Samstag gehts also wieder los. Schön, sagen einige. Schwachsinnig, sagen mehr. Der Profi-Fußball, nicht nur in Deutschland, hat seinen Glanz verloren, seine erkaufte Sonderstellung eingebüßt. Und ob er jemals wieder den Stellenwert bekommt, den er meinte, vor der Corona-Krise gehabt zu haben, ist mehr als fraglich. Denn nicht nur, dass vielen ehemaligen Fans ein Licht bzgl. Wertigkeit und Wichtigkeit ihres Hobbies aufgegangen ist, zu beschissen haben sich die wichtigen Herren in Zeiten des Verfalls verhalten und geäußert. Erst, als ihnen der Wind der Verachtung mit Stärke 9 ins Gesicht blies, meinten sie, die Pferde im Galopp wechseln und auf Demut umschalten zu können. Schade nur, dass ihnen viele dieses Schmierentheater nicht mehr abgenommen haben. Gestern erschien ein überaus interessanter Artikel zu dem Thema in der FAZ und ich habe mir die Freiheit genommen, einige Passagen daraus zu zitieren und zu kommentieren. 

Doch dem Profifußball schlägt paradoxerweise dennoch eine weit stärkere Ablehnung entgegen als jeder anderen Branche, wenn er seinen Geschäftsbetrieb am Samstag wiederaufnehmen will – bis hin zu offener Feindseligkeit.

Ich finde das weitaus weniger paradox, so ist der Mensch im Allgemeinen. Er verehrt etwas bis zur Selbstaufgabe, aber wenn ihn dieses Etwas dann enttäuscht, kehrt sich die Bewunderung in Verachtung, teilweise in Hass um. Viele Fans fühlen sich hintergangen, als ihnen ungeschminkt signalisiert wurde, dass Geisterspiele das nonplusultra wären und man locker auf den Support der Anhänger verzichten könne. Hauptsache, der Rubel rollt in bekannter Dimension weiter. 

Doch als Ganzes wirkt die Fußball-Bundesliga in ihrem Bestreben, den Ball wieder rollen zu lassen, auf viele trotzdem wie ein Feindbild, selbst unter eingefleischten Fußballfans. Nur 32 Prozent der Deutschen waren nach einer Umfrage des ZDF-Politbarometers in der Vorwoche für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs, 54 Prozent plädierten für Abbruch. Ein beispielloses Zeugnis der Entfremdung zwischen den Deutschen und ihrem Lieblingsspiel.

Keine Frage, der Bruch ist vollzogen. Die Anhänger wollen das Gefühl haben, wichtig zu sein, ein Teil des Ganzen zu sein. Dieses Gefühl wurden ihnen brachial entzogen und nun reagieren sie mit Liebensentzug. Hinzu kommt, dass viele in den letzten Wochen erkannt haben, dass ihr Leben auch ohne Folterfußball am Wochenende funktioniert. 

Die Vermarkter waren in den glorreichen Jahren dem gleichen Trugschluss aufgesessen, den nun auch die Vermarkter der Bundesliga zu spüren bekommen: Die einen hatten immer nur an einem Premiumprodukt namens „Die Mannschaft“ geschraubt, die anderen an Bundesliga-Umsatzrekorden. Aber allein auf Erfolg (Nationalelf) und Geld (Bundesliga), so viel ist sicher, wächst keine innere Verbundenheit.

Ein unendlich wichtiger Ansatz – „die Vermarkter“. Mittlerweile haben es viele Fans, Mitglieder und Anhänger verstanden, dass sie nicht unterhalten wurden oder das „ihre“ Mannschaft für sie gespielt hat, sie wurden vermarktet. Sie waren nichts anderes als Zielgruppe und potenzieller Kunde, aber kein Teil der Mannschaft. Die Spieler sind keine Gladiatoren, die für ihre Anhänger ihr Leben riskieren, sie sind Verkäufer. Verkäufer eines Produktes, welches bis zu Besinnungslosigkeit vermarktet wird. Es geht nicht mehr um Punkte, Siege und Pokale, es geht um Verkaufs-Index, Gewinnmaximierung und Steigerungsraten. 

 Denn die Liebe der Fans zum Fußball, das merken seine Macher nun auf die harte Tour, ist keineswegs bedingungslos. Und die „goldenen Steaks“, die sich Stars auftischen lassen, sind nicht etwa der Anlass einer gestörten Beziehung von vielen Anhängern zu „ihrem“ Fußball. Sie sind nur das Symptom einer Branche, die schon weit länger in einer anderen Welt lebte und schwebte. Und in der sich die Stars eigentlich alles erlauben konnten, ohne je zur Rechenschaft gezogen zu werden – solange sie das Tor trafen.

