Die DNA ist krank

Man kann diesem Verein ja nun wirklich nicht vorwerfen, er hätte nicht alles versucht, oder? Im Grunde hat man jede menschenmögliche Kombination durch, doch das einzig konstante an diesem KSV ist die Tatsache, dass er immer wieder dann versagt, wenn es darauf ankommt. Und noch eines kann man diesem Verein respektive der jeweiligen Mannschaft, die ihn repräsentiert, vorwerfen, nämlich den immer wieder an die Oberfläche gespülten Hang zur Arroganz. “Wer hinter uns Zweiter wird ist uns egal” (Aaron Hunt 2019), “Wir haben die beste Mannschaft” (Aaron Hunt 2020). erinnern wir uns: Am 25. Spieltag der letzten Saison schlug der KSV den Stadtrivalen FC St. Pauli überzeugend mit 4:0 und war mit 50 Punkten Tabellen-Zweiter hinter Köln (51 Punkte). Der SC Paderborn verlor an diesem 25. Spieltag mit 1:2 bei Erzgebirge Aue und lag mit 38 Punkten ganze 12!!! Zähler hinter dem KSV. Es waren danach noch 9 Spiele zu gehen, es waren noch 27 Punkte zu holen. Nach diesem 25. Spieltag holte Paderborn noch 19 von 27 möglichen Punkten, der KSV noch 6. Nachdem man eigentlich aus einem Kantersieg gegen St. Pauli hätte Selbstbewusstsein und Stärke ziehen müssen, zogen Arroganz und Überheblichkeit ein und aus dem daraus entstehenden Momentum fand man keinen Ausweg mehr. 

Und in dieser Saison? Am 11. Spieltag gewann man im heimischen Volksparkstadion mit 6:2 gegen den vermeintlich stärksten Aufstiegskonkurrenten aus Stuttgart und der Himmel in Hamburg war wieder einmal rosarot. Wie sehr dieses Ergebnis am 26. 10. 2019 jedoch in die Gefühlswelt der Spieler und Verantwortlichen eingedrungen sein musste, konnte man nur 3 Tage später beobachten, denn da verlor man in der 2. Runde des DFB-Pokals gegen den gleichen Gegner an gleicher Stelle mit 1:2. Wie kann das passieren? Wie kann man ein Team mit 6:2 aus dem Stadion schießen und drei Tage später auf exakt dem gleichen Platz gegen den exakt gleichen Gegner mit 1:2 verlieren? Und wie kann es sein, dass der Trainer nach dem Pokal-Aus sinngemäß erklärte: “Ich bin gar nicht so unglücklich über das Aus im Pokal, denn wären wir weitergekommen, hätten wir im Frühjahr, wenn die Meisterschaft entschieden wird, ein zusätzliches Spiel gehabt und dann hätten uns im Endspurt vielleicht die Körner gefehlt”. Allein für diese Aussage hätte der Mann gefeuert werden müssen! Was passierte nun nach dem 6:2 gegen Stuttgart mit dem KSV? Aus den nächsten 17 Spielen mit 51 zu vergebenen Punkten holten die Hamburger noch 22 Punkte. Zum Vergleich: Arminia Bielefeld erzielte in den gleichen Spielen 34 Punkte, der VfB Stuttgart 26. Man sollte sich nichts vormachen – der einzige Grund, warum der KSV noch um den Aufstieg mitspielt, ist die ebenfalls nicht überzeugende Konkurrenz aus Schwaben. 

Aber warum ist das so? Warum passiert das immer und immer wieder? Warum zieht sich diese permanente Versagen ebenso wie ein roter Faden durch diesen Verein wie seine himmelschreiende Arroganz, die man trotz zigfachen Austauschs des Personals nicht in den Griff bekommt? Dabei hat man doch wirklich alles diverse Male durch. Man hatte nach Happel und Zebec den Trainer mit Vereins-Vergangenheit (Magath, Doll, Labbadia, Reimann, Möhlmann, Hollerbach). Man hat es mit Trainern versucht, die ein internationales Renommee repräsentierten (Jol, Stevens, Jara, van Marwijk) und man hat es mit dem Typ “junger, frischer Trainer” versucht (Oenning, Fink, Wolf). Auch der Typ Laptop-Trainer (Slomka, Gisdol) war mal ein Thema und man ist sogar mal so weit gegangen, einen Trainer aus dem eigenen Nachwuchs hochzuziehen (Zinnbauer, Titz), genützt hat es alles nichts, denn eine längere Zeit des Erfolges wollte sich nicht einstellen. Das gleiche Bild zeigt sich übrigens auf der Position des Sportchefs seit 1992 (Bruchhagen, Wehmeyer, Hieronymus, Beiersdorfer, Reinhardt, Arnesen, Knäbel, Kreuzer, Todt, Becker, Boldt). 11 Sportchefs in 28 Jahren, wobei Beiersdorfer 7 Jahre bleiben durfte. Das kann nicht funktionieren. 

