Ein Gastblog von Demosthenes

Eine Geschichte von verwachsten Spielen, vertrackten Interviews und verstörendem Genitalgefummel.

Fangfrage: Wie erklärt man den Hofmedien, dass ein eigentlich unverlierbares Spiel dann doch noch an die Wand gefahren wurde?

A) Man wirft verbale Nebelkerzen

B) Man überzieht das Sch***spiel mit einer Schicht funkelndem Rhetorikgold.

C) Man verwirrt durch seltsamen Satzbau, mangelhafte Syntax und logikbefreite Semantik.

D) Man sagt immer das Gleiche in der unerschütterlichen Überzeugung, dass die anwesende Fachjournaille das sowieso nicht merkt.

Genau, alles richtig. Ein Meister dieser Taktik ist Sportdirektorenpraktikant Michael Mutzel. Das bebrillte Vereinsmegafon vertritt nach jedem Spiel verbal seinen Cheftrainer und auch den mittlerweile verstummen Sportvorstand als offizielles Mitteilungsorgan des Sportzentralsekretariats der AG gegenüber der heimischen Hofschranzenpresse. Betrachten wir doch mal die Interview-Aussagen des Memmingers nach den Spielen gegen Holstein Kiel, Erzgebirge Aue, Hannover 96 und Darmstadt 98. Aber Achtung: Mutzelbachers O-Töne sind sprachlich schwere Kost, der Kollege haspelt sich ohne Punkt und Komma durchs Sujet, man kann ihm nur schwer folgen, gedanklich wie formal. Alle ehms, ähs und öhs, habe ich eliminiert, sonst wäre es unlesbar geworden.

 

Holstein Kiel – HSV 1:1

Das Spiel: Nachdem Heyer den HSV in Min. 43 glücklich in Führung geschossen hat, spielen die Tothosen eine grottige zweite Halbzeit und versenken den Dreier, weil Mees in Minute 91 ausgleicht. 2 Punkte verschenkt.

Was sagt Sport“Direktor“ Mutzel einen Tag später bei sky?

„Es tut immer weh, wenn man so spät noch ein Gegentor bekommt, trotzdem haben wir das Spiel jetzt auch, auch, glaube ich, richtig eingeordnet intern. Spielverlauf ist dann ärgerlich, aber insgesamt fand ich jetzt aufgrund der unterschiedlichen Halbzeiten das Ergebnis auch leistungsgerecht. Trotzdem natürlich immer ärgerlich, wenn man so ein spätes Gegentor bekommt. Vor allem, wenn wir vorher auch richtig gute Chancen hatten, das Spiel zu entscheiden. Aber man muss dann vielleicht auch noch mal zusammenfassend sagen: 17 Punkte, noch kein Spiel verloren, jetzt bei, bei ganz starken Gegnern auswärts 2 Siege, ein Unentschieden, das ist völlig in Ordnung im Moment und ja, wir müssen daran arbeiten, dass wir nächstes Mal nicht mehr so ein Tor so spät bekommen.“

Machen wir aus Mutzelbachers Wortdurchfall mal eine amtliche Management Summary:

 

– Das Spiel wurde intern richtig eingeordnet (Äh, was heißt das?)

– Das Ergebnis war leistungsgerecht (Grottenschlechter Kick von uns in HZ 2)

– Das späte Gegentor ist ärgerlich (Ärgerlich? Wir reden vom Ausgleichstor in der 91sten Minute, das satte 2 Punkte kostet)

– 17 Punkte, wir stehen super da, alle Rädchen greifen ineinander (Hurra, trainingsfrei)

– Wir arbeiten daran, keine späten Gegentore mehr zu kassieren (Äh, ja gut, wie denn genau?)

Erzgebirge Aue – HSV 3:3

Nachdem man in Aue erst 2:0 führte, dann 3:1, schafft man es nicht, die Punkte über die Zeit zu retten. Stattdessen bricht der HSV ab Min. 50 ein und überlässt es den immer stärker aufspielenden Erzgebirglern, Anschluss- und Ausgleichstreffer nachzulegen. Erneut 2 Punkte verschenkt.

