Fragt ihr euch manchmal eigentlich auch: „Wie kann man all das, was dort im Volkspark wieder einmal und schon seit Jahren passiert, immer noch nicht begreifen bzw. immer wieder verdrängen?“ Welche Blindenbrille muss man tragen oder welchen unfähigen Blindenhund beschäftigen, damit all das, was derart offensichtlich ist, einen immer wieder brachial vom Stuhl haut, wenn es dann Wochen später in den einschlägigen Gazetten der üblichen Hofberichterstatter zu lesen ist. Liegt es an mangelnder Bildung, am falschen medialen Einfluss oder ist einfach nur eklatante Verblödung der Grund dafür, dass man die offensichtlichen Abläufe aus St. Ellingen nicht sehen möchte. 

Irgendwann im Juni ereilte den hoffnungsfrohen Fan die Hiobsbotschaft, dass sowohl Fly Emirates (Trikot) wie auch Klaus-Michael Kühne (Stadion) aus ihren Sponsoren-Verträgen aussteigen bzw. diese nicht verlängern würde. Binnen Sekundenfrist kamen die ersten Durchhalteparolen aus Volkspark und Redaktionsstuben, dass dies doch nun wohl das gerinste Problem sei. Immerhin käme man als großer KSV vor lauter Strahlkraft kaum in den Schlaf, die Fan-Base explodiere demnächst und überhaupt ist alles sensationell bei diesem Verein. Resultat: Der gemeine Hüpfer freut sich, lehnt sich zurück und glaubt. Wenige Wochen später kristalisiert sich dann die Wahrheit heraus, eine Wahrheit, die jeder, der unfallfrei bis  4 zählen kann, schon wusste, als die Ausstiege bekannt wurden. 

Die Suche läuft auf Hochtouren. Nach dem Ausstieg von Hauptsponsor „Emirates“ und Stadion-Namensgeber Klaus-Michael Kühne fahndet der KSV nach zwei Großsponsoren, die ihm pro Saison zusammen mehr als fünf Millionen Euro in die Kasse spülen sollen. Zum Trainingsstart Anfang August könnten die Profis aber erst mal mit blanker Brust auflaufen.Ein Zustand, der sich auch durch die Vorbereitung ziehen könnte. (Quelle: Mopo.de)

Ach wirklich, wer hätte das gedacht? Offenbar waren die Experten in der zukünftigen Wir-kaufen-dein-Auto.de-Arena vom Ausstieg ihrer beiden größten Partner kalt erwischt worden und hatten in schöner KSV-Tradition keinen Plan B. Und das alles trotz Strahlkraft, Reichweite und Fan-Base. Woran liegt das? Nun, das liegt zum einen an der Unfähigkeit der handelnden Personen, aber nicht nur. Es liegt auch an Corona und damit daran, dass die wenigsten Unternehmen selbst wissen, wo sie im Oktober stehen werden. Es liegt aber auch daran, dass absolut jeder über den finanziellen Zustand des Vereins Bescheid weiß und entsprechend pokern kann. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird der KSV ein Angebot annehmen müssen und dann wird garantiert über die Abteilung Hofbericht mal wieder verkündet, wie gigantisch das Engagement des neuen Sponsor-Partners gestaltet wird. Ich empfehle an dieser Stelle mal die Hälfte zu glauben. 

Nächste Baustelle, die Transfers. Auch hier wissen  inzwischen alle Vereine von Estland bis Tansania, in welchen finanziellen Problemen die Hamburger mittlerweile gefangen sind. Warum also sollte man ein Angebot über Marktwert abgeben? Ich erinnere an den Fall Douglas Santos. Der brasilianische Nationalspieler sollte die große Cash Cow in Hamburg werden, mit einem damaligen Marktwert von € 10 Mio. mutmaßten einige Opfer einen Transfererlös von mehr als € 25 Mio., zumal die Position des Linksverteidigers außerordentlich begehrt war. Pustekuchen. Knapp € 12 Mio. erhielt man aus St. Petersburg und das war sogar der einzige Verein, der überhaupt etwas bot. Was also wird nun nach und vor der nächsten Zweitliga-Saison passieren?

