Ich denke, es ist unstrittig, dass sich beim KSV etwas Grundlegendes ändern müsste, wollte man den Verein vor dem endgültigen Absturz in die komplette Bedeutungslosigkeit bewahren. Die Frage ist nur: Wer sollte das machen? Wer sollte einen solchen radikalen Weg überhaupt anstoßen? Wer hat sowohl bei Fans und Mitgliedern, wie aber auch bei Sponsoren und der Hamburger Wirtschaft so viel Strahlkraft, dass man ihm in einen Kampf folgen würde, dessen Ausgang mehr als ungewiss ist. Denn eines sollte man wissen: Die aktuellen Selbstoptimierer an den Futternäpfen werden das Feld nicht kampflos räumen, warum sollten sie auch? Viel zu bequem ist es dort in den Büros. Keine Leistungskultur, kein Erfolgswille, keinerlei medial-erzeugter Druck. Man macht einfach mal so hin und wenn es nicht klappt (und auffällt), winkt zum Dank auch noch eine saftige Abfindung. 

Was wäre denn die Aussicht, wenn man einfach nur so weitermachen würde? Betrachtet man die bereits thematisierte Ernüchterung und Resignation unter großen Teilen der Fan-Gemeinschaft, würde sich die Abwärtsspirale einfach nur weiterdrehen. Unabhängig davon, ob man nun die nächsten Ehrenrunde (die dritte) in der zweiten Liga dreht oder ob man sich als Kanonenfutter in der Bundesliga zum Abschlachten bereitmacht, die Entwicklung wird die gleiche sein. Warum? Weil eine echte Veränderung gar nicht gewollt ist. Warum kann beispielsweise eine Mannschaft wie RB Salzburg mit einem Altersdurchschnitt von 22-23 Jahren jedes Jahr österreichischer Meister werden und der HSV kauft immer noch Spieler wie Hunt, Harnik. Ewerton, Hinterseer, Moritz etc.? „Nur mit Jungen geht es nicht“ ist wohl einer der am meisten bemühten Sprüche und gleichzeitig einer der dämlichsten. Denn, mal ehrlich, wer von diesen „Stabilisatoren“ hat denn jemals funktioniert? Wer hat sich als echte Verstärkung erwiesen, während er auf der anderen Seite überproportional viel Geld abgreift und gleichzeitig einen Kaderplatz für ein Talent besitzt, welches man irgendwann einmal gewinnbringend weiterleiten könnte.  

Aber zurück zum eigentlichen Thema, welches traurig und aussichtslos genug ist. Ich erinnere mich an die Zeit, als die Mitglieder-Initiative HSVPLUS gegründet wurde und ihr kaum einer eine echte Chance einräumen wollte. Die Hamburger Medien, welche die Notwendigkeit einer signifikanten Veränderung hätten erkennen müssen, hielten sich vornehm zurück und bezogen bis kurz vor der Abstimmung im Volksparkstadion keinerlei Stellung. Allein der Umstand, dass sich einige der (bekannten) Herren im Anschluss und mit der Gewissheit, dass es doch geklappt hatte, als Wegbegleiter und Teile der Initiative feiern lassen wollten, treibt mir heute noch das Frühstück aus dem Gesicht. Sie haben weniger als nichts dafür getan und sie wissen es. 

Getan haben damals andere, aus den unterschiedlichsten Gründen und Motiven und mit den unterschiedlichsten Absichten. Betrachtet man nun rückblickend diese Zeit, so erinnert man sich vielleicht an die Gesichter dieser Bewegung. Rieckhoff, Hieronymus, Jacobs, von Hessen, im Hintergrund Rebbe und anonym Hilke. 2020 sind sie alle nicht mehr da und wollen auch nicht mehr da sein. Problem des Vereins: Es ist niemand nachgewachsen, es gibt keine neuen 83er und die alten haben die Schnauze voll. Noch einmal wird es eine Revolution mit diesen Gesichtern nicht geben und neue „Helden“ hat der KSV seit den späten 80er Jahren des letzten Jahrtausends nicht produzieren können. Dies macht das Dilemma deutlich, in dem sich dieser Verein in diesen Tagen befindet, man hat niemanden mehr in der Hinterhand, der für so etwas wie Erfolg steht. Es kommt einem so ein wenig vor, wie der Opa, der immer noch ein wenig vom Krieg erzählen konnte, wobei Krieg natürlich nicht als Ersatz für Erfolg stehen sollte. Nun ist Opa aber tot und alle Nachfolgenden können nur noch davon berichten, was ihnen Opa erzählt hat, selbst waren sie leider keine Zeitzeugen. 

