Es hätte eigentlich so einfach sein können, man hätte nur mal die Wahrheit sagen sollen. „Wir brauchen die Spiele, zur Not auch ohne Zuschauer. Ohne das Geld gehen die Lichter aus, weil wir schlicht und ergreifend beschissen gearbeitet haben“. Aber das passiert nicht, weil es nicht passieren kann. Denn dann hätte der Fußball, der Profi-Fußball, die große glückliche Fußballfamilie ja zugeben müssen, dass er seit zig Jahren ohnehin schon in einer Blase lebt. In einer Blase, die mit der Realität „da draußen“ schon längst nichts mehr zu tun und am Hut hat. Stattdessen lügt man einfach weiter, weil man es gewohnt ist, zu lügen und weil man es gewoht ist, mit den Lügen durchzukommen.
Unaufrichtigkeit, die ärgert
Die Leute bräuchten Normalität in schlechten Zeiten, so argumentieren die Fußballbosse. Es ist auch diese Unaufrichtigkeit, die ärgert. Der Fußball als großer Seelentröster. Es stimmt ja auch, Fußball kann den Alltag kurz vergessen lassen. Man tritt den Funktionären aber nicht zu nahe, wenn man in ihren Bestrebungen vor allem die Angst um die Solvenz ihrer Clubs erkennt. Manchen vielleicht auch um ihre eigene.
Exakt dies ist der Punkt, an dem sich mittlerweile so viele festhalten, es ist die Unaufrichtigkeit. Sie wollen einem professionellen Fußball als Volks-Manna verkaufen, als etwas, ohne das es sich kaum zu leben lohnt. Als würde ein Leben ohne Mainz gegen Gladbach keinen Sinn mehr ergeben. Das Schlimme ist aber – nach Wochen ohne regulären Spielbetrieb hat inzwischen fast jeder begriffen, dass dies ausgewiesener Mumpitz ist. Im Gegenteil, eine Majorität der Fans fordern geradezu eine Rückkehr zu Werten, die die überbezahlten Milionäre mehr fürchten als der Teufel das Weihwasser.
„Ich würde lieber sagen: Wir spielen Fußball im Geiste unserer Fans“, sagte Karl-Heinz Rummenigge neulich in Bild-TV
Im Geiste der Fans, die gar nicht wollen, dass gespielt wird? Wie sehr muss man sich von der Realität entfernt haben, wenn man bereit ist, solche Sprüche rauszuhauen? Wie sehr muss man auf all das scheißen, was diejenigen fordern, die den ganzen Quatsch tragen. Aber halt, Moment mal, sie tragen es ja gar nicht. Ganz im Gegenteil, sie haben mit Protesten gedroht, sollte der Patient Profifußball künstlich am Leben gehalten werden und sich entsprechend noch weiter von einer Gesellschaft entfernen wollen. Hiermit umzugehen sei allerdings Sache der Vereine.
Einen Hammer hat Herr Seifert in seiner gestrigen Stellungnahme allerdings noch im Köcher gehabt. Die öffentliche Kritik am Profi-Fußball aufgrund der Pläne für den Neustart bezeichnete Seifert als „Missgunst“. Wow. Missgunst also. Jetzt ist man also missgünstig, wenn man der Auffassung ist, dass das Leben nicht nur aus Nehmen besteht. Dazu fällt mir kaum noch was ein. Auf jeden Fall hat es Herr Seifert und die DFL einigermaßen geschickt verstanden, den Black Peter an die Politik weiter zu leiten. Die Vereine seien bereit, wann immer es die Politik wünscht. Und sollte es eine politischen (und richtige) Entscheidung geben, den Blödsinn zu lassen, dann trägt jeder die Verantwortung dafür, dass diverse Vereine über die Wupper gehen. Die Politik, die mißgünstigen Fans, alle.
Alle, bis auf die Vereine und bis auf die Interessenvertretung der Vereine, die DFL. Die gleiche DFL, die mit ihrem lächerlichen Lizenzierungsverfahren die Mißwirtschaft nicht nur ermöglicht, sondern maßgeblich mitgetragen hat. Was passiert, wenn man sich komplett abgehoben von der Basis entfernt, ist gut am Beispiel Nationalmannschaft zu erkennen. Den gleichen Weg geht der bezahlte Fußball jetzt auch.
