Ein Gastblog von Uli Gisa

Der schleichende Niedergang des HSV
 
Und damit wäre ich wieder beim HSV. Den hatte ich erst wieder verstärkt
auf dem Radar in der Saison 2006/07 als nach desaströser Hinrunde mit
Huub Stevens doch noch die Rettung und sogar der Sprung in den UI-Cup
gelang. Sein Nachfolger Martin Jol war dann wohl, so habe ich es
jedenfalls aus der Ferne wahrgenommen, der letzte Trainer der Ahnung
hatte bzw. der Letzte, der seine Fähigkeiten beim HSV auch wirklich
zeigen konnte. Mit vielleicht leichten Abstichen würde ich da auch noch
Bruno Labbadia und Thorsten Fink dazuzählen wollen. Für Frank Arnesen
als Sportchef gilt, im Nachhinein, dasselbe. Ich muss nämlich gestehen,
dass ich mich damals schon gefragt habe, was das mit den ganzen jungen
Spielern von Chelsea denn eigentlich soll. Und jetzt wollen inzwischen
so viele Vereine junge Engländer … Ich wusste damals auch noch nichts
über die finanzielle Situation beim HSV, die da schon nicht so gut
gewesen sein dürfte. Nach der ersten Relegation 2014 gegen Fürth war ich
dann ziemlich befremdet über ausflippende Fans sowie HSV-Spieler wie
nach einem CL-Sieg. Und auch ich habe dann vergeblich gehofft, dass
zumindest diese komische alberne Uhr jetzt schon verschwindet. Dasselbe
Trauerspiel ein Jahr später bei der Relegation Teil zwei 2015 gegen den
KSC. Da habe ich in der zweiten Halbzeit schon nicht mehr hinschauen
können und erst wieder kurz vor Schluss den Fernseher angemacht. Und
wieder waren viele Fans und mache Spieler fast schon am durchdrehen,
anstatt sich einfach mal heimlich still und leise darüber zu freuen,
dass man erneut mit anderthalb blauen Augen davongekommen ist und in der Bundesliga weiter kicken darf.
 
Über einige Umwege (ich schreibe jetzt hier aber nicht welche 😉 habe
ich schließlich den Weg in die HSV Arena entdeckt und bin dort
tatsächlich hängengeblieben. Entsprechend vorgewarnt war ich dann
letztlich im Mai 2018, nach erfolgreich vollzogenem Abstieg mit Ansage,
zwar schon etwas traurig. Aber eher über das ganze, große einzige
Trauerspiel. Darüber, wie ein einst großer Verein immer immer kleiner
wurde, sich dabei zum Gespött von fast ganz Fußball-Deutschland machte
und es immer weiter den Bach runter ging und geht. Und scheinbar ist
niemand mehr in der Lage  (oder vielleicht will man auch gar nicht in
der Lage sein?) den Niedergang zu stoppen. Außerdem muss ich nach dem
Abstieg auch zugeben, ernsthaft darauf gehofft zu haben, dass es keine
Lizenz für die zweite Liga gibt, um in einer unteren Liga
vielleicht/hoffentlich einen vernünftigen Neuaufbau zu starten. Aber
nein, was hat man gemacht? Man versucht es mit „Gewalt“ statt mit
Geduld. In der ersten Zweitligasaison 2018/19 hatte ich dann über
Sky-Ticket ausgerechnet das nach 2:0-Führung noch mit 2:3 verlorene
Darmstadt-Spiel am 26. Spieltag gesehen. Und das hat mir dann auch
wieder gereicht. Inzwischen interessieren mich die Spiele und ein
eventueller Wiederaufstieg nicht mehr, aber das sonstige Geschehen, das
ja sehr spannend und schockierend zu gleich ist, schon noch.
 
