Sicher ist es einfach, den Stab zu brechen. Automatisch ziehen die dünn-angerührten Spacken wie 98% der Graupenperlen-Bewohner Begriffe wie „Pyro“ oder „Choreo“ aus dem Ärmel, wenn sie den Begriff „Fanszene“ vernehmen. Der Umstand, dass wir uns erneut im Bereich des sogenannten Hunke-Syndroms befinden, bleibt unerkannt, denn wie einfach kann man eine Argumentation wegwischen, wenn einem der Absender nicht passt. Dabei ist das, was diese Fanszene zum Thema Weiterführung der Saison, Geisterspielen und gesellschaftlicher Verantwortung abgesondert hat, durchaus beachtenswert, weil es stimmt. 

Ein Wertewandel setzte erstmal voraus, „dass der Profifußball anerkennt, dass er nicht erst seit der Corona-Krise krank ist“.

An dieser Stelle setzt das erste Problem an, denn der hier erwähnte Profifußball würde nie im Leben zugeben, dass er krank ist. Denn nach der Meinung der Beteiligten, also Funktionäre, Berater, Spieler, Trainer, Ex-Spieler, Ex-Trainer, Fernsehsender und auch dem Großteil der Journalisten lief doch alles bestens, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem Covid-19 um die Ecke kam und allen die Maske vom Gesicht risst. Plötzlich sieht jeder, selbst der Dümmste, was für ein Kartenhaus der Geschäft Profifußball eigentlich ist. Was rein kommt, muss sofort wieder raus, ansonsten verpasst man den Anschluss. Und wenn man den Anschluss verpasst hat, dann ist es aus mit dem großen Abkassieren. 

„Wir möchten nicht mehr über Symptome diskutieren, sondern endlich über die Krankheit und die Wege zur Gesundung des Fußballs sprechen. Vereine und Verbände sind herausgefordert, jetzt verbindliche Schritte zur Gesundung des Profifußballs einzuleiten und zu gehen“

Die Frage ist jedoch: Warum gesunden, wenn man selbst nicht mal anerkennt, dass man krank ist? Dass das ganze System krank ist. Und krank bleiben wird, wenn man tatsächlich die Ideen der unheiligen Allianz aus Politik, DFL, Sky und Bild umsetzt und am 9.5. Geisterspiele abhält, die nicht mal die Fans wollen. Denn sollte es dazu kommen, wird alles seinen gewohnten Gang gehen. Auch ohne Zuschauer. Auch ohne Stimmung und Choreos. Sie werden einfach spielen und so tun, als wäre nichts gewesen. Als würden nicht die ersten Vereine nach nur einem Monat ohne Spielbetrieb kurz vor der Insolvenz stehen. „Ach, das war doch nur so eine Momentaufnahme, wir haben es ja hingekriegt“. Nein, habt ihr nicht.

Ich glaube, dass der Profifußball in Deutschland einen deutlich größeren Schaden nimmt, wenn man tatsächlich Mitte Mai wieder kickt als wenn man die Saison beerdigen würde. Beerdigen und wandeln. Maßnahmen ergreifen, damit sowas in Zukunft nicht wieder vorkommt. Allein im letzten Jahr haben Vereine der ersten und zweiten Liga mehr als € 200 Mio. an Spielerberater gezahlt.  https://www.zeit.de/news/2019-05/30/kosten-fuer-berater-honorare-steigen-190530-99-445994  Wofür? Damit ein Spieler von Verein A zu Verein B wechselt. Das ist krank. Absolute Durchschnittsbolzer, die mehr als € 2 Mio. im Jahr bekommen. Krank. 

Wir wollen für Fans spielen, die gar nicht wollen, dass wir spielen. 

Liebe Freunde, wenn ihr jetzt spielt, habt ihr die Maske endgültig fallenlassen, ihr habt es eigentlich schon dadurch, dass ihr überhaupt darüber diskutiert. Denn endlich sieht ein jeder, wirklich jeder, worum es euch tatsächlich geht. Nicht um euren Verein, der ja immer eurer Traum war. Nicht um eure Fans, die die Besten der ganzen Welt sind. Es geht darum, eurer krankes System, von dem ihr alle maximal profitiert, am laufen zu halten. Mich habt ihr bereits verloren, aber wenn ihr das Ding jetzt durchzieht, werdet ihr noch viele andere verlieren. Und gefährden.

Es droht Liebesentzug

Wie groß der Schaden für die Bundesliga am Ende sein wird, ist nicht nur eine wirtschaftliche Sache und hängt gewiss nicht nur von den Geisterspielen ab. Sondern auch davon, wie viele Menschen sich angewidert abwenden werden von einer Branche, die sich in einem Rekordtempo als selbstverliebt, verschwenderisch, unanständig und abgehoben entlarvt – ohne das zu merken. Mit welcher Wucht solch ein Liebesentzug auch den Fußball treffen kann, hat die nicht weniger abgehobene Nationalmannschaft bereits nachhaltig erfahren müssen. Und das wäre sicher nicht die Nachhaltigkeit, von der die Bundesliga-Bosse dieser Tage schwadronierten.

(Quelle: https://www.weser-kurier.de/werder/werder-bundesliga_artikel,-voellig-absurd-aber-auch-sehr-entlarvend-_arid,1909554_type,amp.html?__twitter_impression=true) 

Period!