Wohl an keinem anderen Beispiel lassen sich Fehleinschätzungen, Ahnungslosigkeit, Überheblichkeit, Amateurhaftigkeit, Geldverbrennung und am Ende auch der endgültige Niedergang eines Vereins in Rekordzeit so anschaunlich beobachten wie am Beispiel des Spielers Lasse Sobiech. Hierzu ein kurzer Auszug aus meinem Buch „Alles andere ist Propaganda“, nachzulesen auf den Seiten 11 und 12. 

Am 12. 07. 2013 kaufte der HSV für 1,4 Millionen Euro einen Innenverteidiger von Liga-Konkurrent Borussia Dortmund. Nach einem Jahr und 10 Bundesliga-Einsätzen lieh man den Spieler an den Stadtrivalen FC St. Pauli aus, wo er in seiner ersten Saison 31 Spiele absolvierte und 4 Treffer erzielte – das Ganze natürlich ohne Leihgebühr. Selbst nachdem der Innenverteidiger eine überdurchschnittliche Zweitliga-Saison am Millerntor hingelegt hatte, hatte man im Volkspark weiterhin keine Verwendung für ihn. So beschloss man, den Mann abgeben zu wollen. Die Einschätzung des Hamburger Sport Vereins war im Jahr 2014, dass man für diesen Spieler keinen Transfererlös generieren könnte, also müsse es einen anderen Plan geben.

Man fragte also bei St. Pauli nach – und die Herren waren gesprächsbereit. Man traf sich. Am Verhandlungstisch angekommen, eröffnete der HSV-Verhandlungsführer und damalige Sportchef des Vereins, dass man den Spieler gern bei St. Pauli belassen wolle, könne aber bestenfalls eine Abfindung in Höhe von 500 000 Euro an den Verein am Dom bezahlen, mehr ginge nun wirklich nicht. Eine sehr eigenartige Herangehensweise, die noch verrückter wird, wenn man weiß, dass die Verhandlungspartner des Stadtrivalen sich vor dem Termin einig waren, dass sie für den Spieler maximal 750 000 Euro Ablöse würden bezahlen wollen.

Als ihnen nun der Sportchef des großen HSV eine Abfindungszahlung in Höhe einer halben Million Euro anbot, suchten die Herren vom Kiezklub nach der versteckten Kamera und traten sich unter dem Tisch gegenseitig die Schienbeine blutig, aus Angst, dass sich noch einer verquatscht und diesen »Glücksdeal« gefährden könnte. Nun – der Spieler wurde wenig später Kapitän des FC St. Pauli und wird in der nächsten Saison mit dem 1. FC Köln in der Bundesliga spielen, im Gegensatz zum HSV. Möglicherweise ist der HSV nicht allein, wenn es darum geht, solche Anfängerfehler zu begehen, aber allein dieser Fall ist außerordentlich symptomatisch für diesen Verein.

Das war 2013 bzw. 2014 und Innenverteidiger Sobiech war 23 Jahre alt. Beim KSV sah niemand Potenzial, obwohl man ihn selbst für teures Geld gekauft und nicht etwa ablösefrei verpflichtet hatte. Heute nun, im Jahr 2020 und eine Liga tiefer, sucht der Verein händeringend nach bezahlbaren Manndeckern, weil der eigene Nachwuchs, obwohl deutsche U-Nationalspieler, den eigenen Ansprüchen immer noch nicht genügt. Tatsächlich hatte man sich auch für den Kauf bzw. eine Leihe des ehemaligen KSV-Spielers Sobiech interessiert, doch der Spieler, vor Jahren noch mit Abfindung vom Hof gejagt, liegt nicht mehr in den Möglichkeiten eines abgewirtschafteten Klubs. Sobiech lässt sich lieber in die Schweiz zum FC Zürich verleihen, anstatt sich ein zweites Mal St. Ellingen anzutun. 

Noch deutlicher kann man nicht erkennen, wie fertig und abgewrackt dieser Verein ist. Ein Spieler, der in jungen Jahren nicht gut genug war, geht heute, im Spätherbst seiner Karriere, lieber in die Schweiz als nach Hamburg. Sowas schafft…

NUR DER KSV!