…oder eines Totalversagens.

Wir schreiben den 22. Januar 2021. Deutschland steckt tief in einer pandemischen Krise, wie nahezu jedes andere Land auch. Die Tage sind kurz, die Nächte dafür umso länger und Depression breitet sich aus. An Zuschauer in Stadien ist nicht zu denken, aber der KSV gewinnt mit 4:2 in Braunschweig (damaliger Tabellen-Vorletzter) und dreht ein Spiel, welches zur Halbzeit 2:1 für die Braunschweiger stand. Bis zu 45+2. Minuten führten die Niedersachsen sogar mich 2:0 und wer weiß, wie dieses Spiel ausgegangen wäre, hätte man die Zwei-Tore-Führung mit in die Kabine nehmen können. So aber drehten die Hamburger das Spiel und wurden mit insgesamt 36 Punkten Herbstmeister (im Januar). Zur Erinnerung: Der aktuelle Tabellenführer und sichere Aufsteiger Bochum hatte zum damaligen Zeitpunkt 33 Punkte, also drei Zähler Rückstand, heute haben die Herren aus dem Ruhrpott 11 Punkte mehr auf der Habenseite, bei einem Spiel mehr. Die Kieler lagen 4 Zähler hinter dem KSV, Greuther Führt kam auf gerade einmal 29 Punkte (7 weniger als der KSV), heute hat man 6 Punkte mehr (bei einem Spiel mehr). Hätte damals jemand gesagt, dass der Verein aus dem Volkspark diesen Aufstieg erneut verspielt, man hätte ihn (wie üblich) übelst beleidigt. Ich hatte bereits zum damaligen Zeitpunkt auf eine Tatsache aufmerksam gemacht, die aber wie immer kaum jemand hören wollte. 

Denn ich bin nicht der Meinung, dass das Spiel gegen Würzburg am 22. Spieltag (3:2 für die Würzburger) der Game Changer war, es war eigentlich bereits das Match gegen den akuten Abstiegskandidaten und Aufsteiger aus Braunschweig, denn schon damals konnte man erkennen, das etwas gewaltig nicht stimmt. Denn wenn der damalige Tabellenführer aus Hamburg (Kaderwert: € 35,4 Mio.) gegen den Tabellen-Vorletzten aus Braunschweig (Kaderwert: € 10,2 Mio.) beinahe mit einem 0:2 Rückstand in die Pause geht, sollte man sich fragen, woran das liegen kann. Aber nicht in Hamburg, denn der KSV gewann 4:2, holte drei Punkte, wurde Herbstmeister und der Himmel hing voller Geigen. Wie immer machte man in Hamburg den gleichen Fehler, man guckte sich nicht an, wie Ergebnisse zustande kommen, man achtet nur auf das Ergebnis an sich. Hat Terodde getroffen? Sind „wir“ noch Tabellenführer? Die drei Punkte sind im Sack, dann muss ja alles gut sein. Nein, eben nicht!

Anstatt sich Spielverläufe und Leistungsentwicklungen anzusehen, wird einzig und allein auf das blanke Ergebnis geachtet und damit beginnt die lange Reihe der Kardinalsfehler. Anderes Beispiel, gleiches Phänomen. Am 26. Spieltag siegte Kühnes Sport Verein in Bochum mit 2:0, verkürzte den Rückstand auf die Bochumer auf zwei mickrige Punkte und war wieder einmal „voll im Plan“. Ein Riesenfehler, dies zu glauben, denn niemand beachtete, wie dieser Sieg im Vonovia Ruhrstadon gelang. Der VfL verlor in der 35. Minute mit Blum einen ihrer besten Spieler durch eine absolut berechtigte rote Karte, doch anstatt im Anschluss die Überzahl in Überlegenheit ummünzen zu können, ließen sich die Hamburger von 10 Bochumern 60 Minuten an die Wand spielen, das Ergebnis war ein Treppenwitz. Aber! – man hatte die drei Punkte, war wieder Zweiter und dann muss es bekanntlich ein gutes Spiel gewesen sein. Nein, es war das genaue Gegenteil, aber sowas will man in Hamburg nicht hören. Erst, als man zwei Spieltage später eine 3:0-Führung in Hannover nicht ins Ziel bringen konnte,wurden die Zweifel spürbar, viel zu spät allerdings. 

Im Umfeld dieses Verein werden derart viele Fehler begangen, in all den Jahren. Einer der wesentlichen Fehler allerdings besteht darin, sich immer wieder etwas vorzumachen. Spiele zu sehen, die gar nicht existent sind. Weltklasse-Leistungen zu sehen, die es nie gegeben hat. Einen Zukunfts-Trainer erkennen zu wollen, der nicht anwesend ist. Einen KSV-Sanierer zu küren, der nie saniert und einen Perlentaucher zu erfinden, der keine Perlen finden würde, selbst wenn man sie ihm auf dem Silbertablett servieren würde. Einen Strategen zu erfinden, der noch nie eine Strategie hatte, außer vielleicht, seine eigene Agenda in die Tat umzusetzen. Der Verein selbst, aber eben auch seine von den Hofberichterstattern sedierte Anhängerschaft, lebt in einer Traumwelt und jedes Jahr passiert es erneut, dass sie alle im Mai schweißgebadet aufwachen und sich wieder einmal nicht erklären können, wie das nun wieder passieren konnte.