Ein Gastblog von Uli Gisa

Hallo Zusammen,
 
Nachdem ich jetzt schon seit ungefähr fünf Jahren hier regelmäßig
mitlese und aus der Ferne die zum Teil wirklich unglaublichen und
haarsträubenden Geschehnisse beim HSV verfolge, wurde ich letztendlich
durch das Lesen in der HSV-Arena ermutigt, mal meine eigene ganz
persönliche „Fußball-Geschichte“ aufzuschreiben, die aus der Perspektive
eines von Geburt an Querschnittgelähmten vielleicht doch etwas
ungewöhnlich, aber hoffentlich nicht uninteressant ist. Denn wenn ich,
der also nie jemals gegen auch nur einen einzigen Ball getreten hat,
jetzt was über Fußball schreibe, das ist ja ungefähr so, als wenn ein
Blinder über Farbe spricht, oder?
 
Ich würde mich jedenfalls riesig freuen, wenn Ihr Euch die Zeit nehmen
könntet, meine doch etwas länger gewordene Geschichte zu lesen. Es geht
in diesem Rückblick nämlich neben dem HSV, mit dem alles angefangen hat,
um noch ein paar weitere Bundesliga-Vereine. Außerdem um den SSV Ulm
1846 (Fußball) und um diverse Turniere der früheren
Fußballnationalmannschaft, jetzt ja nur noch „Die Mannschaft“.
 
Und ich bin mir zwar nicht so sicher ob die Passagen, in denen es um die
Ulmer geht, für die Hamburger so Interessant sind, aber das könnt Ihr ja
überspringen. Die Geschichte stammt ursprünglich vom Mai 2019 und ich
habe sie jetzt noch etwas aktualisiert.
 
Gruß Uli
 
Ich möchte einfach mal mit dem Vereinsfußball anfangen, später kommt
dann noch etwas von der Nationalmannschaft bei diversen Turnieren hinzu.
 
In The Beginning, back in ca. 1979; Der HSV mit Kevin Keegan
 
Also… Ich komme aus Ulm an der Donau, bin seit Geburt Querschnittgelähmt und sitze deshalb im Rollstuhl. Und nachdem ich mich als keiner Junge wenn mein Vater Fußball im Fernsehen anschaute oft gefragt hatte, was denn daran jetzt so toll ist wenn da ein paar Männer in kurzen Hosen hinter einem Ball hinterher rennen, sah ich Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre im Fernsehen plötzlich einen kleinen und wuseligen Mann mit einem dunklen Lockenkopf, der am Ball alle seine Gegenspieler mit einer scheinbaren Leichtigkeit und Eleganz umkurvte wie Slalomstangen. Der Mann ist Engländer feierte vor kurzem seinen 70. Geburtstag, heißt mit mit Vornamen Kevin und spielte damals in der Bundesliga bei einem damals großen Verein in einer noch immer großen Stadt in Norddeutschland. Das was dieser Typ da auf den Rasen zauberte fand ich irgendwie faszinierend, ohne aber genau zu wissen warum eigentlich. Aber ich habe ab da meinen Vater wenigstens ansatzweise verstanden, warum er sich am Wochenende die Sportschau anschaut. Schließlich habe ich immer öfter auch die Sportschau geschaut und wurde dabei mehr oder weniger wegen Kevin Keegan zum HSV-„Fan“. Das Fan steht dabei extra in Anführungszeichen, da ich nie ein richtiger Fan war, sondern eher „Sympathisant“, das passt meiner Meinung nach besser.
 
 
Der FC Bayern München mit Breitner und Rummenigge
 
Dann wenige Jahre später, immer noch Anfang der 1980er Jahre, fand ich
das Duo Breitner/Rummenigge so unglaublich toll. Paul Breiter als der
unermüdliche Antreiber und Chef im Mittelfeld mit hochgekrempelten Armen und Karl-Heinz Rummenigge als Torjäger. Also wurde ich zum FC
Bayern-„Sympathisant“. Wieder ein paar Jahre später tauchte in Köln
Pierre Littbarski auf, wurde mein absoluter Lieblingsspieler und Uli war
so natürlich auch „Fan/Sympathisant“ des 1. FC Köln. Irgendwann merkte
ich dann aber dass es doch ziemlich albern ist, die Lieblingsspieler und
die Mannschaften, zu denen man in der Bundesliga hielt, so oft zu
wechseln wie Andere vielleicht die Unterhosen. Es gab dann auch über
einen langen Zeitraum keine Mannschaft mehr in der Bundesliga zu der ich
hielt. Und auch ohne eine Lieblingsmannschaft hatte ich aber weiterhin
noch immer Spaß an der Sportschau und habe mir auch regelmäßig den
(Montags)-Kicker geholt.
 
