Das Traurige ist eigentlich nicht, dass es passiert, das Traurige ist, dass es immer noch passiert. Wir könnten jetzt endlos darüber diskutieren, wie falsch es grundsätzlich ist, gegen etwas zu sein, was nicht ist, wie man selbst und dies geht weit über Rassismus gegen Schwarze, Asiaten, indigen Völkern etc. hinaus. Denn es reicht nicht, „No to racsim“ zu sagen, man muss „no to racism“ auch leben und auch, wenn wir es uns nicht eingestehen wollen, es ist schwerer, als wir alle glauben. Zwei Beispiele. Ich habe in der Vergangenheit desöfteren den Begriff „Black Kloppo Thioune“ benutzt und ich habe ihn zu 100% nicht deshalb benutzt, um darauf hinzuweisen, dass der aktuelle Coach des HSV afrikanische Wurzeln hat.  Der Mann ist am 21. Juli 1974 in Georgsmarienhütte/Niedersachsen geboren und damit mindestens genauso Deutscher wie ich, der 10 Jahre zuvor in Hamburg-Eimsbüttel geboren wurde. Ich habe den Begriff benutzt, um auf ironische Art und Weise darauf hinzuweisen, dass einige Fans den Mann bereits auf eine Schwelle mit dem Liverpooler Trainer heben wollen und die leichteste Abgrenzung zu Klopp ist nun mal seine Hautfarbe. Der Umstand, dass ich dies als nicht wirklich fragwürdig und relevant empfunden habe, ist ebenso bedauerlich wie falsch und ich werde in Zukunft auf diese Begrifflichkeit verzichten. Warum? Nicht, weil Thioune nicht „black“ ist, denn das ist er und ich bin sicher, er ist zu Recht stolz darauf. Sondern weil andere Unterscheidungsmerkmale zwischen Klopp und Thioune eine Rolle spielen sollten und diese Mühe muss man sich machen. 

Das Problem unserer Zeit ist, dass man im Umgang mit Rassismus, Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, im Grunde im Umgang mit allem, was anders ist als man selbst, mehr falsch als richtig machen kann. Äußert man sich nicht, gilt man als feige und eventuell doch auf der „falschen Seite“. Äußert man sich, wird jede Silbe der Äußerung auf politische Korrektheit abgeklopft und man gerät ganz schnell in Gefahr, eine Äußerung zu tätigen, die man bestimmt richtig gemeint, aber mißverständlich ausgedrückt hat. Das zweite Beispiel. Ich habe mit meiner Tochter, die bekanntlich in Australien lebt, gesprochen und dabei den Begriff „Abo“ als Abkürzung für Aborigines benutzt und meine Tochter meinte entsetzt: „Um Gottes Willen, tu das bloß nicht hier. Das ist so, als würdest du das N-Wort benutzen“. Dazu muss man wissen, dass ich die Aborigine-Kultur extrem faszinierend und den Umgang der weißen australischen Bevölkerung mit den wahren Australiern widerlich finde, insofern lag mir garantiert nichts ferner, als diese Menschen zu beleidigen. Problem war: Ich wusste es einfach nicht. Jetzt weiß ich es und werde es in Zukunft unter Garantie nicht mehr verwenden. 

Wie kommen ich überhaupt auf dieses Thema? Am Dienstag fand das Champions League-Spiel zwischen Paris St. Germain und Basaksehir FK statt und im Verlauf der Partie hat der 4. Offizielle nach eigener Aussage den Begriff „negru“ für den Co-Trainer Pierre Webò der türkischen Mannschaft (ich wollte zuerst „der Türken“ schreiben, aber allein das klingt ja irgendwie nach Vorurteil) benutzt. Der Schiedsrichter kommt aus Rumänien und erklärte, das Wort „negru“ bedeutet auf Rumänisch „schwarz“, er hat also einen Schwarzen als Schwarzen bezeichnet. Wahrscheinlich würde sich Webò überhaupt nicht darüber echauffieren, als Schwarzer bezeichnet zu werden, denn schließlich ist er schwarz und das lässt sich kaum leugen, aber Webò störte der Unterschied, der gemacht wird, denn der Schiedsrichter hätte wohl nie gesagt, dass „der Weiße“ Co-Trainer von PSG sich falsch verhalten hätte. Der Umstand, dass daraus ein Spielabbruch mit anschließender Wiederholung erfolgte, zeigt, wie sensibel dieses Thema ist und wie außerordentlich vorsichtig man inzwischen mit derartigen Begrifflichkeiten umzugehen hat. 

Für uns weiße Männer, die wohl in einer einzigartigen Position sind, nämlich in der, so gut wie nie in irgendeiner Form diskriminierend verfolgt zu werden, ist die Sache kompliziert. Denn zum Einen können wir aus eigener Erfahrung nicht einmal im Ansatz ermessen, was es heißt, diskriminiert zu werden, zum Anderen stehen wir ständig in Verdacht, in irgendeiner Art und Weise diskriminierend unterwegs zu sein. Sei es gegen Menschen, deren Haut eine andere Pigmentierung haben, sei es gegen Frauen, die im Jahr 2020 immer noch um ihre natürlichen Rechte kämpfen müssen. Eines weiß ich sicher, ich bin kein Rassist. Aber ich weiß, dass aufgrund meiner Lebensgeschichte rassistische Begrifflichkeiten zu meinem natürlichen Sprachgebrauch gehörten, obwohl ich sie selbst überhaupt nicht als rassistisch empfunden habe. Allerdings geht es nicht darum, was ich als rassistisch oder sexistisch empfinde, sondern was die Betroffenen empfinden. 

Wie gesagt, ein extrem schwieriges und polarisierendes Thema, über das zu sprechen und zu schreiben anstrengend ist, aber dennoch muss man es tun. Eines weiß ich aber ebenfalls, nämlich welche Art von Menschen ich nicht leiden kann. Ich hasse Betrüger, ob sie nun weiß, schwarz, rot oder blau sind. Ich hasse Egoisten, ob sie nun hetero, schwul oder bi sind und ich hasse Profiteure, ob sie nun männlich, weiblich, beides oder nichts sind. Die Eigenschaft ist entscheidend und nicht die Hautfarbe, die Herkunft oder die sexuelle Ausrichtung und so muss sich sowohl ein weißer Profiteur wie auch ein schwarzer Betrüger gefallen lassen, dass man ihn als das bezeichnet, was er ist. Gleiches Recht für alle. Wichtig ist und bleibt, dass jeder bereit ist, permanent an sich selbst und seinem Umfeld zu arbeiten.

An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für all die tollen Spenden gestern. Es ist großartig zu sehen, was einigen dieser Blog im Laufe der Jahre wert geworden ist.