„Bis dahin haben wir sensationell gut Fußball gespielt“, erkannte Mutzel (Quelle: Mopo.de)

Nein, Herr Mutzel, hattet ihr nicht. Ihr hattet zwei Tore erzielt, wobei zumindest das zweite durch ein vorheriges Handspiel irregulär war. Ihr hattet mit dem erklärten Aufstiegsfavoriten (Marktwert: € 37,8 Mio.) gegen eine Truppe, die vor Saisonbeginn ihre besten Spieler (Dorsch und Kleindienst für jeweils € 3,5 Mio. nach Gent) abgegeben haben (Marktwert: € 14,8 Mio.) nicht überzeugt. Aber eben diese lächerlichen Behauptungen von überragenden Leistungen sind einer der Gründe, warum man in Hamburg jedes Jahr wieder in vorzeitige Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit fällt. Aber es ist nicht der einzige Grund…

Sicher ist euch der Begriff „selbsterfüllende Prophezeiung“ geläufig, oder? Es handelt sich laut Wikipedia um eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt und so sicher wie auf den Tag der Abend folgt, fällt der KSV früher oder später in seine Jahreskrise. Dabei ist nicht das „ob“ die entscheidende Frage, sondern das „wann“. Diese Saison hat es die selbsternannten Aufstiegsfavoriten deutlich früher als in den letzten Jahren ereilt, was zwei unterschiedliche Szenarien nach sich ziehen kann. 

  1. Man nimmt sich seine traditionelle Schwächephase am relativen Anfang der Saison, lernt aus ihr, hat sie dann hinter sich und geht gestärkt aus ihr hervor. 
  2. Man fällt diesmal früher in das erwartete Tal der Tränen, fängt an, sich gegenseitig zu zerfleischen, zerbricht an der medialen Berichterstattung, die zwangsläufig beginnt und fliegt richtig aus der Kurve. 

Wer den Verein in den letzten Jahren intensiver verfolgt hat, wird wissen, welche Version die wahrscheinlichere ist, aber es könnte ja auch mal ganz anders kommen. Wer allerdings den bereits zu diesem Zeitpunkt aufkeimenden Abgesang auf den neuen Trainer registriert, der kann Schlimmstes erahnen. Denn eines wird diese Krise auf brutalste Art und Weise zeigen: Der Verein hat nicht nur auf dem Platz keine Führung, er hat sie auch im Vorstand nicht und im Aufsichtsrat erst Recht nicht. Der Vorstand, bestehend aus zwei selbstgerechten Underperformern, ist im Wesentlichen damit beschäftigt, sich gegenseitig den Black Peter zuzuschieben und ich bin zu 100% sicher, dass sich diese Haltung umso mehr verstärken wird, je tiefer es in der Tabelle geht. Denn wie bekannt ist, hat Sportvorstand Boldt nichts mit den Finanzen am Hut, während Finanzgröße und Chef-Sanierer Wettschein sich bei den Transfers raushält. Schuld am Drama hat natürlich keiner von Beiden und entsprechend fühlt sich auch keiner für eine Lösung zuständig. Das gleiche Bild in dieser Karikatur eines Aufsichtsrats, den ein Präsident Pinselreiniger führt, der mehr durch inhaltsfreie Worthülsen als doch Impulse auffällt. 

Eines fällt nach zwei Punkten aus vier Spielen aber wieder einmal auf, nämlich die landesweite Häme, die dieser Verein jedesmal einstecken muss, sobald sich die Herren in den kurzen Hosen gegen eigentlich unterlegene Gegner blamieren. Ich habe das Gefühl, dass es keinen Klub in diesem Land gibt, dem mehr Leute ein krachendes Scheitern wünschen als dem KSV. Woher kommt das? Nun, ich habe meine Theorie, aber die muss man nicht teilen. Ich denke, dass der KSV diese landesweite Ablehnung durch seine absolut ungerechtfertigte Arroganz ausgelöst hat. Ein Verein, dessen Kampfruf „Nur der HSV“ lautet und in dessen jahrelangem Vereinslied den Bayern immer noch die Lederhosen ausgezogen wurden, obwohl die gleichen Lederhosenträger die Champions League gewinnen, während man selbst beständig gegen den Abstieg spielt,  bettelt quasi um fächendeckenden Hass. Und wenn diese Großschnauzen dann auf die Fresse fallen, ist die Freude umso größer. 

