Ab einem bestimmten Zeitpunkt in einer Saison kommen sie wieder, die berühmten Fragen: Warum ändert sich nie etwas bei diesem Verein? Warum macht man immer und immer wieder die gleichen Fehler? Warum sieht man einfach keine Entwicklung, sondern bestenfalls Stillstand und im Normalfall den nächsten Rückschritt? Dabei ist die Beantwortung dieser Fragen nicht nur naheliegend, sondern auch recht einfach: Weil dieser Verein seit Jahrzehnten immer nur zurückblickt, aber nie nach vorn. Weil dieser Verein im besten Fall versucht, das erfolgreiche Modell eines anderen Vereins zu kopieren, weil ihm selbst die Phantasie für eine erfolgreiche Zukunft fehlt. Und, ganz wichtig – weil er sich immer wieder Führungsfiguren bedient, die im Verein eine Vergangenheit vorzuweisen haben. Stichwort: Experte mit Stallgeruch. Dabei ist es exakt dieser „Stallgeruch“, der einer echten und seit Jahren dringend notwendigen Erneuerung im Weg steht. 

Der Einfachheit halber fangen wir im Oktober 1995 an, dies war nämlich der Zeitpunkt, an dem Uwe Seeler das Präsidenten-Amt beim Hamburger Sport Verein e.V. übernahm. Warum? Weil Uwe ein solcher Visionär war? Weil Uwe eine solche Führungsfigur war? Mitnichten. Seeler sollte bereits damals die verschiedene Strömungen im Verein einen und Brücken bauen, um eine Selbstzerfleischung aufzuhalten. Aber warum Seeler? Weil er als Kultfigur und Rekord-Nationalspieler herhalten musste. Er selbst wollte das zu keinem Zeitpunkt, hat später oft genug erklärt, dass dies ein Fehler war. Seelers Karriere als Präsident wurde überschattet von Geschichten wie Autopolitur, Jutesäcken und Ost-Immobilien. Begründung Pro Seeler war: Stallgeruch.

Nachfolger Werner Hackmann (Juni 98 – Okt 98) kam vom Hamburger Sportbund, wo er zwei Jahre vorher als Präsident fungierte. Als langjähriges HSV-Mitglied war er zu diesem Zeitpunkt eine Notlösung für 5 Monate. Auf Hackmann folgte HSV-Mitglied und Theater-Mann Rolf Mares (Okt. 98 – Juli 99), ebenfalls ein kurzes Intermezzo. Doch wer folgte auf Mares? Richtig, es war sein eigener Vorgänger Werner Hackmann (Nov. 99 – Okt. 2002) und die Begründung: „Der Werner hat das ja schon mal gemacht, er ist ein alter HSVer und kennt den Verein“. Stichwort: Stallgeruch. Auf Hackmanns zweite Amtsperiode folgte mit Ronny Wulff erneut ein Kurzzeit-Präsident (Okt. 2002 – Febr. 2003) in die Führung des Vereins und woher kam Wulff? Aus dem Aufsichtsrat! Notlösung mit Stallgeruch. 

Wann war der HSV nach dem Pokalsieg 1987 in Berlin eigentlich das letzte Mal zumindest in Ansätzen erfolgreich? Oberes Tabellendrittel, Champions League-Teilnahme, DFB-Pokal-Halbfinale? Im Febr. 2003 übernahm Bernd Hoffmann das Amt des HSV-Präsidenten und er hatte keine HSV-Vorgeschichte. Hoffmann kam vom Sportrechte-Vermarkter UFA Sports, welcher später zu Sport Five und noch später zu Lagadere mutierte. Hoffmann hatte bis zu seinem Amtsantritt keine Funktion in irgendeinem HSV-Gremium und entsprechend keine HSV-Vergangenheit. Folglich konnte er Ideen anschieben und Inhalte verändern, ohne auf irgendwelche Seilschaften oder alte Verpflichtungen Rücksicht nehmen zu müssen. Spätestens nach der Auseinandersetzung mit Sportchef Beiersdorfer begann Hoffmanns Stern endgültig zu sinken, bevor es dann 2011 vorbei war. 

Und dann? Im März 2011 einigte man sich auf Carl-Edgar Jarchow als neuen HSV-Präsidenten und was hatte der spätere „Vorstand Fans und Gräben“? Richtig, er hatte eine HSV-Vergangenheit. Von 1998 bis 2001 war er stellvertretender Chef der HSV-Supporters, von 2001 bis 2004 Mitglied des Aufsichtsrats. Mehr Stallgeruch geht kaum, die Erfolge dieser Zeit sind bekannt (u.a. eine Fan-Anleihe, die für den Bau des Campus gedacht war, die aber für Gehälter und Abfindungen verbraten wurde), Jarchow führte den e.V. bis zur Ausgliederung 2014. Was aber macht ein Rückwärtsverein, der seine Profi-Abteilung auf Wunsch der Mitgliedschaft ausgliedert und sich komplett neu und für die Zukunft erfolgreich aufstellen möchte? Er holt einen „Profi mit Stallgeruch“. Dietmar Beiersdorfer war wohl als Antreiber und Visionär die denkbar schlechtestes Wahl, die man 2014 wählen konnte, aber es wäre nicht der HSV, wenn es nicht trotzdem so gekommen wäre. Beiersdorfer steuerte einen Verein, der sich neu erfinden wollte, aus purer Unfähigkeit über die Klippe. 