Wenn man nun aber alles mindestens 4 mal versucht und wieder verworfen hat und nichts davon hat zu dauerhaftem Erfolg verholfen, dann liegt der Schluss nahe, dass es andere Gründe geben muss. Warum ist dieser Verein, der nicht nur überaus erfolglos seit dem letzten Titelgewinn 1987 agiert, sondern der in diesen Jahren auch noch überproportional viel (fremdes) Geld verbrannt hat, nicht in der Lage, sich weiter zu entwickeln? In den letzten 15 Jahren ist der professionelle Fußball quasi explodiert, die TV- Einnahmen haben sich vervielfacht und die Transfersummen haben sich in kranke Dimensionen entwickelt. Warum ist der KSV der gefühlt einzige Verein, der sich gegenläufig entwickelt, der eben kein Kapital aus einem erkennbaren Trend zieht? 

Da ist zuerst einmal der Plan, also die Idee vom Verein. Das Problem ist: Diese Idee ist nicht vorhanden. Der KSV weiß selbst gar nicht, was er ist und was er sein will. Man hat kein Konzept, weil die innere Struktur des Klubs dieses Konzept quasi verhindert. So muss auch jeder neue Vorstandsvorsitzende, der ein solches Konzept implementieren wollte, frühzeitig scheitern, weil sich der KSV selbst verbietet, erfolgreich zu sein. Man wälzt sich immer noch irgendwie in der Vorstellung, man sei ein großer Verein und etwas Besseres, dabei weiß man im Grunde seines Herzens, dass dies schon längst nicht mehr das Fall ist, sollte es denn jemals so gewesen sein. Der Verein lebt beständig in einer Vergangenheit, die in der eigenen Vorstellung viel größer ist, als sie es tatsächlich war. 

Hinzu kommt, dass jede neue Person, die im Verein eine Führungsposition übernimmt, ihre eigene Agenda besitzt und diese auch gnadenlos verfolgt, weil die Person weiß, dass ihre eigene Halbwertzeit innerhalb des Vereins begrenzt ist. Alle Entscheidungen, die getroffen werden, werden zuerst einmal zugunsten des persönlichen Vorteils entschieden, bis dann irgendwann die Belange des Vereins ins Spiel kommen. Dies führt zu einem immensen Verlust von Kapital, zu einer unausgegorenen Personal-Entwicklung und einem permanent notwendigen Wiederaufbau, der erneut Ressourcen und Geld kostet. 

Zu diesem erstgenannten Primär-Problem kommen dann zahllose weitere hinzu. Die nicht mehr rückgängig zu machende Abhängigkeit von einem fußball-ahnungslosenen “Gönner”, der grundsätzlich die falschen Personalentscheidungen unterstützt und den inkompetentesten Leuten sein Vertrauen schenkt. Die fehlende und vor allem rechtzeitige Kritikfähigkeit und der Kritikwillen der hiesigen Presse, die die sedierte Fan-Gemeinschaft des Vereins leistungsresistent gemacht und erfolgsentwöhnt hat. In Hamburg ist man mit weniger als nichts zufrieden und das liegt maßgeblich daran, dass fehlende Leistung bei gleichzeitiger Mond-Bezahlung nicht nur toleriert, sondern beklatscht wird. Der Verein ist gefangen in sich selbst und für einen erfolgsbegleiteten Ausweg ist es viele Jahre zu spät. Es wird noch irgendwie verwaltet und abkassiert, so lange noch was da ist, dauerhafter Erfolg wird sich in Hamburg nie wieder einstellen. Der geneigte Anhänger wäre gut beraten, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. 

That’s it. 

 

Von | 2020-06-08T07:26:34+02:00 31. Mai 2020|Allgemein|11 Kommentare

11 Comments

  1. Maddin 31. Mai 2020 um 09:07 Uhr

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Damit ist alles über den Verein gesagt!

    Ich war mit meinen Söhnen gegen Heidenheim im Stadion, und was für ein Gruselkick, ich wollte nur noch weg!!!
    Auf dem Weg zum Auto war kein meckern oder wütende Fans zusehen oder zu hören, ne es wurde gelacht oder die waren dicht…
    Unfassbar

    • Volli 31. Mai 2020 um 10:35 Uhr

      Genau! Der Fan hat sich an den Frust gewöhnt ? Deshalb meckert er nicht mehr, sondern fügt sich in sein Schicksal. Aber anstatt sich abzuwenden, und dem Verein damit zu zeigen, dass er eben nicht mehr der große HSV ist, geht er weiterhin ins Stadion. Obwohl er insgeheim weiß, dass es nicht mehr besser wird! Wie Grave es schon schreibt, die DNA ist verseucht und es gibt keine Behandlung. Der HSV ist eine Art Autoimmunerkrankung, der sich von Innen selbst zerstört.

