Willkommen zu „Demos Populärer Pressepranger“, Ausgabe 1. Hier geht es um die Rolle der Hamburger Medien und die Frage, welchen Anteil haben Bild, Mopo und Abendblatt am unglücklichen Image des Vereins. Die erste Ausgabe dreht sich um die sogenannten Säulenspieler. Ein Vergleich von Überschriften aus Print- und Online-Artikeln der letzten zwölf Monate. Wie haben die Hamburger Medien über Gjasula, Leistner, Terodde und Ulreich in der letzten Saison bei Ihrem Antritt geschrieben und wie klang das dann nicht mal ein Jahr später. Mal sehen, ob dabei etwas auffällt.

 

Säule #1: Klaus Gjasula

Kappen-Klaus kam vor einem Jahr vom SC Paderborn und wurde prompt mit einen Zwei-Jahres-Vertrag und doppeltem Gehalt ausgestattet. Spielte unter Thioune mehr schlecht als recht und stand in der Saison nur 15mal auf dem Platz, davon einmal über die vollen 90 Minuten. Fiel ganze 3 Monate verletzt aus. Findet bisher unter Walter keine Verwendung. Bleibt in Erinnerung wegen des dämlichen Helms. Fazit: Diese Säule trägt sich nicht mal selber. Aber wie hat die Presse das gesehen?

Mopo

Damals: „Neuer Leader: So will Gjasula zum HSV-Chef werden“ (15.7.20)

Heute: „Bitteres Comeback: HSV-Profi Gjasula macht sich schon nach fünf Minuten vieles kaputt“ (10.4.21)

HH Abendblatt

Damals: „Neuer HSV mit Talenten? Warum Routinier Gjasula geholt wurde“ (16.7.20)

Heute: „HSV-Einzelkritik: Grausamer Gjasula gegen Karlsruhe“ (29.4.21)

BILD

Damals: „Irrer Sieg für Chaos-Klaus“ (29.8.20)

Heute: „Der Nächste vorm Abflug: Gjasula zu Darmstadt“ (2.8.21)

 

Säule #2: Simon Terodde

Hoffmann wollte den Torschützenkönig schon in der Winterpause ’20 holen, wurde aber von Jonas Boldt ausgebremst, weil der Robert Bozenik präferierte. Wen? Genau! Terodde kam dann 7 Monate später und unterschrieb einen Ein-Jahres-Vertrag mit Gehaltsdeckelgehalt plus Aufstiegsprämie. Er war die einzige Säule, die hielt, was der Name versprach und machte 24 Tore in 33 Spielen. Reichte dennoch nur für Platz 4. Und dann hat Hamburgs sportliche Führung wohl verpasst, rechtzeitig zu handeln. Mit dem Resultat, dass Terodde nun die Ligakonkurrenz in Gelsenkirchen verstärkt. Wie rauschte dazu der Blätterwald?

Mopo

Damals: „Zweitliga-Knipser: So lockte Thioune Wunschspieler Terodde zum HSV“ (21.8.20)

Heute: „Absturz des HSV-Torjägers: Wo ist bei Terodde nur das Feuer geblieben“ (30.4.21)

BILD

Damals: „Terodde ist die Bundesliga-Garantie des HSV“ (26.10.20)

Heute: „Tränen-Terodde verpasst Torjäger-Kanone“ (23.5.21)

Heute: „Stürmer in Not beim HSV – Das Terodde-Loch“ (8.6.21)

HH Abendblatt

Damals: „Die zweite Säule steht: HSV macht Terodde-Deal perfekt“ (19.8.20)

Heute: „Wechsel nach Schalke: Kassiert Terodde Millionen-Gehalt?“ (2.5.21)

Heute: „HSV-Einzelkritik: Terodde mit Altherrenfußball“ (16.5.21)

 

Säule #3: Toni Leistner

Tribünenstürmer-Toni kam Ende August letzten Jahres vom englischen Zweitligisten Queens Park Rangers und erhielt einen Zwei-Jahres-Vertrag. Sollte als Führungsspieler die labile Abwehr stabilisieren. Fiel insgesamt 13 Spiele aus: zwei zur Saisoneröffnung dank Sportgerichtsperre, zwei weitere wegen Rotsperre und dann acht wegen Muskelfaserriss. Findet unter Walter bisher keine Verwendung. Bleibt in Erinnerung wegen seiner stürmischen Fanliebe. Fazit: Diese Säule war eher eine wutrote Wundertüte. Wie nahm die Presse das wahr?