Und da sind wir nun angekommen – die Fans als Feinde der Vereine und des bezahlten Fußballs. Diejenigen, die kommen und singen und pfeifen und Choreos basteln und bis nach Freiburg fahren. Sie sind der Feind, nicht der bedingungslose Kommerz. Und da sie es nun schwarz auf weiß haben, haben sie es auch in der Hand, wie und ob es überhaupt weitergeht. 18 Spiele an einem Wochenende und es bedarf lediglich ein paar Hundert motivierte Fans, die sich vor den Stadien in Leverkusen, Fürth oder Augsburg zusammenrotten und die Nummer platzen lassen. Was soll dann passieren? Sollen Hundertschaften der Polizei diese Jungs dann mit Wasserwerfern auseinandertreiben? Sollen sie anschließend inhaftiert werden, um sich mit Covid-19 anzustecken? Man stelle sich die Schlagzeile vor.
Mainzer Fan, der nach Protesten gegen Geisterspiele verhaftet wurde, steckt sich in der Untersuchungshaft mit dem Corona-Virus an.
Der Fußball ist am Arsch und das vollkommen zu Recht!
Nicht zu vergessen die BILD, als Treiber und Träger dieser unsäglichen Diskussion.
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Der Gipfel aller Lügen ist doch, dass ein Klub nach Anmeldung einer Insolvenz angeblich unwiderruflich verschwinden würde. Dies ist mitnichten so und daher hat die DFL die Relgel zum Punktabzug nach Insolvenz eben auch nicht grundlos vorerst ausser Kraft gesetzt.
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Ein Klub mit sportlicher und wirtschaftlicher Perspektive soll vom Insolvenzverwalter im Spielbetrieb weitergeführt werden. Dies ist ins Besondere auch bei Zahlungsunfähigkeit möglich und eine bilanzielle Überschuldung ist nicht zwingend gleichbedeutend mit einer insolvenzrechtlichen Überschuldung. Entscheidend ist die Perspektive! Dies ist eben der Unterschied zwischen modernem Insolvenzrecht und alten Konkursrecht. Sanieren statt abwickeln!
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Für viele Klubs, und im Speziellen für den HSV, kann dies daher auch eine echte Chance auf die Zukunft darstellen (ich plädiere bekanntlich seit der Abstiegs-Saison für eine Plan-Insolvenz). Nur für die aktuell handelnden Protagonisten würde dies eben das Aus bedeuten und dies ist doch wohl ein eher ein erstrebenswertes Ziel.
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Hallo Kerberos,
„Ein Klub mit sportlicher und wirtschaftlicher Perspektive soll vom Insolvenzverwalter im Spielbetrieb weitergeführt werden“ Ist das ein Passus aus einer DFL-Leitlinie? Ich dachte bisher immer, dass ein insolventer Klub einen Zwangsabstieg in die vierte Liga zu erwarten hätte. Auch dieses Szenario würde nicht den Weltuntergang bedeuten, aber Wenn er weiter am Spielbetrieb teilnehmen könnte, dann wäre das Ganze ja wirklich nur halb so schlimm. Zumindest nicht so schlimm, wie der Niedergang des HSV im letzten Jahrzehnt.
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Nein. Dies ist die Intention der Insolvenzordnung aus den 90.er Jahren. Die alte Konkursordnung enthielt nur Regelungen zur geordneten Abwicklung eines Unternehmens – die Insolvenzordnung umfasst hingegen Instrumente zur Unternehmensweiterführung und -sanierung. Ich habe hier nur „Klub“ statt „Unternehmen“ verwendet.
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Nein. Bei einer Insolvenz war seitens der DFL legiglich ein Abzug von 9 Punkten in der lfd. Saison vorgesehen – mehr nicht und diese Regelung wurde aktuell bereits ausgesetzt. Der „Zwangsabstieg“ entspricht einer „Reamateurisierung“ und ist nur die Folge, wenn der Insolvenzverwalter keine Perspektive sieht und in die Abwicklung der Gesellschaft eintritt. Daher prüft der KSC aktuell doch eine Plan-Insolvenz in Eigenverwaltung (hier kontrolliert dann ein Insolvenzverwalter die Geschäftsführung ohne selbst operativ tätig zu werden).
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O.k. Danke für Deine Antwort.
