„Natürlich werden wir im x-ten Zweitliga-Jahr nicht mehr den teuersten Kader haben können, aber wir werden immer noch einen guten Kader präsentieren können, der um die oberen Plätze mitspielen kann. Und das wahrscheinlich auch im fünften, achten oder zwölften Zweitliga-Jahr“ [Frank Wettstein, CFO beim KSV]

Okay. Nun ist Frank Wettstein nicht dafür bekannt, ein radikaler Wahrheits-Fanatiker zu sein und seine Zahlspiele passen eigentlich auch eher in eine illegale Pokerrunde hinter dem Strip als in ein solide geführtes mittelständiges Unternehmen, aber immerhin hat der Mann ja offengelassen, was er unter „obere Plätze“ versteht. Das kann Platz 1-4 sein, das kann aber auch Platz 4-9 sein, was bei der Betrachtung der Hamburger Situation als durchaus wahrscheinlicher wirkt. Schauen wir uns also die Fakten an, wie sie sich Anfang Juli des Jahres 2020 darstellen. 

Da wäre zuerst die Situation in den Führungsgremien des Vereins. Wie hier im Blog und im Artikel von Daniel Jovanov (https://www.sport1.de/fussball/2-bundesliga/2020/07/2-bundesliga-hsv-machtkampf-um-kuehne-jansen-schaefer-schulz) dargestellt, herrscht dort vieles, aber garaniert keine Einigkeit. Im Gegenteil, sowohl im Aufsichtsrat wie auch im e.V. (Präsidium) ist man in den Selbstzerfleischungsmodus übergegangen, Ausgang ungewiss. Das Problem dabei: Solange es keine beschlossenen und von allen getragenen Weg gibt, gibt es keine Entscheidungen. Und die Saison startet in 7 Wochen. 

Desweiteren ereilte den KSV unmittelbar nach dem Debakel gegen Sandhausen die Nachricht, dass sich sowohl Hauptsponsor Fly Emirats wie auch Stadion-Namensgeber Kühne zurückziehen werden. Natürlich verbreitet man aus dem Vorstand Meldungen, nach denen man sicher ist, diese Lücken bequem stopfen zu können, aber jeder, der 1 und 1 zusammenzählen kann, weiß, dass das Bullshit ist. Absolut jedes Unternehmen muss sparen, sie Corona-Auswirkungen sind noch nicht absehbar. Warum sollte also irgendjemand ausgerechnet für einen Krisen- und Skandal-geschüttelten durchschnittlichen Zweitligisten investieren wollen? 

Nächste Baustelle. Es ist absolut nicht absehbar, ob und wann man wieder Zuschauer in den Stadien sehen wird, dem KSV gehen mit jedem Heimspiel ohne Fans ca. € 1,75 Mio. durch die Lappen. Aber damit nicht genug. An wen will man eigentlich angesichts der aktuellen Situation eine Dauerkarte verkaufen? Und wäre es möglich, wer möchte überhaupt noch? Logen? Business-Seats? Aber optimistisch, wie man in Hamburg nun mal ist, plant man für die nächste Saison einen Kader mit einem Etat von € 24 Mio. (bestensfalls) bis ca. € 17 Mio. (im schlechtesten Fall). Wenn man in Hamburg mit einem Etag von € 35 Mio. schon nicht aufgestiegen ist, wie will man es dann mit der Hälfte schaffen? 

Bereits weg: Papadopoulos (Vertrag ausgelaufen), Moritz (Vertrag ausgelaufen), Samperio (Vertrag ausgelaufen), Letschert (Vertrag ausgelaufen), Schaub (geliehen), Fein (geliehen), Pohjanpalo (geliehen), Beyer (geliehen), Harnik (keine automatische Kaufpflicht), Özcan (verkauft)

Neu gekommen: Onana (ablösefrei aus Hoffenheim)

Tor: 

Pollersbeck (Verkaufskandidat)

Heuer Fernandes (Zweitliga-Durchschnitt, von Hecking enteiert)

Mickel (3. Keeper)

Abwehr:

Leibold (Verkaufskandidat)

van Drongelen (langzeit-verletzt)

Ewerton (Knorpelpatient)

Gyamerah (ev. Verkaufskandidat)

Jung (maximal Durchschnitt)

Bates (soll möglichst verschenkt werden)

David (abwarten)

Ambrosius (naja)

Vangnoman (überschätzt)

Knost (never)

Mittelfeld:

Kinsombi (ex-Königstransfer, überschätzt)

Hunt (um Gottes Willen)

Dudziak (guter Zweitliga-Spieler, ev. Verkaufskandidat)

Kwarteng (Kader-Auffüller)

Angriff:

Opoku (kommt nach Leihe aus der 3. Liga)

Kittel (am Ende eine Enttäuschung, fehlende Einstellung)

Hinterseer (von Hecking enteiert, Zweitliga-Durchschnitt)

Jatta (am Ende der Entwicklung, naiv, aufgrund der neuen Ermittlungen ungewiss)

Narey (verschwunden)

Amaechi (B-Jugend-Fußballer)

Wintzheimer (unterer Zweitliga-Durchschnitt)

Wood (Millionär)

Kein Geld, angesichts Corona keine Aussicht auf großartige Transfer-Erlöse, Zwietracht in allen Gremien, kein Trainer, doppeltes Aufstiegs-Trauma, desillusionierte Fan-Base und dann diese Mannschaft? Na herzlichen Glückwunsch. Nun aber hat der KSV den nächsten Hoffnungsträger, „Black Kloppo“ Thioune. Wie ich bereits geschrieben habe, ich kann den Mann nicht beurteilen, aber wir sollten uns stehst vor Augen führen, was Tatsache ist. Redet man heute über den derzeit erfolgreichsten Trainer der Welt, Jürgen Klopp, so ist man sich heute sicher, dass seine Karriere nicht annährend in diesen Bahnen verlaufen wäre, wäre er 2008 tatsächlich Übungsleiter beim KSV geworden und damals war der Verein noch im Mittelfeld der Bundesliga beheimatet. Heute ist man ein Durchschnittlicher Zweitligist mit massiven finanziellen Problemen, warum sollte also Thioune etwas schaffen, was Klopp unter besseren Voraussetzungen nicht geschafft hätte? Mit einem Rumpfkader, der Stand heute eher gegen den Abstieg als um den Aufstieg spielen wird. Mit einem Vorstand, bestehend aus einem Zahlen-Manipulierer und einem arroganten Selbstoptimierer. Das alles in Corona-Zeiten. Ich möchte wirklich mal wissen, woher die Hüpfer ihren kranken Optimismus ziehen. 

Typisch Hamburg übrigens, dass keine echte Aufarbeitung der letzten Katastrophen-Saison stattfindet. Schnell, husch husch, wird ein neuer Hoffnungsträger präsentiert,  um vom Komplettversagen abzulenken und nachdem man dem alten Übungsleiter erklären musste, dass man ihn sich nicht mehr leisten kann. Keine Fehleranalyse, kein Eingeständnis von Schuld, bloß schnell Deckel zumachen und weiter fuhrwerken. Das Schöne daran: Die verblödeten Anhänger fressen den Köder. Jedesmal.