Stand heute hat der Coach mit Jonas David (20) und Stephan Ambrosius (21) exakt zwei Frischlinge fürs Abwehr-Zentrum zur Verfügung. David machte vergangene Serie ein Zweitliga-Spiel (für wenige Sekunden beim 1:1 in Wiesbaden) und wurde dann nach Würzburg ausgeliehen. Ambrosius war im „Finale“ gegen Sandhausen (1:5) 44 Minuten – 43 mehr als David – auf dem Rasen. Der KSV sucht zwei Neue fürs Abwehr-Zentrum. Noch ist aber keiner da, der das „brutale Potenzial“, das Thioune im Kader sieht, noch verbessert. (Quelle: Bild.de)

Im Moment sehe ich nur einen Spieler, den der KSV mit ein wenig Geld an den Mann bringen könnte, Tim Leibold. Für den Ex-Nürnberger wären vielleicht zwischen € 2 Mio. und € 3 Mio. drin, mehr nicht. Dann aber bräuchte man für den besten Spieler der letzten Saison einen Ersatz und wenn man sieht, wie die Herren dort auf den Ausstieg ihrer Sponsoren vorbereitet waren, kann einem Angst und Bange werden. Nächste Frage: Warum sollte ein Spieler aus der 2. oder 3. Reihe von Vereinen wie Bayern, Dortmund, Leipzig, Leverkusen etc. noch nach Hamburg kommen? Wegen der Aussicht auf bestenfalls Mittelfeld-Ambitionen und im schlechtesten Fall Abstiegskampf? Mehr bezahlen als die Konkurrenz kann der Verein auch nicht mehr und inzwischen wechseln Talente von beispielsweise Bayern München eher nach Darmstadt als nach Hamburg. 

München – Der FC Bayern verleiht ein Abwehrtalent nach SPORT1-Informationen in die Zweite Liga. Auch eine Kaufoption steht im Raum.Seine Ausleihe war schon länger geplant, nun steht sie kurz vor dem Abschluss. Nach Informationen von SPORT1 wird sich Lars Lukas Mai zur kommenden Saison dem SV Darmstadt 98 anschließen. Neu-Trainer Markus Anfang soll sich um Mai intensiv bemüht haben.

Also, was wird passieren? Der KSV wird extreme Probleme haben, die Lücken zu schließen, die Fly Emirates und Kühne hinterlassen haben. Sie werden ihre Spieler nicht los, jedenfalls nicht zu vernünftigen Preise und sie kriegen auf dem Markt nur noch Spieler wie Gjasula oder Schäffler, jemand anderes wird einen Bogen um Hamburg machen, wenn er eine Alternative hat. Dieses ist das Bild von einem komplett herunter gewirtschafteten Verein, dessen Verfall nicht mehr aufzuhalten ist. Und auch Coach Thioune wird nicht lange brauchen, um zu erkennen, wo er hier gelandet ist.

Ich habe noch ein kleines Bonbon für euch, eine Information, die ich bereits vor Jahren in diesem Blog thematisiert habe, die nun aber in einem Interview des Abendblatts in einem Nebensatz beiläufig erwähnt wurde. 

Anders als früher würde man als Berater aber nicht mehr Unsummen bei jedem Wechsel verdienen. In der Theorie soll jeder Agent „nur“ noch rund zehn Prozent vom Bruttojahresgehalt des Spielers als fortlaufendes Honorar vom Verein bekommen. In der Praxis gaben die Bundesligaclubs im vergangenen Jahr dann doch wieder mehr als 200 Millionen Euro aus.

Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist, aber so sieht nicht die vom Abendblatt erwähnte Theorie aus, sondern das ist seit vielen Jahren Praxis. Ich selbst habe eine dieser Listen, natürlich vom KSV, gesehen und konnte es nicht glauben. Denn es bedeutet nichts anderes, als: Für jeden Spieler, der beim Verein unter Vertrag steht, bezahlt der Klub jedes Jahr, so lange der Spieler im Verein ist, 10% des Bruttogehalts an die Berater. Also bekommt bzw. bekam Kühne-Freund Struth während der Bundesliga-Zeit jedes Jahr knapp € 450.000 vom KSV, weil sein Mandant Bobby Wood hier auf Bank bzw. Tribüne saß. Wie gesagt: Nicht einmalig, sondern jedes Jahr. Bei jedem Spieler, der unter Vertrag steht. Und die wundern sich, dass sie pleite sind. Entsprechend relativiert kann man auch den Mannschafts-Etat betrachten, denn durch diese Praxis wird aus einem € 20- Etat unmittelbar ein € 18 Mio-Etat, da bekanntlich 10% jedes Jahr an die armen Berater geht. 

Wahnsinn.

Die belämmerten KSV-Hüpfer bekommen endlich ihren eigenen Strand