https://www.webcountdown.de/?a=bVJirm2&fbclid=IwAR3SCVIjDQouhes_ykwyEgeEt0ajD4sKhtRKy2IKEDIAbKucfCAkOGHscTo

Gucken wir zuerst auf die Zahlen, denn die lügen bekanntlich nicht.

Nach dem 22. Spieltag hat der KSV exakt 42 Punkte gesammelt, eigentlich nicht so übel. Nach dem 22. Spieltag der Saison 2019/20 waren es 41, am gleichen Spieltag der Saison davor waren es 44 gewesen, beide Mal reichte es am Ende der Saison bekanntlich nicht zum Aufstieg in die Bundesliga. In der Rückrunde das aktuellen Spielzeit „thront“ man auf Platz 9 mit 6 Punkte, man kann aber noch weiter abrutschen, sollte entweder Paderborn oder Heidenheim heute gewinnen. Wie war dies in den Jahren davor? Saison 2019/20 war man nach dem 22. Spieltag Erster der Rückrundentabelle (11 Punkte), davor belegte man Platz 8 (7 Punkte).  Wie nennt man das nun? Rückschritt? Stillstand? Oder Punxsutawney? Fakt ist: Der KSV holt während seiner gesamten Zeit in Liga zwei in der Rückserie gegen die gleichen Gegner immer weniger Punkte als im Sommer/Herbst des Jahres davor. Woran könnte das liegen?

Verletzungspech? Aktuell sind bei den Hamburgern die überragenden Akteure Leistner und Gjasula verletzt, der Langzeit-Invalide van Dingeldong steht beinahe wieder zur Verfügung. Kann dies ein Grund sein, dass man einfach nicht mehr so spielt (und punktet) wie am Anfang der Serie? Nein, kann es nicht. Denn die Säulenspieler Körperklaus Gisela und Himbeertoni Leistner haben in Hamburg wirklich viel gezeigt, überragende sportliche Performance war nicht dabei. Gjasula fiel mehr durch fußballerischen Slapstick auf, Leistner durch blindes Gekloppe, Sprintfähigkeit einer Weinbergschnecke und Unfähigkeit, Kritik in sozialen Medien standzuhalten. Und ehrlich: Wenn eine Mannschaft nicht in der Lage ist, den Ausfall zweier Ü-30-Spieler zu kompensieren, hat sie im Aufstiegsrennen auch nichts verloren. Was ist es also dann, was den Meinungs-Taliban unter den Hüpfern das Zittern ins Stimmchen treibt und die Verbitterung körperlich spüren lässt?

Ist der KSV entschlüsselt? Dies war beispielsweise eine Erklärung der letzten Jahre, in denen man immer nur in der Lage war, ein System runter zu spielen. Die Gegner konnten sich auf den immer gleichen Stil der Rothosen einstellen, denn einen Plan B gab es nicht. Dies sollte unter Experimentier-Künstler Thioune anders werden, wurde es aber nicht. Die Mannschaft hat keine Balance mehr, der Mannschaft fehlt es wieder einmal an der nötigen Fitness und vor allem fehlt es an einem, an dem es in Hamburg seit so vielen Jahren fehlt: An der Einstellung. Irgendwie gelingt es keinem Übungsleiter auf Dauer, die gelernte Wohlfühloase aus den Köpfen der Spieler zu bekommen, es fehlt meiner Auffassung nach aber auch an der nötigen Ansprache. Als Spieler mag man natürlich einen Chef, der sich grundsätzlich vor die Mannschaft stellt, aber wenn man nach 6 von 15 möglichen Punkte davon spricht, dass man „von einer Krise weit entfernt“ ist, ist man als Trainer dabei, die Kontrolle zu verlieren. Besonders dann, wenn andere Angestellte in ein anderes Horn blasen. 

Kapitän Leibold: „Es war die Einstellung, die wir haben vermissen lassen – von der ersten Minute an.“

Sportchef Mutzel: „Keine Frage, es war von Anfang bis Ende ein beschissenes Spiel“.

Allerdings beeilte sich auf Taschenbillard-Spieler Mutzel zu betonen, dass man sich keineswegs in einer Krise befinden würde, dann dazu hätte man „zu viele gute Spiele gemacht“. Naja, wenn er meint. Tatsache ist: Erneut weigert man sich im Volkspark, die Situation so zu bewerten, wie sie ist – dramatisch. Torhüter Ulreich wird von Spiel zu Spiel mehr zu einer sportlichen Belastung, bevor er in der nächsten Saison (Vertrag bis 2023) mit einem Gehalt von € 2,5 Mio. zu einer finanziellen Belastung wird. Die Abwehr hat Drittliga-Format, Spieler wie Kittel oder Kinsombi zaubern pro Spiel nur 20 Minuten und auch das nur in jedem 5. Spiel und Torgarant Terodde hat neuerdings Scheiße am Fuß. Wie dreht man diese Entwicklung nun um? Gute Frage, aber zuerst müsste man zugeben, dass man sich in einer gefährlichen Situation befindet, dies scheint dem Großteil der Spieler nicht bewusst zu sein. Außerdem wäre es an der Zeit für ein Statement des Sportvorstandes, aber der scheint dafür nicht genügend Zeit in Hamburg zu verbringen. 

Würde man nun eigentlich zur Lachnummer Deutschlands werden, wenn man ein drittes Mal den Aufstieg verkackt? Trotz Schalke? Nö, denn das ist man längst. Es hat sich rumgesprochen, dass man in Hamburg gut leben und noch besser verdienen kann, dauerhafte Leistung gehört nicht zur Jobbeschreibung. Und noch was und dies ist an die Herren in der Führung gerichtet: Mit Gelaber und Medien-Kooperation wird man nie die Atmosphäre einer Hochleistungskultur implementieren können. Die Frage ist allerdings: Wollen die das überhaupt? Schließlich ist doch relativ cool, in der zweiten Liga Spitze, anstatt in der Bundesliga Kanonenfutter zu sein. 

Was den sportlichen Bereich betrifft, stelle ich mal eine wenig steile These auf: Was wäre, wenn der KSV in den ersten 18 Spielen der Saison, zumindest ergebnistechnisch, überperformed hat? Wenn man einfach gnadenlos effektiv war und sich diese Effektivität nun im Laufe der Saison relativiert? Dann wäre man nämlich am Ende des Tages das, was man tatsächlich ist – ein Verein, der einen ungeheuren Aufwand betreibt und einen kaum zu stemmenden Kraftakt wagt, um im Kreis von Mannschaften, die dies wesentlich günstiger und mit wesentlich weniger Personal hinkriegen, um den Aufstieg mitzuspielen, aber diesen nicht garantieren kann. 

Währenddessen zerstört die BILD einen überbewerteten, überforderten und überbezahlten Torhüter: „Wackelfuß und Flutschfinger“ und weist darauf hin, dass mit Heuer Fernandes ein erfahrener Keeper auf der Bank sitzt. Hätte man das vor 4 Wochen geschrieben (oder am Anfang der Saison, wie ich), wäre man standrechtlich gesteinigt worden. Wie sagte doch Martin Semmelrogge in „das Boot“? Unruhige Zeiten 😀