HSV-Sport“Direktor“ Mutzel einen Tag später im NDR:

„Man muss jetzt auch die Jungs da vielleicht so’n bisschen aufbauen, weil, wie gesagt, auch wenn man da noch mal drüber schläft und die Szenen auch noch mal anguckt, dann sieht man, dass vieles auch gut war und das bleibt dann oft immer direkt nach dem Spiel nicht so hängen und nach ´ner Nacht drüber schlafen, das haben wir hier auch nochmal in der Analyse gerade eben gesagt, der Kopf bleibt jetzt oben, wir haben viele Sachen gut gemacht, und trotzdem sollten wir uns natürlich auch ärgern und da mache ich auch kein Hehl draus, also das waren schon, wie Daniel gestern Abend schon gesagt hat, zwei verschenkte Punkte, aber das ist nun mal im Fußball so, das ist auch nicht immer erklärbar. Ja, aber das haben wir auch immer wieder gesagt, wir haben einen guten Kader, wir haben immer noch Jungs noch draußen, die wir dann auch bringen können, jetzt war gestern auch (unverständlich) noch draußen, der ´ne Option war,  haben hinten noch gute Optionen, also, wir sind breit aufgestellt, aber man sieht einfach schon auch in so ´ner Saison, die dann auch nicht, nicht wie normal ist, dass dann vielleicht mal der ein oder andere mehr ausfällt, aber wir sind da gut gerüstet und man hat das jetzt auch bei Gideon gestern gesehen, der da dann reinkam, der hat das super gemacht, obwohl er jetzt lange Zeit nicht gespielt hat und genauso werden es dann andere Jungs auch machen jetzt wenn (unverständlich) mal raus ist in ein paar Wochen. Deswegen, auch grundsätzlich, sind wir jetzt dann auch mal froh, wenn wir mal zwo Tage durchpaus…, -pusten können, alle, und uns ein bisschen erholen können und dann geht‘s dann am Dienstag weiter, aufn, Vorbereitung aufn wichtiges Spiel gegen Fürth.“

Was für ein Rhetorikgott, ich fasse das Gefasel mal in 6 Bulletpoints zusammen:

– Man muss die Jungs aufbauen (Die armen, verstörten Profis)

– Vieles war gut, der Kopf bleibt oben (Wir Trainer haben alles richtig gemacht)

– 2 verschenkte Punkte sind zwar ärgerlich, aber das ist im Fußball nun mal so (WTF? Wie oft denn noch?)

– Guter Kader, breit aufgestellt, gute Optionen (Irgendwie nicht unsere Schuld)

– Saison ist nicht normal (Die Saison ist schuld)

– Erstmal 2 Tage pausieren und erholen (Hat natürlich nix mit Wohlfühloase zu tun, sondern rein medizinisch-psychologische Gründe)

HSV – Hannover 96 3:3

Das Kackspiel aller Kackspiele bisher: 3:0 geführt und doch verliert. So jedenfalls fühlt es sich an. Sportliches Systemversagen, vercoacht, nochmal 2 Punkte abgeschenkt.

HSV-Sport“Direktor“ Mutzel einen Tag später bei sky:

„Ob man des darf, das will man natürlich nicht, das ist klar, wenn man 3:0 führt 45 Minuten, noch höher vielleicht sogar führen kann oder muss, dann Konter noch klarer ausspielen kann, dann darf man das Spiel nicht mehr abgeben oder zumindest nicht mehr unentschieden spielen, aber das ist nun mal passiert, und wir versuchen, oder wir haben das jetzt eigentlich schon wieder relativ gut aufgearbeitet und das Gute ist, dass wir jetzt schon am Freitag nachlegen und jetzt direkt das nächste Spiel vor der Brust, das man da gar nicht soviel drüber nachdenken kann, sondern der Fokus ist direkt morgen dann auf Darmstadt liegt, klar.“

Ein intellektuell unbewaffneter Mensch, dessen Gedanken Karussell fahren und das Hirn der Zunge nur schleppend hinterher kommt, so wirkt der Mann auf mich. Die ewig gleiche Soße mit zuckersüßem Optimismus überzogen. Der Mann ist der lebende Konjunktiv: Man hätte, könnte, sollte, dürfte bzw. dürfte natürlich nicht, eigentlich, wissen wir selber, ja, nee, is‘ klar.