Der HSV war inzwischen in der Bundesliga für mich auch nur ein Verein
von vielen anderen. Aber natürlich habe ich mich doch sehr über das
goldene Tor von Felix Magath am 25. Mai 1983 in Athen gegen Juve
gefreut. Und Obwohl geografisch der VfB Stuttgart der nächstgelegene
Bundesligaverein ist hat mich komischerweise damals der VfB nie so
richtig interessiert. Aber z.B. die Förster-Brüder als Abwehr-Bollwerk
fand ich natürlich damals auch gut. Im Kicker habe ich zu diesem
Zeitpunkt immer alles gelesen und den Inhalt fast auswendig gelernt. Es
führte dazu, dass bei mir heute noch viele Namen von Bundesliga-Spielern
der 1980er-Jahren hängengeblieben sind, von denen ich auch noch von
einigen ohne nachzuschauen ihren damaligen Verein und manchmal auch noch die Position weiß. Und wenn dann kurz vor Saisonbeginn das dicke rote Bundesligaheft rauskam war das damals quasi jedes Jahr ein „Feiertag“
für mich.
 
 
Der SSV Ulm 1846 in der zweiten Liga
 
In der Saison 1983/84 schließlich, als der FC Schalke 04 gerade in die
zweite Liga ab- und die Ulmer Spatzen vom SSV Ulm 1846 dorthin
aufgestiegen waren, bin ich auch öfter im Donaustadion gewesen. Mit
unter anderem dem 1:0-Sieg der Ulmer gegen Schalke (mit dem ganz jungen
Olaf Thon) als einem der Höhepunkte. Ich habe damals auch alles
gesammelt, was in den Zeitungen über die Ulmer geschrieben wurde. Leider hat dann meine Begeisterung irgendwann dann doch wieder nachgelassen und ich bin erst einmal für eine ganze Zeit lang nicht mehr in einem Stadion gewesen. Auch die ganzen Zeitungsartikel hatte ich inzwischen (leider) alle weggeschmissen und nur noch die ganzen Kicker-Hefte behalten. Die Bundesliga habe ich Samstagnachmittags im Radio mit der legendären Bundesliga-Schlusskonferenz gehört und den Montags-Kicker noch immer regelmäßig gelesen und gesammelt. Das waren also die 1980er-Jahre.
 
 
Borussia Dortmund im Westfalenstadion
 
In den 1990er Jahren wurde mir dann neben der Berufsausbildung erst mal
die Rockmusik mit AC/DC & Co. wichtiger als Fußball. Aber die Bundesliga
im Radio und Fernsehen sowie Montags-Kicker wurden weiter verfolgt bzw.
gekauft und gelesen, wenn auch längst nicht mehr so intensiv. Bis ich
dann im Rahmen meiner Berufsausbildung in Nordrhein-Westfalen die Chance
bekam, mal zu einem Bundesligaspiel von Borussia Dortmund mitfahren zu
dürfen. Damals war dort ein gewisser Horst Köppel Trainer und es
spielten dort z.B. Michael Rummenigge, Frank Mill, der
noch-Doppelpass-Moderator Thomas Helmer und der heutige BVB-Manager
Michael Zorc. Die Stimmung im damaligen Westfalenstadion war dabei
meiner Meinung nach fast immer viel besser als das Spiel. Nachdem ich
bis dahin keine Bundesligamannschaft mehr hatte, zu der ich gehalten
habe, wurde ich so schließlich zum BVB-„Sympathisanten“. Davon zwei
Jahre sogar mit Dauerkarte. Den HSV habe ich dabei aber auch nie ganz
aus den Augen verloren. Nach ingesamt drei schönen Jahren ging es dann
schließlich wieder zurück nach Ulm. Dort kickten die Spatzen, inzwischen
in der damals noch drittklassigen Regionalliga Südwest, mehr schlecht
als recht, vor sich hin. In der Saison 1993/94 spielte dort u.a. auch
Joe Zinnbauer im Mittelfeld. Und ich habe mich über die beiden
Meisterschaften der Dortmunder 1995, 1996 und dem CL-Sieg, ausgerechnet
in München, 1997 als Krönung riesig damals gefreut. Ohne natürlich zu
ahnen was das noch für Spätfolgen für den BVB haben sollte.
 
Der sensationelle Durchmarsch des SSV Ulm 1846 in der Bundesliga mit
anschließendem tiefen Fall und Bezug zum HSV
 
In Ulm kam zur Saison 1997/98 der „Fußball-Professor“ Ralf Rangnick als
Trainer zurück. Er hatte in der Oberliga-Baden-Württemberg, damals noch
die dritthöchste Liga, schon einmal ein Jahr bei den Spatzen gespielt.
Nach dem Zweitliga-Aufstieg 1983 wechselte er zur zweiten Mannschaft des
VfB Stuttgart. Wieder zurück in Ulm läutete er schon ein paar Jahre vor
der Jahrtausendwende an der Donau ein neues Fußball-Zeitalter ein. Dies
führte schließlich dazu, dass sich die Spatzen nach einem Durchmarsch
von der Regionalliga für ein Jahr in die Bundesliga „verirrt“ hatten.
Für den inzwischen vom damaligen VfB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder
erneut zu den Stuttgartern geholten Rangnick hatte der bis dahin in
Deutschland eher unbekannte Schweizer Martin Andermatt die Arbeit
Rangnicks mit dem Bundesligaaufstieg erfolgreich veredelt. Das war für
mich natürlich auch das Allergrößte überhaupt. In Ulm, um Ulm und um Ulm
herum war Ausnahmezustand und ich in der Bundesliga-Saison 1999/2000
„mittendrin statt nur dabei“, um mal das Motto des damaligen DSF zu leihen.
 
