Da wären wir also wieder. Also da, wo wir immer zu diesem Zeitpunkt der Saison sind. Es wird wärmer, die Tage werden länger, die Bäume bekommen wieder Blätter und der KSV verkackt die Saison. Daniel Jovanov hat in seinem gestrigen Kommentar bei Sport1.de etwas geschrieben, was ich in unseren Gesprächen auch angeführt habe und von dem ich überzeugt bin, dass es der Realität entspricht.

Es zeigt vielmehr, dass diese Mannschaft phasenweise deutlich überperformte. Die vielen Bälle, die Simon Terodde bisher vor die Füße fielen, fallen nun woanders hin. Die Chancen, die vor ein paar Monaten noch sicher zum Tor geführt hätten, gehen jetzt an die Latte oder knapp drüber. (Quelle: Sport1.de)

Exakt das ist der Fall und es liegt nicht daran, dass Körperklaus Gisela verletzt, Himbeer-Toni Leistner gezerrt und Stolper-Jochen Jung mal wieder das spielt, was er in Hamburg seit 7 Jahren spielt. Die Punkteausbeute der Hinserie war schlicht und ergreifend zu gut und hat den Blick für die richtige Relation getrübt. Wieder einmal fühlte man sich in Hamburg auf dem richtigen Weg und hat dabei ignoriert, dass man längst nicht so gut ist, wie man dasteht. Anders ausgedrückt: Der KSV hatte in der Hinserie außerordentlich viel Glück und einen Terodde, der so gut wie alles traf, was man treffen konnte. Jetzt ist aus dem Glück Pech geworden (Kittels Lattentreffer) und Terodde knipst nicht mehr. Das Ergebnis kann jeder unschwer an der Tabelle ablesen. Wenn man nun aber denkt, dass sich das „schon wieder gibt“ und man bald wieder so performt, wie vor einigen Wochen, so sieht man sich getäuscht, denn der KSV im März 2021 ist deutlich näher am „wahren KSV“ als der KSV im November 2020. Was aber darüber hinaus auffällt…

Der körperliche Zustand. 

Ich hatte vor einigen Jahren mal das Glück, ein längeres Gespräch mit Horst Hrubesch führen zu können und ich fragte ihn damals natürlich nach der Zeit unter den Trainern Zebec und Happel. Hrubesch erklärte dazu Folgendes: „Unter Zebec haben wir trainiert wie die Tiere, wir waren einfach doppelt so fit wie alle anderen. Als dann Happel kam, hat er der fitten Mannschaft einen taktischen Feinschliff verpasst und wir waren quasi unschlagbar“. Sehe ich den KSV im Jahr 2021, dann erkenne ich eine Mannschaft, die nicht austrainiert ist und die das auch weiß. Das Team selbst weiß, dass es das Spiel in den ersten 20 -30 Minuten entscheiden muss, weil man in der zweiten Hälfte kaum noch etwas zuzusetzen hat. Dazu kommen aus meiner Sicht seltsamste Auswechslungen und ein eklatanter Fehler des Trainers. Er hat Wintzheimer aus dem Team genommen, obwohl dieser zum Zeitpunkt seiner Enteierung der beste Offensivspieler war. Damit hat man sich ohne Not einer Waffe beraubt, dem Spieler die Form genommen und die Mannschaft geschwächt. 

Der „Zustand“ des Vereins.

Ich bin mir relativ sicher, dass es einen Zeitpunkt geben wird, an dem man im Verein (Aufsichtsrat?) sagen wird: Es war ein Fehler, keinen Vorstandsvorsitzenden instaliert zu haben. Denn mittlerweile ist es auch für den Blindesten erkennbar: Dieser Verein hat keine Führung. Heimschläfer Boldt ist zwar in der Lage, vor einem Spiel in arrogantester Art und Weise einen Reporter runterzuputzen, nach der Niederlage ist er dann wie gewohnt unsichtbar bzw. schon auf dem Weg nach Düsseldorf. Frankie Wettschein erklärt einmal im Jahr, er hätte mit dem sportlichen Bereich nichts zu tun und Sportchef Mutzel ist zwar ein Profi im Taschenbillard, aber ansonsten sondert er lediglich ein Feuerwerk an Platittüden ab. Wie jeder weiß, bin ich kein Fan von Bernd Paul Hoffmann, aber der hätte spätestens nach dem St. Pauli-Spiel eine „Honeymoon is over“-Ansage gemacht und Leistung für überproportionales Gehalt gefordert. Nur – einen solchen Mann bzw. eine solche Frau hat man nicht (mehr), weil man ihn/sie nicht wollte, weil man wollte, dass sich alle (oberflächlich) lieb haben. 

Aus vier sieglosen Spielen in Folge können schnell fünf, sechs oder sieben werden. Und dann steht der HSV da, wo er leistungsmäßig und gemessen an der fußballerischen Qualität hingehört: nicht auf den vorderen drei Plätzen. (Quelle: Sport1.)

