Gestern war Sonntag und ich war bei meinen Eltern. Ich bin jeden Sonntag bei meinen Eltern, denn meine Eltern werden in absehbarer Zeit auf mich verzichten müssen. In wenigen Monaten werden ich diesem Land den Rücken kehren und dann ist es halt nicht mehr so einfach, mal eben die 11 Kilometer von Wandsbek nach Meiendorf zu fahren. Mein Vater ist 81 , meine Mutter ist 79 Jahre alt und ich fahre gern hin. Gestern also komme ich an und meine Mutter begrüßt mich mit den Worten: „Heute gar kein Blog?“ Nö, sagte ich, einfach keine Lust. Als Antwort erhielt einen Blick, der eine Mischung aus Unverständnis und Verwunderung signalisierte und sofort dachte ich: „Genau das ist das Problem. Deshalb fühle ich mich jeden Abend oder jeden Morgen nahezu verpflichtet, etwas zu schreiben. Am besten soll es noch exklusiv sein. Anders als das, was man woanders liest. Es soll anders geschrieben sein, bestenfalls ironisch oder witzig oder knallhart. Auf jeden Fall anders.“ Und ich habe mich in dem Moment gefragt:

Warum eigentlich? Warum tue ich mir das hier seit knapp 8 Jahren an? Was habe ich eigentlich davon? Ruhm? Anerkennung? Finanzielle Vorteile? Hofierung durch den Verein? Kreischende Groupies? Mitnichten. Tatsache ist, ich habe überhaupt nichts davon. Ich habe nebenbei eine Firma, die ich über Wasser zu halten habe. In der Zeit, in der ich mich für euch! mit einer Sache  beschäftige, die mich nur noch am Rande interessiert, könnte ich viele andere Dinge machen, die deutlich mehr Spaß bringen. Wäre ich Angesteller eines Verlages/Medienunternehmens und würde in dessen Auftrag diesen Blog schreiben, wäre ich schon seit Jahren arbeitslos. Weil es zwar reichlich Leute gibt, die es gut finden, dass es diese (vor)letzte ehrliche Stimme in diesem dreckigen Fußball-Universum gibt, aber man möchte doch bitte nicht in unmittelbaren Zusammenhang damit gebracht werden. Es ist wie immer und überall im Leben – die Wahrheit darf gern ein anderer verkünden. Und sich dabei die Finger verbrennen, dafür die Nachteile abgreifen, sich permanent dafür beleidigen und bepöbeln lassen. Nach mir der Shitstorm. 

Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht, was gewesen wäre, hätte es diesen Blog (und die frühere Kolumne von Daniel Jovanov auf goal.com) nie gegeben und ich bin mir sehr sicher, dass uns Beiden der KSV unendlich dankbar sein sollte. Denn am Ende sind wir es gewesen, die den Zorn und den Hass und die Attacken der Frustrierten abbekommen haben, die eigentlich an den Verein adressiert waren. Wir sind bepöbelt und beleidigt wurden, wenn der Klub wieder einmal seine Ziele verfehlt hatte und wir darüber berichtet haben. Nicht die Hofschranzen, die ihr Fähnchen immer in den aktuellen Wind gehalten haben, die haben auf sowas keinen Bock. Und wieder habe ich mir die Frage gestellt: Warum eigentlich? Was habe ich davon? Anerkennung ist es sicher nicht und finanziell habe ich von den 8 Jahren Blog nichts als Nachteile gehabt. Warum also? Warum sollte ich auch nur noch einen weiteren Blog schreiben? Ich habe durch meinen Blog Geld gesammelt, welches es meiner Tochter ein wenig leichter gemacht, ihr Studium an der Universtiy of Melbourne so großartig zu absolvieren. Ich bin dafür beleidigt worden. Ich habe Spenden für die armen Tiere und die phantastischen Feuerwehrleute in Australien gesammelt, den Spendenbeleg veröffentlicht und bin dafür als Spendenbetrüger bezeichnet worden. 

Ich habe ein Angebot an euch. Wer Lust hat (und es sich zutraut), dem stelle ich diese Plattform zur Verfügung. Schreibt einen Blog mit einem Inhalt, von dem ihr glaubt, dass es andere interessieren könnte. Natürlich gucke ich vorher drüber, immerhin steht im Impressum immer noch mein Name, aber versucht euer Glück. Und während ihr schreibt, denkt mal drüber nach, wie es wäre, wenn ihr das jeden Tag machen solltet. Und bitte nicht jeden Tag das Gleiche. Und anders sollte es sein. Und witzig. Oder ironisch. Und wenn ihr dann fertig seid, macht euch drauf gefasst, dass es garantiert ein paar Idioten geben wird, die euch für eure Mühe anpissen werden. Und dann stellt euch die Frage, ob ihr das dann auch am nächsten Tag wieder auf euch nehmen wollt. Ohne Gehalt. Ohne Anerkennung. 2011 mal.

Viel Spaß beim Denken. Und beim Schreiben. Ich bin gespannt. Es wird nicht mehr so lange dauern und ihr könnt/müsst/dürft ohne diesen Blog leben. Was lest ihr dann? BILD? Mopo? Abendblatt? Aber nein, die werden ja nur gelesen, wenn sie etwas schreiben, was ins eigene Weltbild passt. So wie in diesen Zeiten, wo globale Unterstützung für einen Pleite-Verein ausgerufen wurde. Es ist nicht nur extrem verlogen, es ist armselig ohne Ende. 

P.S. Blog-Entwürfe gern per Mail.