Neulich hatte ich eine überaus interessante Diskussion mit einem Freund, der sich doch tatsächlich ein Pokalspiel zwischen einem Zweit- und einem Fünfligisten angetan hat. Seine frustrierte Meinung nach dem Abpfiff: „Alter, war das schlecht. Das tut in den Augen weh, wenn du das siehst. Nicht nur die unterklassige Mannschaft, auch die Profis. Das ist ja überhaupt nichts“. Stimmt, das ist überhaupt nichts. Und es dokumentiert am Ende nur das, was man besonders in der zweiten Liga und darunter zu sehen bekommt, wenn man es dann sehen möchte: Technisch unterentwickelte Fußballer neutralisieren sich gegenseitig, selbst weit unterlegene Mannschaften schaffen es, ein Spiel lange offen zu gestalten, teilweise sogar mit einem lucky punch zu gewinnen. Warum ist das so?

Es ist so, weil das System bzw. der Fußball selbst dabei ist, sich zu töten. Heute ist es aufgrund der Athletik und des Laufvermögens der meisten Akteure möglich, technische Nachteile größtenteils aus dem Spiel zu nehmen, das Spiel ist durch Härte, permanentes Pressing oder defensive Disziplin statisch geworden. Zur Folge hat dies, dass die Individualisten aussterben. Erinnert man sich an frühere Zeiten (und man muss gar nicht bis Charlie Dörfel oder Ente Lippens zurückdenken), da gab es international aber auch in der Bundesliga reichlich Individualisten, die in der Lage waren, Spiele mit einer 1 gegen 1-Situation zu entscheiden. Dribblings, Körpertäuschungen, Finten, wenn man Spieler wie Ronaldinho denkt, an Thierry Henry etc. Alles so gut wie vorbei, heute killt die Athletik und die Systemtreue die Schönheit des Spiels. 

Wir haben denn im Verlauf der Diskussion überlegt, welcher Spieler in der Bundesliga noch in der Lage ist, einzelne spektakuläre Aktionen zu kreieren und sind eventuell bei Jadon Sancho hängengeblieben. Dieser überzeugt allerdings mehr mit seiner Antrittschnelligkeit, hat er den dafür notwendigen Raum nicht, kommt auch nicht mehr viel. Dies hat zur Folge, dass die Spiele, besonders in der zweiten Liga, immer austauschbarer und langweiliger werden. Eine Mannschaft wie der KSV, zumindest in der letzten Saison noch mit einem, für die Liga, Monster-Etat, stand sich quasi in jedem Spiel selbst im Weg. Warum? Weil Spieler mit weniger individueller Klasse, aber mit der nötigen Kondition und Systemtreue die technischen Vorteile eliminieren konnten. Steht ein Team diszipliniert in der Defensive, spielt man den Ball gefühlte 4.000 Mal zwischen Außenverteidigern, Innenverteidigern und Torhüter hin und her, hat am Ende 87% Ballbesitz und verliert durch einen abgefälschten Schuss in der 89. Minute. 

Aber das ganze hat noch eine andere Konsequenz. Dadurch, dass die Spiele immer langweiliger und unansehnlicher werden, muss das Event rund um das Match herhalten, um die Fans von tristen Treiben auf dem Rasen abzulenken. Treffen mit Kumpels, Diskussionen, Bier, all das hat inzwischen die Wichtigkeit des eigentlichen Anlasses abgelöst, man kommt vielfach gar nicht mehr wegen des eigentlichen Spiels ins Stadion. Und hier beginnt nun ein Riesenproblem, denn in Zeiten von Corona gibts das beliebte Drumherum nicht, geblieben ist nur der pure Fußball und der ist armselig. Dies fällt auch mehr und mehr denjenigen auf, die sich das Gebolze nun im TV antun müssen und sich fragen, warum sie eigentlich im Volksparkstadion jahrelang Champions League-Preise von € 80 und mehr in der zweiten Liga für ein Event bezahlt haben, welches sie selbst eigentlich erst zum Erlebnis machten. 

Fakt ist: Auch nach Corona wird der (Zweitliga)-Fußball nicht besser, aber dann wissen viele Anhänger, was ihnen dort geboten wird. Ob sich das dann immer noch so viele Hüpfer wie in der Vergangenheit geben wollen, wird die große Frage sein. 

Ach ja, es gibt wieder eine Tipprunde

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