Wie wir alle wissen, ist dieser Verein alles, aber garantiert nicht auf Rosen gebettet, zumindest finanziell nicht. Die Geld-Probleme des HSV ziehen sich seit mehr als 20 Jahren wie ein roter Faden durch die Vereinsgeschichte und zu keinem Zeitpunkt war einer der verantwortlichen Machthaber bereit, diesem Übel einmal auf den Grund gehen zu wollen und es mit der Wurzel herauszureißen. Jeder Vorstandsvorsitzende, jeder Sportvorstand, jeder Finanz- oder Marketingvorstand war lediglich darauf bedacht, seinen vereinbarte Vertragslaufzeit zu erfüllen und im besten Fall eine Verlängerung zu erreichen, also seine eigene Agenda im Auge zu behalten. Das Gleiche gilt übrigens für die zahllosen Aufsichtsräte, die im Laufe der Dekaden mehr mit internen Intrigen, Grabenkämpfen und Freundschaftsdiensten beschäftigt waren und dabei ihre ureigenste Pflicht vernachlässigten: Die Kontrolle des Vorstandes. Wie weit es inzwischen damit gekommen ist, zeigte uns vor zwei Tagen der Fall Jansen/Walter. Was aber wäre der eigentliche Weg gewesen, der Weg in die Unabhängigkeit von Kühne, der Weg zu einem soliden, gesunden Verein? Natürlich die systematische Ausbildung und Förderung des Nachwuchses, aber die braucht eben seine Zeit und diese Zeit wollte sich nie jemand in dieser Stadt geben. Der schnelle „Erfolg“, der spektakuläre Transfer, der eigene Name in den Schlagzeilen. Das alles war wichtiger als die Zukunft des Vereins. Und jetzt ist es zu spät! 

Drehen wir die Uhr zurück und gehen ins Jahr 2014. Eine Mitglieder-Initiative unter der Führung von Ernst-Otto Rieckhoff hatte erkannt, dass es so einfach nicht weitergehen konnte. In der Vergangenheit hatte der HSV einige sportlichen Anfangserfolge wie Champions League-Teilnahmen erreicht, doch zu welchem Preis. Man verkaufte die besten Spieler, kassierte die volle Ablösesumme auf einen Schlag und finanzierte damit die anschließende Saison. Wenn man einen neuen „Star“ kaufte, stotterte man ihn über Jahre ab. Diese Praktik ging einige Jahre gut, bis dann der große Knall kam. Irgendwann hatte man nichts mehr zu verkaufen, dafür aber reichlich Raten in Millionenhöhe für Spieler, die teilweise gar nicht mehr in Hamburg aktiv waren. Die Folgen sind bekannt, die Initiative HSV-PLUS kam durch. Aber anstatt in dieser Situation, im Sommer 2014, die letztmögliche Chance, das Ruder herumzureißen, wahrzunehmen, machte man unter der Führung der Herren Beiersdorfer, Hilke und Wettstein einfach weiter wie zuvor. Das Ende ist bekannt. Dabei hatte man 2014 alle Möglichkeiten, diesen Verein zu retten. Man hat es versäumt. 

2014. Lustig übrigens, dass eine Saison zuvor ein Verein namens RB Leipzig in die zweite Liga aufstieg. Die Mannschaft der Ost-Deutschen hatte damals einen Marktwert von € 31,4 Mio., die des HSV ca. € 130 Mio. Seither läuft die Entwicklung dieser beiden Vereine extrem gegenläufig. Nur einmal einige wenige Daten, um das Dilemma zu veranschaulichen. Leipzig kaufte 2016 einen Naby Keita für knapp € 30 Mio. und verkaufte ihn 2018 für € 60 Mio. nach Liverpool. Weitere Spieler: Timo Werner (€ 22 Mio./€ 53 Mio.), Konate (ablösefrei/ € 46 Mio.),  Upamecano (€ 18 Mio./ € 42 Mio.). All diese Spieler kamen in extrem jungen Jahren nach Leipzig, wurden weitergebildet, spielten! und wechselten dann zu Weltklasse-Vereinen. Es geht nicht nur darum, 14 oder 15-Jährige in einen Campus zu sperren, es geht auch darum, den Blick für junge Profis zu haben und sich den Ruf zu erarbeiten, diese Spieler zu fördern und den Verein zu einem Sprungbrett zur absoluten Weltelite zu positionieren. Zum Zeitpunkt der Ausgliederung der HSV Fußball AG war der HSV noch Lichtjahre vor RB positioniert, heute haben die Leipziger einen Marktwert von € 558 Mio., der HSV von € 35,4 Mio. Das ist die brutale Wahrheit und es gibt keine Entschuldigungen!