Im Neuen Jahrtausend gab es dann die Rückrunde eines unvergesslichen
Bundesliga-Jahres 1999/2000. Die Spatzen hatten dabei trotz der
furchtbaren 1:9-Klatsche im März 2000 gegen den Werksklub aus der
Geburtsstadt des allseits bekannten „Tricksers“ Bernie Paul H., sowie
viermal Rot in Rostock durch Schiedsrichter Herbert Fandel (mit dem
legendären, und noch immer auf einer Videoplattform zu sehenden
„Skandal!“-Abgang von Janusz Góra in die Kabine), bis zum letzten
Spieltag die Chance auf den Klassenerhalt und ein zweites
Bundesligajahr. Nicht zuletzt auch dank eines 2:1 Auswärtssieges beim
damaligen Tabellendritten HSV, dessen Torschütze ein gewisser Thomas
Gravesen war. Vielleicht kennt den ja hier auch noch jemand ;-). Aber
Eintracht Frankfurt mit Trainer Felix Magath und Horst Held als Schütze
des Elfmeters zum 2:0 kurz vor Schluss hatten da schließlich etwas
dagegen und so folgte einem (zu) schellen Aufstieg ein genauso schneller
Abstieg. Aber was dann kam ist für mich genauso unvergesslich.
 
Es ging jedenfalls für die Ulmer nach nur einem Jahr zweite Liga mit
anschließendem Lizenzentzug in die erste Insolvenz und somit direkt
runter in die damals fünftklassige Verbandsliga Württemberg. Das alles
war zu viel für mich! ich war raus und wollte vom Ulmer Fußball erst
einmal überhaupt nichts mehr wissen. Die Bundesliga habe ich aber
Samstags im Radio weiterhin verfolgt und Montags noch immer den Kicker
gelesen. Und ich hatte aber in dieser Zeit keine Mannschaft, der ich
besonders die Daumen gedrückt habe.
 
Im Jahr 2009 kam es in Ulm zur Loslösung vom Hauptverein und der
Gründung von eigenem Verein SSV Ulm 1846 Fußball, der dann auch noch
zweimal Insolvenz anmelden musste. Trainer in der Saison 2008/09 wurde
mit Markus Gisdol noch einmal ein späterer HSV-Trainer. Gisdols
Nach-Nachfolger war dann ein gewisser Ralf Becker, der sich einige Jahre
später als… (ja was eigentlich?) beim ehemals großen HSV versuchen
sollte. In der Endphase der Regionalliga-Saison 2008/09 kam dann auch
noch ein Manipulationsverdacht hinzu, infolgedessen drei Spieler
entlassen wurden, die mit der Wettmafia zusammengearbeitet haben sollen. Ob die Vorwürfe letztendlich berichtigt waren, weiß ich aber heute nicht mehr.
 
Ende November Jahres 2010 musste schließlich auch der SSV Ulm 1846
Fußball zum ersten Mal Insolvenz anmelden. Der Trainer Becker trat
damals von selber zurück und sein Vertrag wurde zum Jahresende 2010
aufgelöst. Nur vier Jahre später kam es wegen hohen Spielergehältern zur
insgesamt dritten Insolvenz, bzw. die zweite für den gerade einmal fünf
Jahre jungen Verein SSV Ulm 1846 Fußball. Für den ging es dann in der
Saison 2014/15 in der, nach Einführung der Dritten Liga und den
Regionalliegen, wieder nur fünftklassigen Oberliga weiter. Zwei Jahre
später gelang der Aufstieg in die Regionalliga Südwest in der man jetzt
erst einmal festhängt. Ins Stadion habe ich mich bis heute nicht mehr
getraut, auch nicht beim Sensationserfolg im DFB-Pokal über
Titelverteidiger Eintracht Frankfurt in der ersten Runde im August 2018.
Es war und ist mir zur Zeit einfach nicht mehr wichtig genug. Vielleicht
ändert sich das ja noch eimal
 
Damit aber genug von den Ulmern, bei denen inzwischen wenigstens wieder seriöse Leute am Werk sind die, soweit ich das beurteilen kann, auch Ahnung haben von dem was sie tun. Und das ist ja auch schon mal etwas, auch wenn es denn es soll ja auch Vereine geben, bei denen das
möglicherweise nicht der Fall ist…