 
Die Fußballnationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften 1982 in
Spanien, 1986 in Mexiko und 1990 in Italien
 
Meine erste WM, die ich bewusst Verfolgt habe, war dann diejenige in
Spanien 1982. In dieser Zeit lag ich einige Wochen wegen einer Operation
in Krankenhaus. Unvergessen dabei das Skandalspiel gegen Österreich und
das 8:7 nach Elfmeterschießen im Halbfinale von Sevilla gegen
Frankreich. Mit dem Foul von Toni Schumacher an Patrick Battiston und
dann schließlich der entscheide Schuss von Horst Hrubesch ins, gegen
Italien in Madrid mit 1:3 verlorene, Endspiel. Vier Jahre Später war
wieder WM, diesmal in Mexico. Und wieder war ich im Krankenkraus weil
ich zweimal an der Wirbelsäule operiert werden musste. Ich hatte dabei
das Glück, dass meiner Eltern mir einen Platz in einer Privatklinik in
Hessen besorgen konnten. Damals das Beste vom Besten und von der
Einrichtung her eher an ein Luxushotel als an eine Klinik erinnernd.
Damals hatte ich auch so ein weißes Nationaltrikot mit schwarzem Kragen
und wir haben die Spiele immer zusammen angeschaut. Nach der völlig
unnötigen 2:3 Niederlage nach großem Kampf gegen Argentinien durch das
„Gurkentor“ von Jorge Burruchaga, der nach Pass des unvergessenen Diego
Maradona allein vor Toni Schumacher das Siegtor erzielte, war ich so
verärgert und enttäuscht, dass das Trikot später vor der Klinik
verbrannt wurde. Dazu muss man noch erwähnen, dass es damals in dieser
Klinik eine Cafeteria gab, in der man tatsächlich noch richtiges Bier
kaufen konnte. Am nächsten Tag sollte ich eigentlich um 7.00 Uhr morgens
zur Gymnastik kommen. Und als ich dort nicht erschien hat man mir
unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass man es nicht so gerne
sieht, wenn die Patienten nicht an ihrer Genesung mitarbeiten. Ab da
habe ich natürlich brav alle Termine wahrgenommen.
 
Die für mich emotionalste und schönste WM war dann Italien 1990, als
Franz Beckenbauer nach dem großen, und wie ich finde, völlig verdienten
Triumph ganz alleine auf dem Rasen in Rom spazieren ging. Die folgenden
Turniere habe ich zwar auch verfolgt, die meisten davon waren aber auch
nicht so wirklich toll. Ein Höhepunkt war dann nochmal der Gewinn der
Europameisterschaft 1996. Aber ich war schon nicht mehr ganz so
euphorisch wie noch vor sechs Jahren beim WM-Triumph in Italien. Ich
habe dann die meisten Spiele und Turniere mit der Nationalelf noch immer
geschaut, aber wenn ich mal eines verpasst habe, war das auch nicht so
schlimm. Früher wäre das für mich undenkbar gewesen. Da wollte ich noch
wirklich ich alles sehen. Hätte damals in den 1980er Jahren zum Beispiel
Südkorea gegen Nordkorea gespielt, ich hätte mir das wahrscheinlich auch
angeschaut….
 
 
„Die Mannschaft“ (Früher auch mal bekannt als deutsche
Fußballnationalmannschaft) bei den Weltmeisterschaften 2014 in Brasilien und 2018 in Russland
 