Das stimmt, die Traditions-Krise kommt zu schlechtesten Zeitpunkt überhaupt, denn die nächsten Gegner heißen Kiel (2.), Bochum (1.), Heidenheim (6.), Hannover (8.). Zur Erinnerung: St. Pauli war vor dem Spiel gegen den KSV Tabellen-11. Mit ein bißchen Pech ist man in 3 Wochen auf Platz 7 der Tabelle angelangt und dann ist es zu spät für Reaktionen. Und wie auf Zuruf, die Stellungnahme von Taschenkünstler Josephine Mutzelbacher: 

„Das Ergebnis tut uns natürlich unheimlich weh und leid – für alle HSV-Fans, die natürlich auf einen Sieg gewartet haben, für Leute, die viel arbeiten, und vor allem für die Mannschaft und für das Trainerteam, weil wir wirklich viel dafür getan haben“, sagte Mutzel am Tag nach dem Derby und ärgerte sich: „Ich hatte das Gefühl, dass wir dran sind und dann leider durch vielleicht auch ein bisschen Pech und Unvermögen das Spiel verloren haben. Das Tor kam aus dem Nichts. Deswegen hat es noch mehr wehgetan, weil wir eher das Gefühl hatten, vielleicht machen wir noch eins. Es war ein Treffer, der wehgetan hat.“ Mutzel ist dennoch optimistisch: „Es ist nicht so, dass wir katastrophal spielen. Wir haben die Ergebnisse gerade nicht, aber wir arbeiten weiter. Ich bin mir sicher, wenn wir so weitermachen, kommen die Ergebnisse auch wieder.“

Dafür habe ich leider nur noch ein Wort: Offenbarungseid! 

Der Zustand der Medien.

Möchte man nach einem Begriff suchen, der die Berichterstattung über den KSV umschreibt, wäre man mit „Situations-Journalismus“ ganz gut bedient. Denn steht der Klub an der Tabellenspitze bzw. hat gewonnen, ist alles gut bis perfekt. Völlig egal, wie der Sieg oder die Tabellenführung zustande gekommen ist, wird um die Wette gejubelt, eine wirklich Analyse findet nie statt. Befindet man sich jedoch in einer Krise wie zur Zeit, dann ist wie von Geisterhand plötzlich all das schlecht, was vorher gut war. Warum? Weil man bedient! Man berichtet nicht, man analysiert nicht, man beobachtet nicht, man bedient. Man bedient seine Leser/User mit Inhalten, von denen man denkt/weiß, dass sie in der aktuellen Situation am besten ankommen und entsprechend verkaufen. Und nur darum geht es. Gestern und am Tag davor wollten die erzürnten Anhänger lesen, wie scheiße ihr Verein ist, ab heute wird unter Garantie wieder Hoffnung auf Besserung verbreitet. Weil es verkauft, so einfach ist das. 

Abschließend noch ein Wort zur KSV-Führungsmannschaft, denn sie offenbart eines der größten Probleme dieses Vereins. Aktuell hat man keinen Chef (Vorstandsvorsitzenden), auch deshalb, weil es den Herren Wettstein und Boldt erfolgreich gelungen ist, ein drittes Vorstandsmitglied und damit de facto ihren Chef zu verhindern. Nun steht es nicht in der Jobbeschreibung eines Vorstandsmitglieds, durch übergroße Sympathiewerte auffällig werden zu müssen, der KSV hat es jedoch geschafft, zwei ausgewiesene Kotztüten in den Vorstandsbüros zu beherbigen. Frank Wettstein habe ich persönlich erlebt, über Jonas Boldt habe ich noch von niemandem gehört, dass er ihn mag. Der Mann ist die fleischgewordene Überheblichkeit und unglücklicherweise hat wirklich niemand eine Ahnung, worauf genau sich der Vogel etwas einbildet. Aber es kommt noch etwas hinzu: Keiner von Beiden „ist“ HSV, sie Beide erfüllen zu 100% alle Kriterien von Durchlauferhitzern mit Zeitvertrag. Keiner von Beiden lebt diesen Verein, sie scheinen ihn selbst nach Jahren nicht zu kennen. Kombiniert mit einem Gladbacher als Aufsichtsratsvorsitzenden ergibt das eine tödliche Mischung. Ich erwarte garantiert nicht einen oder mehrere gebürtige Hanseaten im Vorstand, aber man sollte schon zumindest ansatzweise kapieren und akzeptieren, wie hier der Wind weht. 

Und der Trainer? Lässt wenig trainieren und ergötzt sich immer mehr an verbalen Belanglosigkeiten, die irgendwie intellektuell klingen sollen, die aber emotionslos daherkommen. Man bekommt von Spieltag zu Spieltag mehr das Gefühl, es ginge mehr um ihn und seinen vermeintlichen Plan als um den Verein und den Erfolg. Er redet von Lust auf Erfolg und Gier, ist aber nicht in der Lage, dies zu transportieren. Hat er im Verlauf der letzten 22 Spiele einen Spieler „besser gemacht“ oder eine Spieldiee implementiert? Ich kann nichts dergleichen erkennen.