Fakt ist nun mal, dass dieser Verein in sich selbst und seiner überaus erfolglosen Geschichte der letzten 33 Jahre gefangen ist. Kaum ein Klub steht mehr für Begriffe wie „Versagen“, „Intrigen“, „Maulwürfe“, „Geldverbrennung“, „Luschen“ und ähnlichem und weniger für Titel und Pokale als der KSV. Man muss sich immer wieder vor Augen führen: Dieser Verein, der von sich selbst immer noch denkt, er wäre groß, hat seinen letzten relevanten Titeln 1987 gewonnen, das ist 33 Jahre her. Selbst ein Fußball-Dinosaurier wie Aaron Hunt war zum Zeitpunkt des Pokalsieges noch nicht mal ein Jahr alt. Und seither? 4 oder 5 ganz coole Jahre (2002 bis 2007), davor und danach aber nichts als Elend. Und die Revolte im Jahr 2014? Verpufft wie eine Seifenblase. Eine Chance zur Selbstreinigung, die nicht zurückkommen wird, weil es niemand mehr gibt, der eine ähnliche Ochsentour auf sich nehmen würde. Und es gibt auch niemandem mehr, dem man das ernsthaft abnehmen würde. Zu oft wurden die Mitglieder und Fans von den falschen Propheten, die ihnen von der Abteilung Hofbericht als Allheilmittel verkauft wurden, enttäuscht. Zuletzt waren es Bundesliga-Trainer Dieter „Schnappi“ Hecking und Champions League Sportvorstand Jonas (Witz)-Boldt, die in Hamburg an ihre natürlichen Grenzen gerieten und inzwischen schon wieder mehr weg als noch hier sind. 

Und so verwaltet sich dieser Verein mal schneller, mal langsamer in Richtung Bedeutungslosigkeit. Schade, dass Corona das Dilemma noch einmal deutlicher zum Vorschein gebracht hat. Also schade für die, die noch an so etwas wie Besserung oder Wiederauferstehung glauben wollten. Was nun aber, wie jedes Jahr, passiert – die handelsüblichen Mechanismen greifen. So fangen die ersten Verantwortungsträger an, sich in Stellung und ihre Schäfchen ins Trockne zu bringen. Hecking bemüht den Fußball-Gott, der sauer auf den Dino zu sein scheint, Boldt rückt stückchenweise vom Trainer ab und Wettstein ist wie immer komplett abgetaucht, damit ihm bloß keiner Fragen stellen kann. Das Gleiche gilt für Kühnes Höfling Jansen, der an keinem Mikrophon vorbeigeht, wenn es läuft und binnen Sekundenfrist unsichtbar wird, wenn es hakt. Und die Kollegen von der Presse, die 32 Spieltage lang jeden Scheißdreck abgefeiert haben, fangen wie immer zu diesem Zeitpunkt an, aus allen Rohren zu schießen.

„Der HSV ist nur noch ein nervliches Wrack“ (Abendblatt)

„Für den HSV ist das die gerechte Strafe“ (Mopo)

„Die HSV-Saison steht vor dem totalen Zusammenbruch“ (Mopo)

„So wird der HSV zum Zweitliga-Dino“ (BILD)

„HSV versagt! Jedes Jahr der gleiche Schrott“ (BILD)

„HSV nach Last-Minute-Pleite am Boden“ (Sportbild)

Über die insolvente Hofschranze muss man kein Wort mehr verlieren, der Versager ist peinlich genug. 

Es ist so erbärmlich. Und es ist vor allem nicht mehr umkehrbar. Viel Spaß mit dem Buch 😉

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