Jeder von euch kann sich bestens an die Namen erinnern, für die man vor nicht allzu langer Zeit ins Stadion gegangen ist. Van der Vaart, Ze Roberto, Petric, Van Buyten, de Jong, Van Nistrlrooy, Kompany, Boateng, Elia, Mpenza. Das Alles ist noch keine 100 Jahre her, einige der Spieler sind noch aktiv, obwohl die Lebensspanne einer Profi-Karriere irgendwo zwischen 10 und 15 Jahren liegt. In diesen Jahren erlebte Hamburg erstmal seit den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts einen Fußball-Boom, das damals noch neue Volksparkstadion war gerammelt voll, in der Saison 2008/09 verkaufte man sage und schreibe 34.000 Dauerkarten. Hamburg spielte in der Champions League und war im Begriff, wieder zu den Großen im europäischen Fußball zu gehören. Man hatte eine Vision, leider war man (in diesem Fall Bernd Paul Hoffmann) nicht in der Lage, diese Vision in Nachhaltigkeit umzusetzen. Und vor allem hatten man eines nicht: Man hatte keinen Plan. Keine Idee von der Zukunft. Schon damals lebte man von der Hand in den Mund, vergaß aber im September 2009, dass es auch irgendwann einmal einen Oktober 2018 geben wird. 

Erinnert ihr euch, welche Rolle ein Verein wie der SC Freiburg in den glorreichen HSV-Zeiten gespielt hat? Keinen. Die Freiburger waren eine Art Fahrstuhlmannschaft aus einer Stadt mit 230.000 Einwohnern, einem Stadion, das irgendwie mehr an die Adolf-Jäger-Kampfbahn als an Camp Nou erinnert und wo die Menschen einen seltsamen Dialekt sprechen. In Freiburg hatte man immer irgendwie den Eindruck, dass dort mehr Studenten als Profis kicken und wenn man nach einem Jahr in der Bundesliga am Ende wieder abstieg, ging die Welt im Breisgau auch nicht unter. Aber man immer etwas, was man in Hamburg nie hatte: Einen Plan. Man bildete aus, entwickelte und verkaufte teuer weiter. Davon lebte dieser Klub und von dem Ruf, dass man sich als junger Spieler dort unter einem Trainer, der nahezu unkündbar war, wunderbar entwickeln konnte. Ich erinnere mich an einen Spruch von Verbrennungs-Düdü Beiersdorfer, der einmal sagte, dass man so wie in Freiburg in Hamburg nicht arbeiten könne. Heute würden sich in Hamburg alle wünschen, man hätte mal so wie in Freiburg gearbeitet. 

Denn der SC ist inzwischen nicht nur etabliertes Mitglied in der höchsten deutschen Spielklasse, der SC Freiburg hat den angeblich „großen“ HSV abgehängt. Nachhaltig abgehängt. Mit ganz wenigen Ausnahmen haben die Freiburger in den letzten 10 Jahren immer mehr Geld durch Transfers eingenommen, als sie ausgegeben haben. Und im Gegensatz zum HSV finden die Freiburger Scouts tatsächlich ab und zu Spieler, auf die man nicht mit drei Mausklicks auf Transfermarkt.de kommt. Max Kruse (€ 0.5 Mio. von St. Pauli), Vladimir Darida (€ 4 Mio. aus Pilsen), Felix Klaus (€ 1,1 Mio. aus Fürth), Roman Bürki (€ 1,8 Mio. aus Zürich), Caglar Söyüncü (€ 7,8 Mio. von Altinordu), Robin Koch (€ 4 Mio. aus Kaiserslautern), Luca Waldschmidt (€ 5 Mio. vom HSV), Philip Lienhard (€ 2 Mio. von Real Madrid). Und man verkauft exzellent.

Meiner Meinung nach kann man am Beispiel Freiburg, aber auch Augsburg oder Union Berlin erkennen, wie falsch der nicht vorhandene Hamburger Weg war und nach wie vor ist. Ohne Plan, ohne Idee, ohne Konzept, ohne USP und ohne Philosophie lebt man seit Jahren nur und ausschließlich von einem Monat zum nächsten. Man hangelt sich von einer Bilanz zur nächsten drohenden Insolvenz, anstatt einmal einen radikalen Schnitt gewagt oder eine Idee entwickelt zu haben. Das Gelaber vom „großen HSV“, welches selbst heute noch jeder neu verpflichtete Trainer oder Spieler in die Mikrophone hustet, ist kein Plan, es ist die blanke Ahnungslosigkeit. Man klammert sich an etwas, was nicht mal war und schon gar nicht sein wird. Gestalten wie Boldt, Wettstein oder auch Mutzel, die mehr damit beschäftigt sind, die eigenen nicht vorhandenen Verdienste nach außen zu kehren, sind garantiert nicht diejenigen, die einen Turn around wollen und schaffen. Sie tun das, was dieser Verein seit nunmehr knapp 15 Jahren tut: Verwalteten statt gestalten. Abzochen statt reinhängen. Verpissen statt mit Leben füllen. Das Stadion ist marode, die Mannschaft ist langweilig, das Geld ist weg, der Verein ist belanglos geworden. Der Zug für den HSV ist abgefahren. 

Den Niedergang dieses Vereins kann man im Übrigen nirgendwo so gut erkennen wie an der medialen Berichterstattung. Neulich sprach ich mit einer ehemaligen Führungskraft des HSV und dieser meinte: „Was ist bloß aus den Hamburger Medien geworden? Da ist ja nichts mehr, nur noch Speichellecker. Im Grunde macht die Medienabteilung des Vereins die Arbeit und alle schreiben ab“. Und er hat Recht. Unkritisch, faul und größtenteils unfähig schützen die Schmierlappen etwas, wovon sie leben, was sie aber eigentlich beobachten sollten. Aber dieser Klub gibt einfach nichts mehr her. Was sind denn die heutigen Nachrichten? Das Athleticum? Leistners Einspruch? Weltstar Heyer? Oder dass der Transfer eines Regionalliga-Bolzers gefloppt ist? Mein Gott, dieser Verein hat vor nicht allzu langer Zeit Champions League gespielt und ist nun unmaßgeblicher als Holstein Kiel. Was für eine Schande.

Wie „Chrissy“ und „Stübi“ zu den Stimmen des HSV wurden. Heilige Mutter Gottes.