Jetzt folgt ein ganz großer Sprung zur WM 2014 mit dem Titelgewinn in
Rio. Ich weiß noch genau, dass ich das Endspiel als ein furchtbares
Ge­wür­ge und zähes Kampfspiel empfunden habe und einfach nur froh war,
als es dann endlich vorbei war und ich ins Bett konnte. Große Freude kam
schon nicht mehr auf. Vielleicht aber auch, weil ich für den folgenden
Montag keinen Urlaub genommen hatte und einigermaßen früh aufstehen
musste. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich mich eigentlich komplett von
Fußball zurückziehen sollen. Was ich aber nicht geschafft habe,
wahrscheinlich auch nur, weil ich es nicht wirklich wollte. Denn wie
allgemein bekannt wurde es im Fußball nicht besser, im Gegenteil. Es
folgte also die WM 2018 auf ich die ich, aufgrund verschiedenster
Vorkommnisse in den Wochen und Monaten zuvor, schon eigentlich gar
keinen Bock mehr hatte. Und das aber nicht etwa wegen dem Abstieg des
HSV aus der Bundesliga, auf den man ja aufgrund der Lektüre in der
HSV-Arena schon vorbereitet war. irgendwie hätte man es aber auch ahnen
können, das in dieser Weltmeisterschaft von Anfang an der Wurm drin sein
wird. Das fing ja schon mit dieser ganzen negativen Berichterstattung
über Russland im Vorfeld an. Fast immer ging es dabei nur Doping und kam
es mir manchmal so vor, als seien alle Russen Betrüger. Das wurde zwar
so nie behauptet aber ich habe es durch die Häufigkeit eben so
empfunden. Ob die ganzen Vorwürfe berechtigt waren oder nicht kann ich
nicht beurteilen. Ich kann nur vermuten, dass schon irgend etwas daran
gewesen sein könnte. irgendwann stumpft man dann ab und kann es nicht
mehr sehen, hören oder lesen. Zumindest mir ging es so.
 
Und dann die Aktion mit dem ominösen Foto von Erdogan mit Mesut Özil und Ilkay Gündoğan in London im Vorfeld der WM. Die fand ich auch nicht
wirklich gut. Genauer, ich fand es ziemlich blöd, wie die ganze
peinliche Angelenheit völlig unnötig so künstlich hochgepusht wurde. Ich
wusste nämlich lange auch nicht, dass Özil schon öfter solche Fotos
gemacht, da aber kein Hahn danach gekräht hatte. Oder falls doch hab ich
es jedenfalls nicht mitbekommen. Und ja ich gebe zu, ich habe mich auch
dazu hinreisen lassen einmal ein entsprechendes verunglimpfendes
Bildchen in WhatsApp weiter zu schicken, ohne absehen zu können, dass
diese Sch… damals so lange am köcheln bleiben würde. Und der
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus machte ein Foto mit Putin. Wo
blieb denn da der „Shitstorm? „Die Mannschaft“ hatte ja schon vor der WM
in den beiden Testspielen gegen Österreich und Saudi-Arabien alles
andere als überzeugt. Man hätte eigentlich gewarnt sein können, bzw.
müssen. Ich habe mir aber dabei nichts gedacht, weil es doch vor den
Turnieren schon immer so war. Zumindest bei denen, die ich bewusst
miterlebt habe. Denn bis Russland 2018 war Deutschland ja eine
Turniermannschaft. Jetzt ist es nur „Die Mannschaft“. Wobei die
Auftritte in Russland eigentlich eine Beleidigung für eine richtige
Mannschaft waren. Alle Beteiligten haben da beim DFB soo viele Fehler
gemacht oder machen sie zum Teil ja auch unter neuer Führung immer noch.
 
Und wie schon geschrieben, auch ich habe mal ganz kurz mitgemacht. Aber
irgendwann muss es auch mal gut sein. Ob ich aber in Zukunft die
nächsten Turniere, sollten sie denn stattfinden, noch mit verfolgen
werde kann ich nicht sagen. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich es aber
kategorisch ausschließen. Mit dem Gedanken an eine EM in möglicherweise
noch nicht völlig ausgestandenen Pandemie-Zeiten oder eine Winter-WM in
Katar 2022 kann ich mich nämlich z.B. so gar nicht anfreunden. Und ich
bin mir sicher, ich bin damit nicht alleine.
 
Noch ein paar Schlussbemerkungen und eine Idee
 
Jetzt aber doch noch einmal zum HSV und dem ebenfalls schwer
abgestürzten DFB-Team, (ja „Die Mannschaft“ gibt es ja auch noch immer,
glaube ich zumindest). Genauer zu dessen Trainer. Ich gehörte nicht zu
denen vielen Leuten, die nach der verhunzten Russland-WM „Jogi raus!“
geschrieen oder gefordert haben. Warum auch, denn wer soll es denn
machen …? Hansi Flick? Viele waren aber der Meinung, oder sind es
vielleicht immer noch, dass „Die Mannschaft“ für den weiteren Neuaufbau
auch einen neuen Bundestrainer braucht. Mir würde da Anhieb auch gar
kein geeigneter Kandidat einfallen, der kurzfristig verfügbar wäre, ohne
Mondpreise für eine Ablöse zu zahlen. Dass es mit einem neuen
Bundestrainer dann gleich wieder besser würde bezweifele ich auch, aber
mir ist das inzwischen auch egal.
 