Interessant ist an dieser Stelle, dass das Narrativ von den im Falle einer Nichtumsetzung des DFL-Konzeptes nicht mehr existenten „Vereinen“ in diversen Kommentaren der Boulevard- und „Fach“-Presse ohne jedwede kritische Einordnung und häufig sogar annähernd wortgleich übernommen wird.
Wohlwollend kann kann man das bestenfalls noch als Beleg für im freien Fall befindliche Qualität des sog. „Sportjournalismus“ werten, sehr viel naheliegender ist hier aber, dass es sich um eine geradezu grotesk plumpe konzertierte Propaganda-Aktion der Akteure aus der Verwertungskette Profifußball handelt.
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Tatsächlich würde nur die „Blase DFL“ platzen. Untergehen würden neben überflüssigen „Selbstoptimierern“ lediglich noch Klubs ohne sportliche und wirtschaftliche Substanz oder Perspektive. Und das ist zu befürworten.
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M.E. befürchten diese „Selbstoptimierer“ gar nicht so sehr ihren möglichen Jobverlust. Größer dürfte wohl die Angst sein, dass beim platzen der „Blase DFL“ viele fach- und sachkundige Außenstehende einen tiefen Einblick in das bisherige Wirken der Protagonisten in die DFL und die Klubs erhalten.
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Die Bundesliga bereitet sich auf ihr Comeback vor. Aus dem Bundesarbeitsministerium werden nun offenbar kuriose Pläne laut.
Das Bundesarbeitsministerium schlägt in einem internen Papier vor, dass die Profis beim Neustart der Bundesliga Schutzmasken tragen.
So zitiert es der Spiegel am Freitag aus der dreiseitigen Stellungnahme des Referates Arbeitsschutz zum Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL). Die medizinischen Masken dürften nicht verrutschen und müssten alle 15 Minuten gewechselt werden.
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😀 😀 😀 😀
Ich finde das super. Vor allem, dass kleine Rangeleien um den Ball geahndet werden sollen gefällt mir. Ist das was auf dem Platz passiert nicht alles eine kleine Rangelei um den Ball? Wenn jetzt noch jeder Spieler einen Bubble-Fußball-Anzug anziehen muss, dann könnte ich meine Liebe für den Profi-Fußball wiederentdecken.
Falls das doch nichts wird, dann bleibt mir nur, mich auf die Wiederaufnahme des Spielbetriebs im Jugend- und Amateurfußball zu freuen, da kann ich dann meinen beiden Kindern wieder zujubeln. Das wird aber noch länger dauern, die sind ja nicht so systemrelevant. 🙁 (abgesehen davon, dass es nicht sinnvoll wäre, sich dieser Infektionsgefahr auszusetzen) aber bei den Profis gehört das wohl zum Berufsrisiko? Das ist alles so krank.
Vielen lieben Dank für Deinen großartigen Blog! Wir Fans werden nur noch verarscht und ausgesaugt! Ich habe gestern meine Mitgliedschaft in Mönchengladbach und mein Sky Abo gekündigt!
Aus meiner Sicht sollte die Saison umgehend abgebrochen werden.
Ich bin für die Fortsetzung der Saison, die dann mit einem Fiasko endet (Abbruch), nachdem sich ein Großteil der „normalen denkenden“ Fußballfans angewidert abgewendet hat. Dies hat dann zur Folge, dass es die „Bundesliga, wie wir sie kennen, nicht mehr geben wird (Seifert)“. Und genau darin liegt die Chance: Schluss mit Investoren- und reinem Kommerzfußball, Schluss mit Selbstoptimierung, reiner Profitgier und Totalkommerzialisierung. Ein Fußballsystem, das ich nicht vermissen würde.
Die Antwort können die Fans nur in der nächsten Saison 20/21 geben. Keine Dauerkartenkäufe, keine Tageskarten, keine Trikots kaufen, Skyabo kündigen. Sie haben es selbst mit einer Pandemie nicht begriffen, dann eben so.
Ich bin entsetzt über die Fortsetzungspläne. Aber nicht überrascht…
Gerade zu ekelhaft gestern die hündischen Fragen der (Fach)Journalisten an „the highness Christian Seiffert I.“
Hören die Spacken sich eigentlich manchmal selber zu? Ekelhaft. Keine einzige realistische Frage an die „Bosse<2, ob sie diesen ganzen Quatsch eigentlich ernst meinen….
Der Profifußball lebt in einem Paralleluniversum ?♂️