„Was ich viel mehr vermisse als den Profifußball ist der Freundeskreis, den man so hat, Bierchen zu trinken, seine Freunde zu treffen..“

Das war nun nicht Helm-Peter oder Muh aus Kuh, der das hier absonderte, sondern Supporters-Chef Timo Horn. Und was er während der spielfreien Zeit und des Profifußball-Lockdowns sagte, ist signifikant für so viele Anhänger und Fans der unterschiedlichsten Vereine. Der Fußball selbst, also das Spiel, war selbst für die Hardcore-Jungs (und Mädels) zur Nebensache geworden, zum im Grunde austauschbaren Event mutiert. Wichtig sind die Nebengeräusche, das Treffen von Bekannten und Freunden. Dies fällt nun alles flach, bis auf weiteres sind Geisterspiele angesagt. Und diese Geisterspiele haben nun, Corona sei tatsächlich Dank, dazu geführt, dass man als Anhänger, so man denn will, sich die Spiele so angucken muss, wie sie sind. Fußball pur, ohne Filter. Keine Fangesänge, keine Choreo, keine Gästefans, kein Gang zum Bierstand, keine hitzigen Diskussionen in der Kurve. Nur Fußball. Und dieser Fußball ist, zumindest was die zweite Liga betrifft, schlimm. Grusel-Kicks. Folter-Fußball in Endlosschleifen.

War man normalerweise noch von jede Menge Nebengeräuschen abgelenkt und lag die tatsächliche Aufmerksamkeit auf dem Event Ligaspiel bei knapp über 60%, so muss man sich heute Corona-bedingt die 90 plus 4 Minuten ohne Unterhaltungs-und Ablenkungsschutz antun und dies führt dazu, dass viele jetzt erst begreifen, was man ihnen da jahrelang wirklich vorgesetzt hat. Denn der Fußball in Hamburg war in den letzten Jahren wahrlich nicht besser als heute, er war nur netter verpackt. „Hamburg, meine Perle“ und Dino vorweg, Stadionsprecher als Einheizer, Fangesänge etc. Heute hört man einen Laptop-Trainer, von dem man jahrelang angenommen hatte, er würde nur über abkippende Halbsechser und wandspielende Zahnzwischenräume referieren, Dinge wie „mach schneller“ oder „abspielen, du Penner“ brüllen. Fast wie in der Bezirksliga, nein, genau wie in der Bezirksliga. Auch die perverse Verwissenschaftlichung des Fußballs wurde entmystifiziert, denn all die frei erfundenen Fachbegriffe von Nerds wie Spielveralberung.de hören sich zwar ungeheuer digital an, finden aber im täglichen Betrieb so gut wie keine Anwendung. 

Corona hat den Fußball entzaubert, das ist heute klar. Der zahlende Zuschauer hat durch die Herren Seifert, Rummenigge und Watzke erfahren müssen, dass er akzeptiertes Beiwerk ist, der Fußball im deutschen Unterhaus führt in den meisten Fällen zu Augenkrebs und desweiteren hat das Fanvolk begriffen, dass es sich immer noch um ein Spiel von 22 Männern und einem Ball und nicht um eine Raketenwissenschaft handelt. Danke, Corona. Und dann kommt sowas von Herrn Marcell „Bass“ Jansen: 

Die Leistung gegen Osnabrück war nicht gut. Wir haben aber eine ganz andere Situation als in der vergangenen Runde. Was die Mannschaft in dieser Spielzeit gezeigt hat, war gut. Über die gesamte Saison gesehen, hätte sie den Aufstieg verdient. Und weiter: „Wir müssen uns in den letzten beiden Spielen belohnen. Und die Punkte holen, die wir brauchen.“
 
Was für ein Vogel, der Mann hat wie üblich nichts begriffen. Anstatt einfach mal das zu artikulieren, was alle wissen und sehen, will der den Leuten immer noch irgendwelche Ammenmärchen von „guten Leistungen“ und „verdienten Aufstiegen“ erzählen. Nun, möglicherweise hätte das vor Corona und vor der Geisterspiel-Saison auch geklappt, es hat ja immer geklappt, aber diese Zeiten sind vorbei. Denn nun sehen die Fans den Fußball so, wie er ist. Lahmarschig, uninspiriert, taktisch mangelhaft, technisch katastrophal und darüber hinaus noch stinkend langweilig. Auswendig gelernter PR-Sprech reicht nicht mehr, im Gegenteil, er macht alles schlimmer, weil sich die Anhänger mittlerweile durch diesen Quatsch verarscht fühlen. Und der (Witz)Boldt? 
 
Wir wussten von Anfang an, dass es ein steiniger Weg werden würde“, sagte Boldt. „Dieser Weg wird steinig bleiben, wenn wir aufsteigen. Und er bleibt steinig, wenn wir nicht aufsteigen.“ Boldt nervt das hamburgische Schwarz-Weiß-Denken: „Mir ist wichtig, dass wir nach einem schlechten Spiel nicht in eine tiefe Depression verfallen und nach guten Spielen nicht euphorisch werden. Genau das ist in der Vergangenheit viel zu oft beim HSV passiert.“ Seine sinngemäße Forderung bis Saisonende: Demut, Vorfreude, Identifikation. Und natürlich eine positive Grundeinstellung.
 
Genau. Nachts ist es kälter als draußen und Schuld haben immer die Anderen. Das Problem der Herren wird jeden Tag größer, mit jedem Spiel ohne Filter fragen sich mehr Anhänger, ob es das jetzt tatsächlich war. Dafür haben wir bis zu € 80 bezahlt? Dafür kriegen einige Spieler mehrere Millionen pro Jahr? Dafür habt ihr uns an Kühne verschenkt? Dafür habt ihr euch bis über die Halskrause verschuldet? Dafür braucht ihr 300 Mitarbeiter, diverse Scouts, Analytiker, Co-Trainer etc.? Für dieses Scheiß-Gebolze? Ihr wollt uns doch verarschen.