Glaubt der Faselfranz eigentlich an das, was er da von sich gibt? Was heißt denn „gut aufgearbeitet“? Sind Trainer und Spieler sich einig, dass sie zu langsam, zu zögerlich, zu fehlerhaft, zu alt, zu limitiert, zu willenlos sind? Wie schön! Im Ernst, wer das Gewäsch noch ernst nimmt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Darmstadt 98 – HSV 2:1

Der HSV liegt 0:2 hinten, macht spät den Anschlusstreffer zum 2:1 und danach kam nichts mehr. 3 Punkte liegen gelassen.

HSV-Sport“Direktor“ Mutzel heute bei sky:

„Wir haben uns jetzt einen gefangen, ist wie ein Boxer, wir kriegen einen in die Rippen, gehen vielleicht nochmal ein bissl in die Knie, aber jetzt entscheidet sich halt, ob wir liegenbleiben oder wieder aufstehen, und das war jetzt auch noch mal so die Message, dass wir halt wieder aufstehen und das wir an uns glauben, dass wir auch nach so einem Spiel, is’ immer schwierig, natürlich, verlieren wir, aber jetzt auch nicht alles schlecht machen, weil wir auch wieder gute Momente hatten und genügend Torchancen hatten, um das Spiel auch wieder anders zu drehen und jetzt stehen wir wieder auf und das ist die Message an alle und das wollen wir jetzt auch leben, die nächsten Tage.“

Das Mutzelfasel wird immer unverständlicher, aber was soll der arme Mann zu den Nicht-Leistungen seiner Mannschaft auch groß sagen? Die Wahrheit etwa, dass der Trainer keinen Plan hat, die Spieler es nicht können und keiner im Verein was dagegen unternimmt? Dann lieber die ganz große Labertasche aufmachen und knackige Boxer-Vergleiche auspacken, anstatt sich zu wehren und nicht nur der Sandsack der Liga zu sein. Und natürlich darf auch eine „Message“ nicht fehlen, die die Atom-Weisheiten wie „Aufstehen, Durchhalten, Leben“ verbreitet. Au weia!

Fazit: 4 Spiele, 9 Punkte verschenkt und keiner im Verein hat auch nur den Hauch einer Ahnung (oder die Kompetenz), was man dagegen tun kann.

Es ist absolut absurd und substanzlos, was der Sport“Direktor“ des HSV da nach den Spielen zusammenquatscht. Und, was wesentlich schwerer wiegt, es ist völlig folgenlos. Für die Spieler, die Trainer und den ganzen Restverein. Da wird nichts gelernt und schon gar nichts verstanden, geschweige denn verbessert. Es folgen keine Konsequenzen für niemanden. Ob Mutzel was sagt, ist komplett belanglos, da könnte man auch den Dino vor die Mikrofone schicken und ihn das Statement tanzen lassen, das hätte keinen geringeren Erkenntniswert und würde einem wenigstens das Genitalgefummel und die grausamen O-Töne ersparen. Ich freue mich schon jetzt nicht aufs Gemutzel nach den Spielen gegen Sandhausen, Regensburg und Osnabrück.

Aber so sind sie an der Sylvesterallee. Bezahlt werden wollen wie internationale Profis, agieren wie blutige Amateure. Das ist nun schon seit Jahren das Erfolgsrezept für alle Spieler und Funktionsträger im Verein. Ich erinnere nur daran, dass man sich grade erst einen weiteren Direktor geleistet hat. Für FANKULTUR! MITTEN IN DER PANDEMIE, WO KEIN FAN INS STADION DARF! Nur der HSV!

Mein Tipp fürs Saisonfinale? Mit Glück und viel Schützenhilfe von Fürth und Kiel erreicht der HSV den Relegationsplatz, natürlich gegen Köln, und dann verschießt Terodde den entscheidenden Elfer im Rückspiel. Wer wettet dagegen?