Keine Frage, die Schraube ist überdreht. Fester als fest ist ab. Und was nun langsam auch dem Letzten klar is: Fans, die für eine Karte beim Spiel HSV gegen Stuttgart in der zweiten Liga mehr als € 80 bezahlen, wollen einen Gegenwert und der wird nicht mehr erbracht. Mit tatkräftiger Unterstützung der hofberichterstattenden Medien wurde zwar immer wieder eine Illusionsblase erzeugt, aber die platzt immer schneller. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. 

Vielleicht ist dem großen Publikum aber auch erst in dieser Krise richtig klargeworden, dass diese Maßlosigkeiten nur möglich waren, weil man sie selbst dem Fußball gestattet hat – womöglich fällt die Ablehnung auch deswegen teilweise so schneidend aus.

Fatal ohne Ende – vielen Fans ist inzwischen klar geworden, dass sie nicht nur neutraler Beobachter waren, sondern sie waren Teil der Verschwörung. Sie haben durch ihre jahrelange bedingungslose Treue all dies überhaupt erst möglich gemacht und nun geht ihnen ein Licht auf. Sie wissen aber auch: Wer den Fahrstuhl nach oben ermöglicht, kann auch den Fahrstuhl nach unten ermöglichen und dies steht nun bevor. Nichts ist rachsüchtiger als ein betrogener Liebhaber, der dem Nebenbuhler auch noch das Taxi bezahlt hat. Und jetzt soll der Fußball dafür bezahlen, 

Die Bundesliga hat zwar in den vergangenen Wochen erfolgreich ihre politischen Beziehungen spielen lassen, aber sie hat es nicht vermocht, ihren Start in der Krise in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang zu stellen. Trotz der seit Wochen unüberhörbaren Kritik an ihrem Comeback hat sie dieses Defizit offenbar nicht einmal bemerkt.

Wie bereits erwähnt – die Ignoranz der hohen Herren hat ihr Übriges getan. Anstatt auf die Fans zuzugehen, stellte man die Frage „Was hat der Fußball denn falsch gemacht“ und man redete unverhohlen von Neid und Missgunst, ein absoluter Skandal. Die verspätete Kehrtwende war nicht mehr glaubwürdig und wird nicht mehr akzeptiert.

In diesen Tagen wird vielmehr offensichtlich, dass der organisierte Profifußball keine eigene DNA besitzt – anders als Vereine, die mit Mottos wie „Mia san mia“ oder „Echte Liebe“ zumindest versuchen, sich eine Haltung zu geben. Aber auch die ist angesichts der Auswüchse in den vergangenen Jahren längst brüchig geworden. Doch der deutsche Fußball in Form von DFB und DFL scheint nicht einmal zu wissen, was seine DNA überhaupt sein soll. Er hat bis zuletzt nicht einmal geglaubt, sich diese Frage stellen zu müssen. Die Geschäfte liefen glänzend.

So ist es. Man suhlte sich nun jahrzehntelang in Milliarden von Euros, scheffelte Geld, bestach und betrog und stopfte sich die Taschen voll. Dabei hat man komplett außer acht gelassen, darüber nachzudenken, was man eigentlich darstellen möchte, außer einem Haufen überbezahlter Söldner und korrupter Berater. Warum auch? Hat ja nie einer nach gefragt. Jetzt aber fragen Millionen und man hat keine Antworten. 

Dieser eklatante Mangel an Inspiration und Phantasie, was dieser über Generationen begeisternde Sport in diesem Land sein will und sein kann, schadet dem deutschen Fußball schon länger. Nur jetzt, in der Krise, kann es jeder sehen.

(Quelle: https://zeitung.faz.net/faz/sport/2020-05-14/1e753034332cd31e005e5e61e998c24f/?GEPC=s3)

Die Corona-Krise hat unendlich viele schlechte Seiten, aber sie bringt auch etwas Gutes. In Zeiten der Krise zeigt sich der Charakter und innerhalb weniger Wochen sind viele Masken gefallen, weitere werden folgen. Wenn z.B. die Herren vom KSV nach 8 Wochen des Zögerns nun bekanntgeben, dass sie generös auf 10% ihrer Bezüge verzichte, aber ihre Aufstiegsprämien blieben unangetastet, dann zeigt das, dass sie nichts begriffen haben. 8 Wochen Zeit zum Denken und trotzdem nichts verstanden oder bewusst ignoriert.. Oder sie wollen einfach nicht, wie dem Kalou-Video zu entnehmen war. Ok, dann muss man sie eben zwingen.