BILD 

Damals: „Leistner wird der neue Abwehr-Boss“ (29.8.20)

Damals: „Der Neue lobt und macht: Leistner – HSV-Premiere als Kapitän“ (25.11.20)

Heute: „Ex-Leitwolf spielt keine Rolle mehr: Walter rasiert Leistner“ (18.7.21)

Mopo

Damals: „Verstärkung für den HSV – Toni ist der neue Abwehr-Boss“ (28.8.20)

Heute: „Kein Platz mehr für Leistner – HSV-Boss spricht Klartext“ (2.8.21)

 

Säule #4: Sven Ulreich

Ulle wechselte Anfang Oktober vom Rekordmeister zum Rekordvierten mit dem Plan, in einem Jahr als Stammtorwart des HSV wieder in der 1. Bundesliga zu spielen. Dafür unterschrieb man optimistisch einen Drei-Jahres-Vertrag. Gehalt und Erfolgsprämien des HSV sollten sich auf knapp 1 Mio pro Jahr belaufen, wobei Bayern weitere 2 bis 2,5 Mio zahlt. Ulreich sollte als neue Nr. 1 den wackligen Heuer-Fernandez ersetzen, junge Spieler entwickeln und ein hohes Maß an Professionalität ausstrahlen. Das klappte dann mit jedem weiteren Spiel ein bisschen weniger. Bleibt in Erinnerung wegen der extrem großen Fallhöhe. Fazit: Ein Säule mit vielen Bruchstellen.

Mopo

Damals: „Transfer-Hammer: HSV holt Bayern-Torwart Sven Ulreich“ (2.10.20)

Heute: „Kein Maradona am Ball: HSV-Torhüter Ulreich wird Bayern-Vergangenheit zum Verhängnis.“ (12.1.21)

Heute: „Zu viele Aussetzer: Torwart-Frage.“ (23.2.21)

Bild

Damals: „Mit Ulreich hat der HSV keine Probleme mehr“ (6.10.20)

Damals: „Neuer HSV-Keeper überzeugt – Ulreich wird zum Sieg-Trumpf“ (19.10.20)

Heute: „Trotz Wackelfuss und Flutschfinger – Ulreich bleibt im HSV-Kasten!“ (4.6.21)

Heute: „Knall im HSV-Kasten: Ulreich schmeißt hin!“ (4.6.21)

HH Abendblatt

Damals: „Spektakulärer Transfer – HSV holt Sven Ulreich“ (2.10.20)

Heute: „Ulreich geht ohne Abfindung – Ende eines Missverständnisses.“ (5.6.21)

 

Sterne, die zum schwarzen Loch werden. Granaten, die nicht zünden. Juwelen, die sich in Glasscherben verwandeln. Das ist das Narrativ und die Dramaturgie der immer gleichen Grund-Story der Presseberichterstattung. Erst wird jede Kleinigkeit zur Sensation hochgejubelt. Aber dann, wenn der Liga-Alltag einzieht und Giganten zu Scheinriesen schrumpfen, schlagen die journalistischen Wendehälse zu. Leider zu spät. Wie jedes Jahr. Dabei handelt es sich schon lange immer um dieselben Köche, die diese üble Suppe anrühren. Meisterhaft beherrscht man in der Medienstadt lediglich die Kunst, mit der Feder erst Monumente zu errichten, um diese dann mit demselben Werkzeug wieder zu zertrümmern.

Und wenn mir jetzt einer sagt, nach hinten schauen nutzt nichts, dann entgegne ich: Der Blick zurück ist niemals verkehrt, kann man doch daraus Lehren für die Zukunft ziehen. So man denn will. Zum Beispiel, dass alles, was heutzutage über Reis, Glatzel, Meffert oder Schonlau geschrieben wird, nur der Anfang genau derselben alten, abgegriffenen Story ist. Wer bei Zeilen wie „HSV-Kapitän Schonlau ist heiß aufs Rampenlicht“ (Mopo, 27.7.21) oder „Reis macht HSV-Trainer und Fans glücklich“ (Mopo, 2.8.21) nicht die Bullshit-Sirene losheulen hört, dem ist nicht mehr zu helfen.

Klar ist, dass die Hamburger Ekelfedern zwar für ihr Korrumpel-Geschreibsel die volle Verantwortung tragen, nicht aber für die Fehleinkäufe und -entscheidungen dahinter. Dieser blauweissschwarze Peter geht nun seit über drei Jahren an die HSV-Trümmertruppe um Sportvorstand Judas Boldt, den notorischen Schönredner und Eierkneter Mutzel sowie die vielköpfige Scoutinghydra unter Direktor Claus Costa. Die Konsequenzen für solch bravouröse, hochbezahlte Präzisionsarbeit? Bis jetzt keine. Außer Vertragsverlängerung bei Boldt.

Das letzte Wort soll Sportdirektor Michael „Mimi“ Mutzel haben, so vorgetragen gestern Vormittag gegenüber der versammelten Presse als PR-Nachlese zum enttäuschenden 1 : 1 gegen Dresden. Soll keiner sagen, Bullshit-Talk ist die alleinige Domäne der Medien:

„Natürlich ist man enttäuscht, wenn man das nackte Ergebnis sieht. Aber die Art und Weise, vor allem in der ersten Halbzeit, aber auch noch in der zweiten Halbzeit, die stimmt einen zuversichtlich. Was ich persönlich jetzt auch nochmal total positiv fand war, dass man gemerkt hat, dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollten. Die Jungs haben alles versucht, um noch ein zweites Tor zu machen. Das war, glaube ich, auch spürbar. Das haben auch die Zuschauer gespürt und deshalb bleibt da erst mal auch viel Positives hängen. Wie gesagt, das Ergebnis ist am Ende nach dem Spielverlauf enttäuschend, aber wir haben auch viele gute Sachen gestern gesehen.“

Heilige Mutter Gottes!