Schaut man sich die Meinungen und Äußerungen der HSV-Anhänger in Blogs, Foren und Kommentarbereichen an, so scheint es so, als sei die Anhängerschaft des Vereins zerrissener als zu Zeiten der Ausgliederung. Damals wollten die Einen eine AG, die Anderen wollten Tradition. Und kaum einer kann sich besser erinnern als ich, mit welcher Art Bandagen damals gekämpft wurde, auch von mir. Heute scheint es so, als würden sich die Fans wieder in zwei Lager teilen, nur diesmal habe ich, im Vergleich zu damals, für die „Alles-wird-gut“ oder „Cello, bester Mann“-Texter wenig bis kein Verständnis mehr. 

Dabei drehen wir uns eigentlich wie immer im Kreis, aber das scheint ohnehin das Schicksal dieses Vereins zu sein. Wieder ein Neubeginn, wieder ein Umbruch, wieder neue Machthaber. Mit dem Unterschied,dass diesmal nicht das komplette Personal oder der Cheftrainer getauscht wurde, es wurde diesmal nur jemand, mit dem die Zusammenarbeit mehr als kompliziert ist, aus dem Amt gemobbt und zwei Weggefährten zogen es vor, die persönliche Reißleine zu ziehen. Und ausgerechnet in Zeiten, in denen Corona-bedingt niemand von uns vorhersehen kann, wie das Leben nach dem Virus aussehen wird, übernehmen bewiesene Intriganten das Ruder, das kann und das wird nicht gutgehen. 

Da mögen sich diese Vögel noch so oft zu einem peinlich inszenierten Doppel-Interview mit einer ausgewählten Schar von geneigten Journalisten-Simulanten stellen, es kann nicht gehen. Denn die Natur dieser drei Strippenzieher (Jansen, Wettstein, Boldt) ist zu ähnlich, in ihren Zielen spielen nur sie selbst und sonst niemand eine Rolle. Zu erkennen ist dies unter anderem am denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, Bernd Paul Hoffmann zu sägen. Mitten in einer internationalen Krise, flankiert von Geisterspielen und Kurzarbeit, vor einer mehr als ungewissen Zukunft haben diese Herren nichts besseres zu tun als einen Kollegen aus dem Office zu mobben. Ob der Verein Schaden nimmt? Egal. Hinzu kommt, dass viele der Hoffmann unterstellten Vorwürfe unbewiesen sind, wenn man natürlich auch vermuten kann, wie sich der Mann während seiner Amtszeit gebärdet hat. Um es ganz deutlich zu sagen, ich habe weniger als Null Mitleid mit Hoffmann, ich habe schließlich prophezeit, dass es genau so kommen würde. Ich finde es nur unglaublich, dass ausgerechnet diese drei Blockflötengesichter, die noch nicht einmal einen Hehl daraus machen wollen, dass sie den Verein nun an ihren gemeinsamen Lehnsherrn übergeben wollen, als vorläufige Sieger aus dieser Affäre hervorgehen. 

Aber genau das ist, was Hoffnung macht, zumindest mir. Wobei meine Hoffnung eine andere ist als die derjeniger, die eine sportlich und finanziell rosige Zeit wünschen. Meine Hoffnung ist, dass nun alle wie sie da sind, ihre Masken fallenlassen. Dass Kühne zeigt, dass er alles andere als gewillt ist, den HSV mit Millionen zuzuschütten. Dass Boldt und Wettstein innerhalb weniger Wochen so einandergeraten werden, dass einer gehen muss. Dass Jansen offenbart, was für ein erschreckender Anfänger und ein Produzent von heißer Luft er ist. Und am Ende, dass dieser Verein endlich auseinanderfliegt, damit die Möglichkeit besteht, dass er aus der Asche wieder auferstehen kann. 

Aber, wie gesagt, eigentlich ist es nur eine Frage der Zeit. 

Auf der anderen Seite – ist es nicht erfrischend, wie dieser künstliche aufgeblasene Profifußball-Ballon kurz vorm platzen ist? All die Profiteure, die Berater, die sich für Telefonate Millionen einstrichen. Sie alle stehen vor dem Aus. Spieler mit unfassbaren Verträgen, Funktionäre, die als Geschäftsführer von Unternehmen mit knapp 200 Mitarbeitern Millionen abgriffen. Sie alle stehen vor dem Nichts. Mir tut es leid für all die normal Beschäftigten, die als Angestellte von Sportvereinen ihre Brötchen verdient haben, aber um das komplett verrotzte Milliarden-Geschäft Fußball tut es mir keine Sekunde leid. Ach ja, demnächst können wir dann alle live überprüfen, wie es einige mit der geliebten Raute halten. Wenn sich die Ersten nach neuen Vereinen umgucken, weil ihr HSV nicht mehr zahlen kann bzw. will. Das wird lustig.

Oliver Bierhoff: „Bisher wollte man im Fußball immer mehr. Jeder überlegte, wie man immer mehr verdienen kann. Gier galt als oberstes Prinzip. Am Schluss explodiert das System.

P.S. Rumpelspacken – Müllentsorgung ist keine „Medizinbranche“. Glaub mir.