Das HSV-Virus

Es dauert genau vier Spieltage und die Herren drehen ihr Fähnchen. Plötzlich und wie von Zauberhand wird wieder einmal die Legende vom grasierenden „HSV-Virus“ bemüht, der nun sogar die arme Malta-Säule Ulreich befallen hat. Doch was genau soll dieses Virus eigentlich sein, wer hat ihn eingeschleppt und wie infiziert man sich? Bei der Suche nach einer Antwort muss man realisieren, wie lange es dieses Virus schon gibt bzw. wann man meint, es das erste Mal enttarnt zu haben. Und dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass so gut wie jeder Teilbereich des Vereins mehrfach ausgetauscht wurde, der Schädling aber blieb im Organismus KSV. Dutzende unterschiedliche Aufsichtsräte, diverse Vorstände, unendlich viele verschiedene Trainer und unzählige Spieler haben den Verein in den letzten 20 oder mehr Jahren beglückt und, häufig mit Abfindung versehen, wieder verlassen, das Virus blieb. Also? Was ist das Einzige, was sich in all der Zeit nicht verändert hat? Richtig, es sind die Medien. Diverse der vorwiegend männlichen Schmierlappen und Hofschranzen sind elend-lange dabei und sie sind es, die ihre Art und Weise nie geändert haben. Am Anfang bzw. vor der Saison wird jedes-verdammte-Jahr alles in und um den Verein abgefeiert. Jeder neue Vorstand  hat die Weisheit mit Löffeln gefressen, jeder neue Aufsichtsrat ist im Besitz des ultimativen Netzwerks. Der neue Trainer ist ENDLICH der Übungsleiter, der den Verein ans Licht führen wird, die neuen Spieler sind durch die Bank Superstars, die eigentlich alle wahlweise bei Real Madrid oder Manchester City hätten spielen können, die aber aus unerklärlichen Gründen ihr Herz für den Verein aus dem Volkspark entdeckt haben und deshalb auf mehrere Millionen pro Jahr verzichten. Das Ganze garniert mit ein paar Juwelen zwischen 19 und 24, um die den Verein die halbe Premier League beneidet und es beginnt die wilde Fahrt. 

Jeder Fliegenschiss wird gefeiert wie ein Halbfinalsieg in der Europa League, jedes Testspiel gegen dänische Drittligisten gibt Aufschluss darüber, dass nun endlich der Leistungsknoten geplatzt ist. Am Anfang funktioniert etwas, aber dann kommt die Delle. Und ausgerechnet die Vollpfeifen, die die Wochen zuvor jede Drecksleistung noch gedeckelt hatten, weil die Punkteausbeute, aber nicht die Performance stimmte, fallen nun über die Protagonisten her. Wie ein Herde vernachlässigter Hyänen arbeiten sich dann Berufs-Jubler am Verein, seinen Spielern und besonders dem Trainer ab. Anstatt auch nur einmal zu lernen und die Fehler dann zu benennen, wenn sie erkennbar sind, wird rein Ergebnis-orientiert berichtet. Wer gewinnt, egal wie, ist geil. Wer verliert, ob verdient oder zu Unrecht, ist ein Versager. Das ist das HSV-Virus und dafür gibt es kein Vakzin. Natürlich sind nicht allein die Hofberichterstatter Schuld daran, dass Spezialsäulen wie Körperklaus Gisela über ihre eigenen Knochen stolpern oder das Meistersäulen wie Svenni Ulreich plötzlich eine Leder-Allergie entwickeln, aber man kann zu 100% sicher sein, dass jeder im Verein die Ergüsse aus Zeitungen, Zeitschriften, TV-Sendungen und Blogs konsumiert. Und jeder sieht, auf welch inhaltlichem Niveau berichtet wird (s.o.)

Der Trend ist negativ – aber der HSV ist auf Meisterkurs!

Klingt komisch, doch die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. An den ersten acht Spieltagen holte der HSV im Schnitt 2,125 Punkte pro Partie.

Dies schrieb beispielsweise die BILD am 26.11., also vor genau 5 Tagen. „Damals“ war der Verein „auf Meisterkurs“, während eine Niederlage später so getan wird, als stünde der Abstieg unmittelbar bevor. Das große Problem des Vereins: Nicht nur Spieler und Offizielle lesen den Dreck, auch die größtenteils dünn-angerührten Fans und Anhänger konsumieren die mediale Gülle. Und noch schlimmer – sie glauben es. Sie glauben vor der Saison den Juwelen-Dreck, die glauben am Anfang, dass endlich alles gut wird und sie glauben, dass nach vier nicht erfolgreich gestalteten Spielen die Welt untergeht. Sicher, vergleichbare Presse gibt es in anderen Städten auch, aber dort hat man nicht solche Erfahrung mit beständigem Versagen. Denkt mal drüber nach.