Nun denn, dieser Zug ist abgefahren, also müsste man in Hamburg, mittlerweile seit 3 Jahren in der zweiten Bundesliga beheimatet, kleinere Brötchen backen. Sprich: Man müsste altersmäßig deutlich früher ansetzen. Denn immerhin hatte man 2017 die berühmte Juwelen-Schmiede „Campus“ mit tatkräftiger Unterstützung von Alexander Otto eingeweiht und mit Bernhard Peters den HSV-Juwelier schlechthin installiert. Dies ist nun 4 Jahre her und ich höre noch, wie der unsympathische Peters erklärte: „In drei Jahren wird man erste Erfolge unserer Talentförderung erkennen“. Soso. Nun krebst man demnächst eine vierte Saison im deutschen Unterhaus herum, der Etat wird immer geringer, die Trainer immer unbekannter, die Spieler immer austauschbarer. Nun aber kommt das, was ich in der Überschrift als „an Dramatik nicht zu übertreffen“ bezeichnet habe. 

„Zur Zeit habe ich keinen Spieler in der U21 oder der U19, den ich bedenkenlos „nach oben“ schicken könnte. Entweder es fehlt an der sportlichen Qualität oder an der Physis, das ist die traurige Wahrheit“ [Horst Hrubesch]

Das muss man sich bitte auf der Zunge zergehen lassen, denn es ist die endgültige Bankrotterklärung für diesen Verein. Nicht nur, dass man im aktuellen Profikader keinen Spieler mehr mit einem signifikanten Verkaufswert besitzt (die kolportierten € 8 Mio. für Vagnoman sind ein wirklich schlechter Witz). Nicht nur, dass man kaum noch einen Cent für den Erwerb eines Spielers besitzt, der diesen Kader verbessern kann. Nicht nur, dass man inzwischen eine graue Maus in der zweiten Liga ist. Nein, man hat nach 4 Jahren Campus, mehreren Jahren Bernhard Peters, knapp einem Jahr Horst Hrubesch und diversen Millionen Investition nicht einen Spieler im gesamten Nachwuchs, der den Kader eines durchschnittlichen Zweitligisten auffüllen kann. Was für ein absolut desatröses Bild. Aber es geht noch weiter, denn warum sollte ein Berater/Vater seinen talentierten Sprössling in Zukunft denn nach Hamburg und nicht nach Leipzig, Freiburg, Stuttgart oder Gelsenkirchen schicken, es gibt schlichtweg keinen Grund. Der HSV hat 7 Jahre nach der Ausgliederung, 7 Jahre nach der letzten Chance, alles verspielt, was ihn jemals wieder auf die Beine bringen könnte. Dieser Verein ist tot!

An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch und großen Respekt für eine tolle Saison, Holstein Kiel. Schade, dass ihr es nicht geschafft habt, ihr hätte es verdient gehabt. Ebenfalls herzlichen Glückwunsch an den FC Chelsea und besonders an Thomas Tuchel. Der Trainer, den ein HSV leichtfertig verkackt hat und von dem die gleichen Vollidioten, die mir heute den Spamfilter vollkotzen, behaupteten, er wäre überschätzt. Glückwunsch, ihr Penner, dafür habt ihr heute einen meinungsstarken Übergangs-Clown wie Tim Walter. Well done.