Zuerst einmal – ich bin kein Psychologe.  Das sind mein Bruder (Master) und meine Tochter (Bachelor). Aber ich weiß, wie Menschen funktionieren und ich habe selbst lange genug Fußball gespielt. Insofern habe ich mir einmal Gedanken über den momentanen Gemütszustand der Mannschaft auf der einen und des Vereins auf der anderen Seite gemacht, wobei beides untrennbar miteinander zusammenhängt. Also: Wo steht dieser Verein im März 2021? Eines ist wohl jedem klar, der sich inhaltlich ein wenig mit diesem Klub beschäftigt – der KSV ist ein Verein der absoluten Gegensätze. Wohl nirgendwo in Deutschland prallen Wunsch und Wirklichkeit, Anspruch und Realität, Einsatz und Ertrag so hart aufeinander wie in Hamburg. Und wohl nirgendwo sonst ist man so weit von dem entfernt, was man sich erhofft bzw. von dem man meint, dass es einem zustehen würde. Denn eines der größten Probleme des Vereins aus St. Ellingen ist: Man denkt immer noch, man wäre ein sogenannter „großer Verein“, der „eigentlich“ wo ganz anders hingehören würde als dort, wo man sich nun schon bereits seit 2 1/2 Jahren befindet. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Status Quo hat tatsächlich nie stattgefunden, es lebt immer noch der Gedanke von einem unglücklichen Abstieg und zwei noch unglücklicher verspielten Wiederaufstiegen. Die Tatsache, dass dieser Verein genau da ist, wo er hingehört, wo er eigentlich schon seit knapp 10 Jahren hingehört hätte, wird nach wie vor verdrängt. Vielleicht auch deshalb, weil die Wahrheit zu schmerzhaft wäre.

Dabei ist es genau diese Realitäts-Verdrängung, die einem tatsächlichen und ehrlichen Neubeginn und einem dringend notwendigen Kurswechsel im Wege steht. Wenn ich nicht akzeptiere, dass ich krank bin, verstehe ich auch nicht, warum ich zum Arzt gehen muss. In Hamburg wird zwar von Zeit zu Zeit ein Sätzchen wie „Der KSV ist nun endlich in der zweiten Liga angekommen“ übermittelt, aber letztendlich sind dies nichts als Lippenbekenntnisse. Der tatsächliche Grundgedanke ist nach wie vor: „Wir sind eigentlich immer noch der Dino und eigentlich stärker, traditioneller und besser als Freiburg, Mainz, Augsburg und Union Berlin.“ Die Tatsache, dass selbst diese Vereine inzwischen um Lichtjahre entrückt sind, will man nicht akzeptieren, sie passt einfach nicht ins Gedankenschema dieses Klubs. Auch deshalb bedient man sich immer wieder irgendwelcher Hoffnungsträger von erfolgreichen oder höherklassigen Vereinen, sowohl im operativen Bereich (Boldt, Hecking, Wolf, Mutzel, etc.) wie auch im sportlichen (Ulreich, Gjasula, Terodde, Leistner). Die Orientierung nach hinten, also sich um junges und günstiges Personal von Liga-Konkurrenten oder niedrig-klassigen Vereinen zu kümmern, fehlt bis auf wenige Ausnahmen (Thioune) nahezu gänzlich. Und selbst wenn, dann kauft!!! der „große KSV“ mal eben den Trainer des Liga-Konkurrenten für € 500.000, darunter macht man es nicht. 

