereich.

So wartete eine Führungskraft des HSV, die vor zehn Wochen ein lukratives Angebot eines Champions-League-Clubs erhielt, bis zuletzt auf das von Hoffmann angeblich versprochene Gegenangebot des HSV. Ein Vorgang, der sogar bei Aufsichtsratschef Köttgen hinterlegt wurde. Das Ende vom Lied: Der leitende Mitarbeiter sagte beim Bundesliga-Topclub zu und beim HSV ab

(Kommentar HSV-Arena: So kennt man B. Hoffmann)

Vor genau einem Monat trafen sich der Investor, Hoffmann, Köttgen und Jansen im Alster-Hotel The Fontenay, um über eine Verlängerung der Namensrechte am Stadion zu sprechen. Wettstein, dem ein enger Draht zu Kühne nachgesagt wird, war nicht eingeladen, genauso wenig wie Boldt. Der Sportvorstand erfuhr lediglich aus der Zeitung von diesem Treffen

(Quelle: Abendblatt.de)

Surprise, Surprise. Für jemanden, der sein Gehirn zum denken nutzt, ist diese Entwicklung keine Überraschung, denn die Frage sollte lauten “Wann?” und nicht “ob”. Auch hat diese erwartbare Geschichte nichts mit Alphatieren oder Ähnlichem zu tun, sondern schlicht und ergreifend mit den Charakteren der handelnden Personen. Aber auch das kann man den Leuten immer und immer wieder erklären, sie wollen nicht hören. Was man ebenfalls nicht unterlassen sollte, ist, auf die Rolle der Medien zu verweisen, die am 11. März so tun, als wäre all das wie aus dem Nichts vom Himmel gefallen und wie waren sie doch während ihrer Investigativ-Recherche wie vom Donner gerührt. Das ist nicht nur lächerlich, das ist verlogen ohne Ende und wieder einmal erinnere ich mich an einen Kommentar von Abendblatt-Sportchef Alexander Laux, in dem er zugab, dass man von Seiten der Hamburger Sportmedien jahrelang gepennt hatte, den Leuten Märchen erzählt hatte und dementsprechend eine gehörige Portion Mitschuld am Zustand des Vereins hätte. Leider haben diese Leute nicht gelernt oder sie weigern sich einfach zu lernen. 

Und nun? Nun hat man das, was man in dieser Phase am allerwenigsten gebrauchen kann, man hat eine veritable Führungskrise. Der Vorstandsvorsitzende fährt eine eigene Agenda und kann nicht mit dem Sportvorstand und dem Finanzvorstand. Der Trainer macht sich öffentlich über die Krisen-Ansage des Vorstandsvorsitzenden lustig (“Da sitzt er, fragen sie ihn doch”), der Aufsichtsrat gibt wie immer eine jämmerliche Figur ab und am Ende verliert besonders einer – der Verein. Aber der ist all diesen Teilzeitkräfte doch eh scheißegal. Wie die Nummer ausgeht? Keine Ahnung, aber garantiert nicht gut. Denn das, was über die Herren Hoffmann, Boldt, Wettstein und Köttgen in den Gazetten steht, ist nicht mehr zu kitten, es müssen personelle Konsequenzen folgen. Die Frage wird nur sein, ob man das noch während dieser Saison durchzieht oder nicht. Macht man es nicht und steigt am Ende nicht auf, wird es Schläge von allen Seiten geben, aber dann dürften große Teile der Verantwortlichen ohnehin nicht mehr zu halten sein. Zieht man aus den Artikel nun unmittelbare Schlüsse und trennt sich von Personen, wird man um die Ohren kriegen, wenn deshalb der notwendige Aufstieg verpasst wird. Aber selbst, wenn man in dieser personelle Konstellation den Aufstieg schafft, wird es ab Juni nicht so weitergehen können. 

Bei der Gelegenheit möchte ich gern auf einen Artikel von Daniel Jovanov aus der “ZEIT” verweisen, dieser Artikel stammt vom 25.07.2019, wurde also vor Beginn der Saison verfasst. Wie auch ich hat Daniel bereits damals auf die Situation hingewiesen und auch damals wollte es niemand hören. 

Sein Vertrag läuft im nächsten Jahr aus. Auf Anfrage der ZEIT spricht sich Kühne klar für eine Verlängerung aus: “Einen Verbleib von Frank Wettstein als Finanzvorstand der HSV Fußball AG würde ich begrüßen.” Bernd Hoffmann sieht das wohl anders. Allerdings könnte er mit einer Zweckehe leben, solange sein Verhältnis zu Jonas Boldt intakt bleibt. Dessen Erfolg bei Spielerverpflichtungen hat großen Einfluss auf den Ausgang der Saison – und damit auf die Zukunft von Bernd Hoffmann.

Möglicherweise ändert sich Kühnes Einstellung, wenn irgendwann Marcell Jansen die Führung beim HSV übernehmen sollte. Kühne hält viel vom ehemaligen deutschen Nationalspieler, lobt ihn in Interviews überschwänglich und würde den 33-Jährigen gern in einer leitenden Position in der Profifußball-Abteilung des HSV sehen.

