Es ist ja nicht so, als wäre es nicht zu erwarten gewesen, oder? Denn wer auch nur 3 seiner restlichen Sinne bei sich hat, der wusste genau, was kommen würde. Der Fußball lebt auf der einen Seite von Spannung, auf der anderen Seite von PR und wenn beides nicht (mehr) gegeben ist, haben irgendwann selbst die Härtesten die Faxen dicke. Dieser Punkt scheint nun erreicht zu sein. Was übrigens einige Menschen auch nicht haben können, ist, wenn man sie flächendeckend verarscht. So wollte uns SKY doch neulich noch weismachen, man hätte irgendeine 5plus-Millionen-Schallmauer durchbrochen, dabei waren es nur knapp 3,6 Mio. Weichbirnen, die sich kostenlosen Geisterfußball reinziehen wollten. Und während Ralle Rangnick noch meinte, die Fortführung des deutschen Fußballs hätte positive Auswirkungen auf die gesamte Menschheit 😀 , meinte Kalle Rummelfliege, „dass wir auf der ganzen Welt ein Milliardenpublikum haben werden“. Am Arsch, Freunde. 

Nach mehr als zwei Monaten Pause begann die Fußball-Bundesliga nach der Corona-Zwangspause wieder mit ihrem Spielbetrieb. Die Lust der Fans an den Geisterspielen scheint aber nicht enorm zu sein. Die Zuschauerzahlen der „Sportschau“ sind seit dem Neustart kontinuierlich gesunken. Zuletzt wollten nur noch 3,30 Millionen Menschen den Sport-Klassiker in der ARD am Samstag sehen.

„Wir merken im Moment einen erkennbaren Rückgang des Interesses“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky der Deutschen Presse-Agentur. Die erste „Sportschau“ nach der Corona-Pause mit ihren Spiel-Zusammenfassungen hatten im Schnitt 4,11 Millionen Fans gesehen, die zweite 3,77 Millionen, obwohl an beiden Tagen die Live-Konferenzschaltung am Nachmittag beim Pay-Sender Sky ausnahmsweise frei zu empfangen war. Vor der Corona-Krise lag der Durchschnitt der „Sportschau“ mit 4,81 Millionen deutlich höher.

(Quelle: faz.net)

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Vor Corona, also als noch zahlende Zuschauer die Stadien und die Kassen füllten, wollten deutlich mehr Leute die Spiele der ersten und zweiten Bundesliga verfolgen, obwohl zu dem Zeitpunkt nicht nur andere Sportereignisse lockten, sondern auch zahllose andere Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten, gegeben waren. Oder anders ausgedrückt: Der Profi-Fußball hat aktuell eine Monopol-Stellung, aber es interessiert keine Sau. Dann lieber spazierengehen, in der Nase bohren oder ein Buch lesen? Bitter für eine Sportart, die sich immer für den Nabel der Welt gehalten hat, gell? Doch woran mag das liegen?

Da ist zunächst einmal sicherlich die Tabellen-Situation in der Bundesliga zu nennen, denn wohl niemand zweifelt inzwischen daran, dass die Bayern aus München ihren gefühlt 25.646igsten Titel einfahren werden. Gähn. Aber damit allein ist es nicht erklärt, denn Bayern wird jedes Jahr Meister und früher haben sich die Leute das auch angeguckt, warum also jetzt nicht mehr? Ich denke, vielen ist in den Corona-Zeiten aufgegangen, wie unwichtig die ganze Nummer im Grunde eigentlich ist und wie gut es sich auch ohne sie leben lässt. Hinzu kommt, dass vielen der finanzielle Egoismus der DFL und der deutschen Profi-Klubs deutlich auf den Sack gegangen ist und nun gibt es die Quittung. Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass Geisterspiele gucken nicht gerade Vergnügungssteuer-pflichtig ist, es ist schlicht und ergreifend ätzend. 

„Ich weiß nicht, ob das nicht so herausragende Zuschauerinteresse auch Protest ist“, sagte der Sport-Koordinator. „Aber Fußball ist einigen Menschen im Moment anscheinend nicht so wichtig wie sonst.“ Nach dem Neustart hatte es allgemein viele kritische Stimmen gegeben zur Rolle des Profifußballs, der in der Krise seinen Spielbetrieb wieder aufnahm.

Sein sie sicher, Herr Sport-Koordinator, dass es so ist. Viele ehemalige Fans haben verstanden, worum es den Herren bei der DFL und in den Vereinen geht. Nicht um den Sport, nicht um die Fans, es geht um nichts anderes als die Kohle. Das stößt ab. Das Problem des deutschen Fußballs ist allerdings weitreichender, denn verschmähte Fans kommen nicht zurück und neue rücken nicht nach. Wie verzweifelt auch die Medien um diese Fans (und vor allem Leser und Zuschauer) kämpfen, sieht man an den immer unkritischer werdenden Beiträgen und Kommentaren. Jede Scheiße wird bejubelt wie die Eroberung des Abendlandes, bloß nicht meckern, das verschreckt vielleicht noch die letzten Getreuen. 

Corona hat mit dem Profifußball etwas geschafft, was der geisteskranke Trump mit den unvereinigten Staaten von Amerika geschafft hat: Er hat die Maske runtergerissen und die Wahrheit offenbart, die lange da war, die aber niemand wahrhaben wollte.  Ach, eins noch. Die Facebook-Seite „Lügenpressing“ hat etwas wundervolles beobachtet, was diese gesamte lächerliche Verwissenschaftlichung des einfachen Sports Fußball in Zweifel zieht.

Sind euch mal die Anweisungen bei den Spielen aufgefallen?
Man dachte, da kommen jetzt unfassbare Begriffen wie „abkippen“ oder „90-Grad-Pass“, stattdessen grölen die „Lass die da spielen“ oder „Männer, nur positiv!“

Um das Kreisliga-Feeling perfekt zu machen, fehlen uns noch:

– „Der kann nichts, den kannst Du schießen lassen!“
– „Hol mal einer Wasser!“
– „Schon wieder der 4er!“
– „Schiri, der bedroht mich!“
– „Jungs, wir müssen alle noch morgen arbeiten!“ (Okay, in Dortmund vielleicht nicht!)

Und nach dem Spiel unter der Dusche sagt Boateng zu Lewandowski: „Kann ich mal Shampoo haben? Ich schwöre, nächstes Mal bringe ich wieder mit!“

Ist wohl offensichtlich nicht so viel mit Spielveralberung.de und den ganzen „abkippenden Halb-Sechsern“ den „Laserpässen“ und den „halbverdunkelten Zahnzwischenräumen“, oder? Eine ganze Branche wird enttarnt. Geil!

Zum Schluss möchte ich es nicht versäumen, euch auf ein wirklich interessantes und gut gemachtes Interview hinzuweisen. Es gibt sie also doch noch, die journalistische Qualität.

https://www.zeit.de/sport/2020-06/roger-schmidt-china-buch