  2. Olaf Beeck 31. Mai 2020 um 10:25 Uhr

    Guten Morgen!

    Das ist die beste Zustandsbeschreibung über den HSV die je gelesen habe. Auch die PK seinerzeit mit van Marwijk.

    Damals habe ich all das noch für Gerede gehalten. Ich habe einfach lange nicht wahrhaben wollen wie verdorben und kaputt dieser Verein ist. Es lag schlicht nicht in meiner Vorstellungskraft. Für mich galt immer die Annahme, das jeder bei derart exorbitanten Gehältern aus sich heraus die Pflicht zur Gegenleistung verspürt.

    Erst seid der von auch von mir unterstützten Ausgliederung ( mit den damals kommunizierten Inhalten) und der dann sich immer schneller drehenden Spirale der Lügen fing ich an die Augen zu öffnen. Was sich seit dem im Volkspark – gesteuert aus der Schweiz – abspielt ist ohne Beispiel. Selbst im dem an sich schon absurden “Theater” Profifußball.

    Die aktuelle sogenannte Mannschaft incl. Trainerteam und den verantwortlichen Personen bilden genau das ab was dieser Verein nur noch ist. Ein erbarmungswürdiges, jämmerliches Gebilde welches seine sportliche Daseinsberechtigung aufgrund der sportlichen und finanziellen Exzesse der vergangenen !0 Jahre verwirkt hat. Da lohnt es sich nicht mehr auch nur einen Gedanken an eine etwaige Besserung zu verschwenden.

    An dieser Stelle möchte ich dem Blogautor für diesen großartigen Blog von heute danken. Es zeigt mir, das es sehr wohl noch Menschen gibt die nicht den Anspruch an Leistung und Gegenleistung verloren haben. Und die Lügen, Verschleierung, Blenden und Dummschwätzen ebenso verfluchen. Generell und natürlich im Kontext des HSV

    Viele Grüße

  3. Hasemmelker 31. Mai 2020 um 12:34 Uhr

    Die „Mannschaft“ wäre deutlich besser ohne den Altherrenfussballer Hunt…. Er ist ein Gesicht des Untergangs, wie einige andere auch.

    Aber solange der Trainer meint, der Aaaron habe eine so hohe Qualität (weiß nicht wo die liegen soll?), wird sich das vermutlich nicht ändern und das Spiel lahm und zäh bleiben…

  4. Hans 31. Mai 2020 um 12:44 Uhr

    Ja, Du hast leider Recht. Aber wohin soll man sich wenden, wenn man fast 60 Jahre diesen Verein liebt und keinen anderen lieben kann? Und vielleicht ist gerade das auch ein Problem dieses Vereins. Der gemeine Fan richtet sich ein in der Situation und findet sich nicht einmal bloß damit ab. Das Immerwiederenttäuschtwerden gehört schon zur DNA eines Fans dieses Vereins dazu. Man ist entsetzt über das Versagen, – aber immer nur kurz. Deswegen meckert auch keiner laut und lange. Man erwartet nichts mehr und guckt sich das nächste Trauerspiel an. So wird es bleiben. Finden wir uns damit ab!

  5. Johnny 31. Mai 2020 um 13:05 Uhr

    Hallo,

    ich bin FCN-Fan und durch Zufall auf diesen Blog gestoßen…ein sehr interessanter Bericht!
    Ich war leider erst einmal zu einem Auswärtsspiel in eurem schönen Stadion (ich glaube es war 2014) und der HSV gewann gegen den “Glubb” aus Nürnberg.

    Ich war schon bei einigen Auswärtsspielen dabei, nur leider wurde ich noch kaum mit einer solchen Arroganz der Heimfans konfrontiert. Leider hat dies bis heute mein Bild über euren Traditionsverein geprägt – schade eigentlich!

