Der KSV ist Tabellenführer der zweiten Liga und wird diese Führung auch nach Ende des heutigen Spieltages nicht verlieren können. Soweit, so gut. Im Volkspark klopft man sich gegenseitig bis zum Ödem auf die Schultern und beglückwünscht sich gegenseitig. Soweit, so schlecht. Denn, mal ehrlich gefragt, ist das schon alles? Ist das alles, was die erneut teuerste Mannschaft der Liga und der Verein mit dem größten personellen Aufwand (292 feste Mitarbeiter) auf die Reihe kriegt? 1 1/2 halbwegs überzeugende Spiele gegen Gegner mit dem Bruchteil des eigenen Etats und ansonsten Simon Terodde. Denn nicht nur die BILD und ich haben festgestellt, dass der Verein ohne den Ex-Kölner gegen den Abstieg spielen würde. Natürlich kann (und muss) man sagen, dass ein Mittelstürmer zum Team gehört und am Ende des Tages dafür bezahlt wird, dass er Tore macht, aber seine gesamte Zukunft auf die Gesundheit eines 32-Jährigen zu setzen, das springt deutlich zu kurz. Hinzu kommt, dass die Momentaufnahme Tabellenführung auch in den letzten beiden Jahren eine zeitweilige Tatsache darstellte, die jeweiligen Endergebnisse sind wohl allen noch in bester Erinnerung. Also? Kann man mehr erwarten?

Wir reden nicht nur vom teuersten und wertvollsten (nach Transferwerten) Kader der Liga, wir reden auch davon, dass der KSV vor der Saison einem Liga-Konkurrenten den Trainer für € 500.000 abkaufte. Wenn ein Verein, dem das Wasser finanziell bis zum Hals steht, einen durchschnittlich erfolgreichen Übungsleiter mit etwas Zweitliga-Erfahrung für so viel Geld aus seinem Vertrag herauskauft, muss er scheinbar etwas in ihm gesehen haben. Entsprechen die bisherigen Leistungen, aber auch die einzelnen Leistungsentwicklungen der Spieler diesen Erwartungen? Nein, tun sie nicht. Coach Thioune redet zwar viel und probiert auch viel aus, aber ohne Simon Terodde würde er sich bereits wieder auf dem Trainermarkt befinden. Das alles ist für den finanziellen und personellen Einsatz schlicht und ergreifend zu wenig. 

Es heißt, dass Geld keine Tore schießt. Tut es doch, jedenfalls dort, wo gut gearbeitet wird. Die Mannschaften mit den höchsten Marktwerten der Bundesliga sind Bayern München (€ 891,4 Mio.), Borusssia Dortmund (€ 615,2 Mio.), RB Leipzig (€ 552,68 Mio.),  Bayer Leverkusen (€ 343,45 Mio.) und Borussia Mönchengladbach (€ 343,13 Mio.) Man vergleiche dies mit der aktuellen Tabelle. Der KSV ist Liga-Primus des Unterhauses mit einem Kaderwert von € 37,78 Mio., aber er stümpert sich ein müdes 1:1 gegen Nürnberg (€ 22,03 Mio.) zusammen, er spielt 2:2 gegen St. Pauli (€ 17,3 Mio.), spielt 1:1 gegen Holstein Kiel (€ 16,98 Mio.), verliert das Heimspiel gegen den VfL Bochum (€ 18,23 Mio.) mit 1:3, verkackt mit 2:3 in Heidenheim (€ 14,85 Mio.) usw. Wenn aber das investierte Kapital angeblich nicht ausschlaggebend für zukünftige Leistungserwartungen und erst Recht keine Garantie für Erfolg sein soll, warum macht man es dann nicht mit deutlich weniger Geld und weniger finanziellem Risiko? Weil man den Erfolg erzwingen statt erspielen will. Ich behaupte, dass Vereine wie Kiel, Heidenheim oder Fürth (Kaderwert: € 12,7 Mio.) weit vor dem Verein aus St. Ellingen stehen würden, hätten sie vergleichbare finanzielle Möglichkeiten. Warum? Weil dort einfach besser gearbeitet wird. 

Was aber „behindert“ nun eigentlich eine dem finanziellen Einsatz entsprechende adäquate Performance? Die oberkritische Hamburger Medienlandschaft kann es kaum sein, denn die existiert höchstens in den feuchten Träumen einiger unterdurchschnittlich intelligenter Dauerhüpfer. Der KSV wird vom Heer der Hamburger Hofberichterstatter supportet bis zur Selbstverleugnung, die aktuellen Machthaber können Geld verbrennen und fuhrwerken, wie es ihnen beliebt, Kritik gibt frühestens dann, wenn der Schlüssel für den Dienstwagen dauerhaft am Brett hängt. Nun, Gründe gibt es viele, aber der Hauptgrund (meiner Meinung nach) ist die niemals verhandene Leistungskultur. Niemand, nicht im Verein und auch nicht in den Medien fordert eine Leistung ein, die dem finanziellen Aufwand entspricht. Jeder ist mit jedem und mit sich zufrieden. Beispiel: Headbanger Himbeer-Toni Leistner twittert gestern selbstzufrieden, dass man den Punkt in Nürnberg „gern mitnimmt“. Herzlichen Glückwunsch. 

Doch genau damit geht es los. Will ich aufsteigen, will ich mich verbessern, will ich mit aller Macht zurück in den Bundesliga, dann kann ich mit einem solchen Spiel wie gestern und mit diesem erstümperten Punkt nicht zufrieden sein. Dann muss ich mehr wollen und mehr von mir erwarten. Nicht so im Volkspark, in dem sich heute wieder alle gegenseitig auf die Schultern klopfen werden und sich gegenseitig erklären, wie geil sie sind. Und am Ende kriegt man dann eine 1:5 Heimpackung gegen Sandhausen (€ 13,33 Mio.) Sorry, aber dafür, dass man deutlich mehr Geld in die Hand nimmt als 96% der Konkurrenz, dass man den Gegnern den Trainer wegkauft, dass man einen Sportvorstand von einem Champions League-Teilnehmer verpflichtet hat, dass man 292 Mitarbeiter beschäftigt, kann man nicht nur mehr erwarten, man MUSS mehr erwarten.