Fakt ist aber: Dieser Verein steht im März 2021 mal wieder am Scheideweg. Es gibt kein e.V.-Präsidium, der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist ein Boss ohne Legitimation, der Sportvorstand kokettiert einmal im Halbjahr mit einem anderen Verein (oder mehreren) und im sportlichen Bereich laufen 4 Verträge aus, u.a. der mit Goalgetter Terodde. Vor dieser Gemengelage stellt man sich die Frage: Wer trifft im Moment und am Ende der Saison eigentlich die Entscheidungen, denn einen Vereins-Boss (Vorstandsvorsitzenden) hat man auch nicht, er wurde bisher von den beiden überlebenden Vorständen erfolgreich verhindert. Tatsächlich ist es so, dass sich dieser Klub in einem Vakuum befindet, aber das will niemand thematisieren. Unglücklicherweise überträgt sich all dies auf eine Mannschaft, die es auch im dritten Zweitligajahr unter dem x-ten Trainer nicht geschafft hat, ihre Fragilität zu überwinden. Man spielt eine Hinrunde, in der man zwar genügend Punkte hamstert, aber selten überzeugt und sich spielerisch auch nicht weiterentwickelt. Diese Hinrunde trübt wieder einmal alle Sinne, besonders die der Vereinsführung, der Spieler, der Fans und der Medien. Dann kommt das, was immer kommt, was schon fast zwangsläufig kommen muss – es passiert ein Spiel. Dieses Spiel lässt das gesamte Kartenhaus KSV wieder einmal krachend einstürzen, man zittert sich fortan von Spieltag zu Spieltag. Die Ergebnisse, die in der Hinrunde noch stimmten, stimmen plötzlich nicht mehr, doch anstatt sofort nach dem Spiel eine knallharte und ehrliche Analyse zu fahren, flüchtet man sich in Worthülsen und Selbstbetrug. „Spielpech“, „vorübergehender Bruch“, aber garantiert keine Krise. Krisen gibt es beim KSV grundsätzlich nicht, deshalb steht man auch da, wo man steht. 

Dann stehen sogenannte Schicksalsspiele gegen unmittelbare Aufstiegskonkurrenten an und die Mannschaft wirft noch einmal alles in die Waagschale. Man selbst, ausgeruht und mit wenigen Ausfällen, spielt gegen ein Team, welches noch wenige Tage zuvor im Pokal ran musste und entsprechend einen Spannungsabfall zu verkraften hat. Aber man gewinnt nicht, obwohl man überlegen war, diverse Chancen erspielte und der Gegner in Hälfte zwei klinisch tot war. Man gewinnt trotzdem nicht und genau an dieser Stelle setzt dann der vernichtende Selbstzweifel an. „Wenn man solche Spiele nicht gewinnt, dann soll es wohl nicht sein“. Das sind Gedanken, die sich in den Köpfen der Spieler festsetzen und nicht das Gelaber der Verantwortliche wie „Wenn wir so weitermachen, kommen die Punkte von allein“. Kein Punkt kommt von allein, schon gar nicht für einen Verein, der sich seit vielen Jahren selbst im Weg steht. Das Problem dieses Vereins besteht darin, dass er nicht ehrlich zu sich selbst ist und er wird in dieser Haltung von Fans und besonders Medien nachhaltig unterstützt. 

Dabei kann jeder die (Rückrunden)-Tabelle lesen, jeder kann die Rücktritte sehen, jeder kann die Bilanzen lesen oder zumindest interpretieren. Folgt dann eine ehrliche Analyse, ein ehrlicher Schnitt, ein echter Strich unter die Vergangenheit, um endlich einmal neu zu beginnen? Nein, es folgen Ausreden. Und Worthülsen. Und Durchhalteparolen. Und billigste Plattitüden. Und wenn sich dann tatsächlich jemand erdreistet und echte Veränderungen anmahnt, wird er aussortiert. Der Überbringer der Botschaft ist in Hamburg immer noch die ärmste Sau. Passend dazu diese gestrige Stilblüte aus dem Fischeinwickelpapier Mopo: „Das war den Spielern nach Abpfiff anzumerken. „Es ist klar, dass man nach so einem SIEG nicht glücklich ist…“ (Sportdirektor-Karikatur Mutzel) Ob es nun der Fehler des Schreibers war oder ob Mutzelbacher selbst ignorieren wollte, dass man nur 1:1 gespielt hatte, bleibt ungeklärt. Es zeigt aber eindrucksvoll, dass man in Hamburg offenbar immer noch nicht in der Gegenwart angekommen ist und so lange man das nicht zu tun bereit ist, wird man immer wieder scheitern. 

P.S. Wie wäre es zur Abwechslung mal wieder mit einem kleinen Klick auf den Spenden-Button? Ich möchte ja niemandem zu Nahe treten, aber echt ätzend finde ich Leute, die hier in Kommentaren schreiben, sie hätten gespendet und tatsächlich haben sie es unterlassen. Dann doch lieber schweigen. Eigentlich ist es traurig, aber wohl ein Phänomen dieser Zeit, dass man darauf aufmerksam machen muss.