Und sollte der HSV mal wieder einen neuen Trainer suchen, hätte ich in
diesem Zusammenhang vielleicht noch eine (zugegeben nicht ganz ernst
gemeinte) Frage bzw. eine Idee: War eigentlich Jogi Löw schon mal beim
HSV? Nicht, dass ich wüsste. Gut, der Jogi hat zwar noch Vertrag beim
DFB. Aber was sind denn heute schon noch Verträge im Fußball? Dann wird
er eben für ein paar Millionen herausgekauft und KMK muss noch ein
letztes Mal seine Schatulle öffnen. Und einer der diversen früheren
HSV-Trainern, die noch auf der Payroll sind, könnte dann ja
Bundestrainer werden. Aber bitte diesen (selbstverständlich nicht ganz
ernst gemeinten) Vorschlag nicht an den „Witzbold“ oder den Präsidenten
und Kosmetikfabrikanten „Pinselreiniger“ weiterleiten. Sonst kommen die
Beiden vielleicht noch auf eine weitere Schnapsidee.
 
Dieses ganze „geld-und postengeile“ Fußballbusiness von FIFA, UEFA, DFB,
HSV & Co. nervt mich inzwischen nur noch tierisch. Wobei hier eigentlich
statt Fußballbusiness der von mir bereits gestern verwendete Begriff 
„Kasperltheater“ viel besser passt. Die Neymar-Ablöse von 222 Mio. bei
seinem Wechsel 2017 vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain hatte für
mich damals schon das Fass ziemlich zum überlaufen gebracht. Das hat
doch alles mit Fußball nichts mehr zu tun. Zur Zeit habe auch ich ein
massives Problem mit diesen sogenannten faden „Geisterspielen“ und dem
völlig unnötig aufgebauschten „Getue drumherum“. Die jetzt laufende
Saison 2020/21 hätte meiner Meinung nach nie Angepfiffen werden dürfen,
Hygienekonzept hin- oder her. Das Ganze kommt auch für mich irgendwie so rüber, als wären die Profifußballer in ihrer eigenen Parallelwelt mit
Friede, Freude, Eierkuchen, während im ganzen Land der Baum brennt. Und dann soll es auch noch Spieler geben, bei denen man meinen könnte, die Frisur und das Tattoo sind trotz Lockdown wichtiger als das eigentliche
Fußballspiel. Aber sich deswegen wirklich aufzuregen lohnt sich
irgendwie doch nicht. Es gibt sooo viel wichtigeres als Fußball.
 
Mein Interesse jedenfalls wurde bis auf ziemlich kurz vor den Nullpunkt
abgesenkt, aber ein kleiner Rest ist eben dummerweise immer noch
vorhanden, sodass ich doch nicht ganz wegkomme und doch noch immer
wieder mal aus alter Gewohnheit z.B. am Sonntag um 11 Uhr den Doppelpass auf Sport1 einschalte, oder auch bei Sky Sport News reinschaue. Und immer wieder frage ich mich dann, über was die da eigentlich reden und mache meistens den Fernseher ganz schnell wieder aus, weil ich es oft
auch nicht mehr verstehe. Nur hier werde ich wohl weiter reinschauen und
aus kritischer Distanz verfolgen, wie es mit dem Fußball im Allgemeinen
und dem Profifußball und dem HSV im Besonderen weitergeht.
 
Ulrich Gisa, geschrien im Mai 2019, aktualisiert im Februar 2021
 
 
Ein letzter Satz von mir: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Uli. Und vielen Dank für den tollen zweiteiligen Gastblog.
 
G.