Nachdem man sich viel zu spät vom Verbrennungs-Didi getrennt hatte, war ein echter Krisenmanager gefragt und was liegt dann näher als ein Mann namens Heribert Bruchhagen. Denn was hatte Bruchhagen, was andere nicht hatten? Richtig, Stallgeruch. Herri war von 1992 bis 1994 erfolgloser Manager beim Nordklub und eines der Hauptargumente lautete mal wieder: „Der Mann kennt den Verein“. Wenn man dann im Jahr 2016 diesen Verein, bei dem man 22 Jahre zuvor gearbeitet hat, immer noch kennt, würde das über eben diesen Klub aussagen, dass er sich seither nicht verändert hat und genau das ist das Problem des HSV. Bruchhagens Amtszeit geht entsprechend als Desaster in die Annalen des Vereins ein, Höhepunkt war mit Sicherheit der Kauf von Herrn Papadopoulos. 

Nun aber. Nach diesen zahllosen personellen Eigentoren muss man doch irgendwann einmal gelernt haben, oder? Leider reden wir hier über den HSV und dieser Verein ist dafür bekannt, dass er einen Fehler nicht ein- oder zweimal, sondern in Endlose-Schleife macht. Wer folgt also am 26. Mai 2018 als Vorstandsvorsitzender der HSV Fußball AG auf Bruchhagen? Na klar, es ist Bernd Paul Hoffmann. Kurz zuvor noch zum Präsidenten des HSV e.V. gewählt und laut eigener Aussage nicht Willens, den Vorstand der AG übernehmen zu wollen, springt ein alter Fahrensmann in die Bresche. Stallgeruch hat Hoffmann durch seine Tätigkeit als Präsident von 2003 bis 2011 ohne Ende, schließlich ist dies die Voraussetzung für den Job. 

Und wenn Hoffmann nach dem verpassten Aufstieg oder dem Kompetenz-Gerangel mit Boldt und Wettstein gehen muss, wer wird ihm folgen? Es gehört nicht besonders viel Phantasie dazu, wenn man auf den Namen Marcell Jansen kommt, seines Zeichens aktuell Hoffmanns Nachfolger als Präsident des e.V. Und als Ex-Spieler und dann ex-e.V. Präsident hat Jansen vor allem eines: Stallgeruch bis zum Pupillenstillstand. In Hamburg rühmt man sich oft und gern mit dem Etikett des Traditionsvereins, aber wirkliche Tradition des HSV resultiert nicht aus sportlichen Erfolgen, sondern daraus, dass man immer wieder die gleichen dämlichen Fehler begeht. Aber verlieren wir noch ein paar Worte zum möglichen nächsten Fehler, Herrn Jansen. Dieser wurde u.a. auch deshalb am 06.Februar 2018, also vor über zwei Jahren, in den Aufsichtsrat gewählt, weil er einst beim HSV die Stiefel geschnürrt hat oder anders ausgedrückt: Hätte Jansen in seiner Karriere nur für Mönchengladbach, Bayern München und Aktivist Schwarze Pumpe gekickt, würde er heute garantiert nicht im AR sitzen. Hier sollte er, und das war der eigentlich Beweggrund, für die sogenannte „sportliche Kompetenz“ sorgen, die scheinbar zuvor fehlte. Und? Erfolgreich?

Urteilt selbst. Denn trotz seiner „sportlichen Kompetenz“ konnte „Bass“ Jansen nicht nur die Transfers von Spielern wie Narey, Lacroix, Bates, Wintzheimer, Özcan, Moritz, Kinsombi, Amaechi, Ewerton, Harnik und Letschert nicht verhindern, er konnte auch den verkackten Wiederaufstieg nicht verhindern. Er konnte diverse Trainerwechsel und einen Sportchef-Wechsel nicht verhindern. Und wenn nun jemand erwidert, dass er dafür ja auch nicht zuständig sein, dann sollte man sich die Frage stellen, was denn eigentlich „sportliche Kompetenz“ im Aufsichtsrat zu suchen hat, wenn sie keinen Einfluss nehmen kann. Ansonsten könnte man anstatt Jansen auch Helm-Peter oder Lotto King Karl hinsetzen. 

*Beim Fußball nennt man das, was diese alten Herren dort machen, normalerweise Zeitspiel. Überall auf der Welt werden Sportereignisse langfristig verschoben oder ganz gecancelt. Die DFL aber will den Spielbetrieb für zwei lächerliche Wochen unterbrechen, um Zeit zu gewinnen. Am Ende geht es diesen Herren wie immer nur um eins – um Geld.