Gestern hatten wir das Thema Metzelder, das Thema Boateng ist schon älter, aber immer noch aktuell. Marco Reuss fuhr einmal monatelang ohne Führerschein und war dann fast schon schockiert, als man ihn deshalb zur Verantwortung zog. Allerdings, und auch das fällt auf, bekommt man den Eindruck, dass prominente Sportler, besonders Fußballer, anders behandelt werden, teilweise sogar strafrechtlich, als der Rest der Bevölkerung. Ich möchte auch an dieser Stelle erneut an das Beispiel Jatta/Daffeh erinnern, der von den Hamburger Behörden in einer Hauruck/Nacht-und-Nebel-Aktion von allen Vorwürfen freigesprochen werden sollte, bis dann der öffentliche/mediale Druck eine Unter-den-Teppich-kehren-Aktion verhinderte. Daraus ergeben sich zwei Fragen. 

  1. Wie kommt es, dass besonders junge Profi-Fußballer scheinbar den Eindruck haben, sie stünden über dem Gesetz und für sie würden die Regeln, die für alle anderen Steuerzahler gelten, nicht gelten? 
  2. Warum werden prominente „Straftäter“ zumindest dem Gefühl nach, juristisch anders behandelt als der Rest von uns? 

Ich bin ehrlich, ich habe darauf keine abschließenden Erklärungen, aber ich habe Vermutungen. Man stelle sich einmal vor, man ist ein 15-jähriger, talentierter Kicker und haust in irgendeinem Nachwuchsleistungszentrum. Ich habe einmal ein Spiel der KSV-Regionalliga-Truppe besucht und auf der Tribüne saßen ein paar Jungs aus der U17 und U18. Was mir auffiel: Die meisten von den Pickelträgern halten sich bereits in dem Alter für unendlich wichtig und um sie herum schwirren Dutzende von 15-17-jährige Mädchen, aufgerüscht wie zum Abtanzball, die ihre Aufmerksamkeit erhaschen wollen. Es war wirklich eine absolut surreale Szene. Das ist der Anfang und so geht es dann weiter. Mit 18 der erste Porsche, mit 19 der erste bemalte Unterarm. Wenn man dann vielleicht schon das eine oder andere Spiel absolviert hat, welches im TV übertragen wurde, können diese Jungs eigentlich nirgendwo hingehen, ohne erkannt und hofiert zu werden. Es stellt sich die Frage, ob man nicht außerordentlich charakterfest sein muss, um sich unter diesen Umständen wie ein normaler 18-Jähriger zu verhalten. Hinzu kommt erschwerend, dass die meisten dieser Jungs auch inhaltlich nicht die hellsten Kerzen auf der Torte sind. 

Die gesamte Welt, in der sich diese unfertigen Persönlichkeiten bewegen, scheint sich um sie zu drehen. Andere Prominente, die sie aus dem Kino kennen, wollen mit ihnen fotografiert werden, wirklich jeder Vollpfosten buhlt um ihre Aufmerksamkeit. Und vielleicht kommt ab einem bestimmten Moment der Zeitpunkt, an dem der eine oder andere Kicker denkt, dass Gesetze nur für Normalsterbliche gelten. Die österreichische Volltapete Marco Astronautovic, wirklich kein angehender Physik-Nobelpreisträger, hat einmal zu einem Polizisten, der ihn auf einer Autobahn wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten hatte, gesagt: „Was willst du Depp von mir, ich könnte dein Leben kaufen“. Exakt an der Stelle beginnt das Problem, denn diese Jungs haben bereits in jungen Jahr derart überproportional viel Kohle zu Verfügung, dass sie denken, sie könnten sich überall „rauskaufen“. Sei es bei einem Verkehrsdelikt oder eventuell auch irgendwann einmal bei einem Gewaltdelikt. Man muss allerdings nicht unbedingt unter 20 sein, um solche Anwandlungen zu haben, denn auch die Herren Hoeneß (Steuern, Finanzgeschäfte) und Rummenigge (unverzollte Uhren) waren sich keiner Schuld bewusst, obwohl sie gegen das Gesetz verstoßen hatten. 

Auf der anderen Seite haben wir das Verhalten bzw. Vorgehen der Behörden und hier kommt es einem so vor, als würde mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Während ein Normalbürger mit empfindlichen Maßnahmen zu rechnen hat, scheint es so, als könne man sich als gut situierte Bolzer aus der einen oder anderen Schwierigkeit „rauskaufen“. Möglicherweise liegt es daran, dass viele Ermittlungsbeamte oder Staatsanwälte wenig Lust auf den Auftritt im Rampenlicht haben, den ein Verfahren mit einem prominenten Fußballer/Sportler zwangsläufig mit sich bringt. Dann doch lieber die Geschichte außergerichtlich lösen und alle sind glücklich. Zur Folge hat das natürlich, dass ein Unrechtsbewusstsein bei den Tätern gar nicht erst entsteht und man sich mitten in einer Pandemie schnell auf den Weg zum Coiffeur des Vertrauens oder dem Goldsteak-Koch macht. 

Alles in allem ist diese Situation natürlich grotesk und nicht hinnehmbar und es geht auch immer nur so lange gut, wie der „Täter“ bei den Anhängern und Fans wohlgesonnen ist. Denn steht man als Spieler oder Funktionär bei Verein oder Verband auf der Abschussliste und hat seinen Wert verloren, sollte man sich lieber hüten, aus der Reihe zu tanzen. Das darf man nur, wenn man ins Schwarze trifft, aber diese Erkenntnis reift bei vielen zu spät.