Öffentlich bestreitet er, es auf ein Amt als Vorstand oder Sportdirektor abgesehen zu haben. Aber das hat sein Vorgänger Hoffmann auch getan.

https://www.zeit.de/2019/31/hamburger-sv-zweite-bundesliga-saisonbeginn-aufstieg-ziel

Nur ein Zitat aus dem gestern erschienen Artikel Jovanovs aus der “ZEIT”. Mehr muss man eigentlich nicht mehr dazu sagen:

Nach außen mögen die Verantwortlichen HSV das Gefühl vermitteln, ihre Differenzen mit Souveränität zu lösen. Fußballmannschaften sind allerdings feinfühlig genug, um zu merken, dass sich einiges auseinander dividiert. Und so spielt die des HSV auch: verunsichert, beunruhigt, gedanklich nicht ganz auf der Höhe. Sie spürt diese Verunsicherung auch bei den Verantwortlichen: beim Trainer, Manager und dem Vorstandsvorsitzenden

Eines noch, weil es natürlich wieder welche geben wird, die behaupten, “die Medien tragen Unruhe in den Verein”. Exemplarischer als dieser neuerliche Fall kann man nicht dokumentieren, dass es nicht die Medien sind, die für Unruhe sorgen, sondern der Verein und seine Führungskräfte selbst. Die Medien bringen keine Unruhe, die Medien schweigen viel zu lange.

P.S. Wer diese Situation gerade spaßig findet, wird das Buch lieben 🙂

Fun Fact: Die Hamburger Medien meinten mit “die Führungskraft, die den HSV zu einem Champions League-Klub verlässt” und bei dem Hoffmann  ein Vertragsangebot verpennt haben soll, tatsächlich Tilli Müller, den Pressesprecher. Na denn, gute Nacht, liebe Tschornalisten 😀 

https://www.amazon.de/dp/3946635288/

 




Von | 2020-03-14T07:57:21+01:00 12. März 2020|Allgemein|11 Kommentare

11 Comments

  1. Gravesen 12. März 2020 um 09:54 Uhr

    Was alle wissen: Der 57-Jährige hat beim HSV noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2021. Was viele nicht wissen: Dieser Vertrag beinhaltet eine brisante Klausel. Im Falle des Nichtaufstiegs hat der Aufsichtsrat nach Abendblatt-Informationen die Möglichkeit, vier Wochen vor Ende des Geschäftsjahres, also nach der Entscheidung über den Wiederaufstieg, den Vertrag mit Hoffmann aufzulösen. Ein spannendes Vertragsdetail, das in diesem Machtkampf eine ganz entscheidende Rolle spielt.

    .
    Und jetzt kann man dreimal raten, wie diese Vertrags-Details an Blassnasen wie Schiller geraten können? Ein Verein zerlegt sich in seine Bestandteile

    • Kevin allein in Hamburg 12. März 2020 um 13:14 Uhr

      Dann kann Frau Hoffmann nicht mehr shoppen gehen………..???

  2. marlor 12. März 2020 um 11:36 Uhr

    Wenn, ja wenn, es einen Aufsichtsrat gäbe, der seinem Namen und seiner Aufgabe gerecht würde, dann müsste jetzt sofort der Rettungsfallschirm gezogen werden und der gesamt Vorstand gehen und durch Leute aus der Wirtschaft ersetzt werden, die Ahnung von Finanzen haben. Bis auf den Sportchef vielleicht. Da braucht man wohl jemanden, der das Geschäft kennt, aber sicher nicht Boldt…

  3. Gravesen 12. März 2020 um 12:02 Uhr

    Der HSV verschickt E-Mails
    .

    Die Hamburger Gesundheitsbehörde schloss sich der Empfehlung des Krisenstabs der Bundesregierung an und legte fest, zunächst bis zum 30. April keine Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern zu genehmigen.

    Damit ist zunächst einmal auch das Heimspiel der Rothosen am 21. März gegen Arminia Bielefeld betroffen. Welche konkreten Auswirkungen die behördliche Ansage auf das Zweitliga-Topspiel und die folgenden Heimspiele hat, wird der HSV erst in der kommenden Woche wissen und vermelden. Zunächst soll das Corona-bedingte Krisentreffen aller DFL-Clubs am Montag in Frankfurt abgewartet werden.

    Sollten Heimspiele des HSV unter Ausschluss der Öffentlichkeit, also als so genanntes „Geisterspiel“ durchgeführt werden müssen, bekommen auch Dauerkarteninhaber den Ticketpreis für das entsprechende Spiel zurückerstattet.

    Sollte es Neuigkeiten oder Änderungen geben, wird der HSV über seine Website (www.hsv.de), per E-Mail an Ticket- und Dauerkarteninhaber und über seine Social-Media-Kanäle umgehend informieren.

    .
    Mich würde ja interessieren, wovon der HSV das bezahlen will. 😀

    • Hein Blöd 12. März 2020 um 13:20 Uhr

      “Liebe Mitglieder, liebe Mitgliederinnen!

      Aus Gründen welche wir nicht zu verantworten haben, beachten Sie bitte hierzu die
      die Auswirkungen der Corona- Epidemie mit ihren zahlreichen “Geisterspielen”,
      sehen wir uns nun gezwungen zwecks weitere Aufstockungen der H$V FAG seitens
      Herrn Kühne an diesen heranzutreten.
      Gruß ….”

      Ergänz: Spielabbrüche zu Geisterspielen geändert.

  4. Kevin allein in Hamburg 12. März 2020 um 13:30 Uhr

    @ Gravesen

    Laut Amazon soll dein Buch morgen geliefert werden.

    Ich hoffe es sind auch viele Bilder drin……

    ? ? ? ?

    • Gravesen 12. März 2020 um 13:37 Uhr

      Ich habe kein Bilderbuch geschrieben 😀

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