    • Tobi 31. Mai 2020 um 16:44 Uhr

      Dazu muss man aber sagen das ich Nähe Nürnberg wohne u fast alle meine Freunde wo andere Fans sind sagen das Nürnberg die schlimmsten u asozialsten Fans hat. Hab ich des öfteren selbst auch mit bekommen. Auch als neutraler bei Schalke , BVB oder gladbach beim Club. Hab ich wo anders noch nicht so erlebt. Viele bekannte auch noch nicht. Da hab ich bei HSV spielen weniger klagen gehört. Auch der ortsansässige Club Fanclub hat oft wegen mit gefahrener fans die grundlos mit club fans Problemen hätte. Aber das nur nebenbei mal. Gibt zuviele kranke bei vielen vereinen die das zu ernst nehmen. Behämmerte idioten

  6. Tobi 31. Mai 2020 um 16:36 Uhr

    Ich sage schon seit dem damaligen Spiel das größte Problem war das pokalspiel. Man hatte einen lauf war hinten stabil u vorne gut. Stuttgart wurde mit 6 2 besiegt. Zu hoch aber verdient. Aber warum hecking dann wechselt u Spieler Pausen gönnt ohne Grund u somit den Lauf u leichtes Geld verschenkt versteh ich bis heute nicht. Das war sein größter Fehler bis dahin. Er hat dann auch weiterhin Spieler in Form auf Bank u diese die Form beraubt. Den lauf muss man mitnehmen in der schlechten Liga u man wär schön oben. Aber hecking wollte zeigen das er mehr Ahnung hat…. seitdem ist er bei mir durch der arrogante schnösel. Amaechi kann doch nicht schlechter sein als ein harnik oder jatta. Kinsombi war bei Kiel der totale anführer. Der muss spielen ( hat nix mit heute zu tun) aber hecking bringt lieber immer wieder Hunt u so Typen wie Moritz. Heute hätte er es auch fast verdummt durch seine wechsel. Warum muss man 5 wechseln. Danach finde ich is es wie bei Freundschaftsspiele keine Ordnung mehr

  7. Demosthenes 31. Mai 2020 um 20:33 Uhr

    „Das war ein schweres Stück Arbeit und am Ende ein Erfolg der Moral“, erklärte Sportvorstand Jonas Boldt. (Quelle: mopo)

    Welches Spiel hat denn dieser hohltönende Vollpfosten gesehen? Das Stehfußball- und Fehlpassfestival der Blindengruppe “Raute in Flaute” gegen den Tabellenvorletzten kann es jedenfalls nicht gewesen sein, da war weder Arbeit noch Moral in Sicht.

  8. Saschas Alte Liebe 31. Mai 2020 um 22:48 Uhr

    Treffende Beschreibung. Das Bild ist ja hier schon häufiger gezeigt, der HSV schon häufiger seziert worden. “DNA” ist, nehme ich an, eher im übertragenden Sinn gemeint, es wird ja nicht biologisch vererbt. Allerdings sind die Wiederholungen bzw. gravierenden Wiederholungsfehler allemal augenfällig, über Jahrzehnte.
    Und HSV Typisches, Haltung, Verhaltensweisen oder diese entblößend bezeichnenden Äußerungen ziehen sich dem berühmten Roten Faden gemäß durch die HSV Biographie. Das deutet auf Ursachen im Biographischen des Vereins, seinem Selbstverstândnis hin, der Selbstwahrnehmung und dem Realitätsbezug. Da scheint es zweifellos Defizite zuhauf zu geben, die stets nur vertuscht, versteckt oder schlicht “wegignoriert” werden.
    Hinzu kommt das alte hanseatische Kaufmannsproblem der “Quantität-Qualität Verwechselung”; also das von schlechten Kaufleuten.
    Und das alles ist offenbar typisches HSV Verhalten, geprägt und weitergegeben über Generationen, und hoch inkubativ zudem für jeden ohne Abstand.
    Die Sozial DNA quasi
    Aber ich wiederhol’ mich wohl …
    Immerhin deutet es auf mögliche Wege aus der eingewachsenen Neurosenschleife hinaus, vielleicht…

  9. Captain 1. Juni 2020 um 08:53 Uhr

    Hallo, ich war auch im Stadion gegen Stuttgart(1:2) und Heidenheim ,0:1 !!! Die Pressekonferenzen schaue ich mir aus prinzip nicht an,NUR GEALBBER und saudumme Fragen der sogenannten Journalisten. Wenn der Finne das 1:0 in der 7.Minute “nicht verstolpert”! hätten der KSV garantiert verloren.Keine Moral in dieser Söldnertruppe und dazu
    ein Trainer der mit der 2.Liga TOTAL überfordert.Mal dahingestellt das er auch nicht viel drauf hat.
    Stimmt nach den Äußerungen des verlorenen Pokalspiels hätter er gefeuert werden müssen OHNE Abfindung,wegen Arbeitsverweigerung.
    Spätestens nach den Äußerungen des Spiels gegen St.Pauli oder AUE !!
    Der größte Witz ist dieser Jansen,wohl an Überheblichkeit und NICHTWISSEN nicht zu überbieten.
    Keine Bange,der KSV wird max. Vierter ,vielleicht nur Fünfter.

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