Was war das denn für eine Nummer von Judas Boldt auf der Mitgliederversammlung? Ich zitiere mal aus dem Live-Ticker vom Hamburger Auftragsblatt:

„Ein Mitglied ruft in Boldts Rede rein und fragt, warum er Simon Terodde keinen neuen Vertrag gegeben habe. Boldt kontert, der HSV müsse „wegkommen von dem Personenkult“. Zudem empfiehlt er den Mitgliedern etwas zynisch, seinen Job zu übernehmen und den eigenen Geldbeutel zu öffnen, denn daran wäre ein Terodde-Verbleib gescheitert. Gleich vom ersten Zwischenruf lässt sich der Vorstand provozieren. „Wir lassen uns nicht treiben von Populismus und Zwischenrufen“, sagt Boldt und erntet Beifall.„

Was für ein Schauspiel. Auf einer ohnehin umstrittenen und undemokratischen Veranstaltung stellt sich ein Vorstandsmitglied der AG ans Mikrofon und berichtet an die Mitglieder. Eines dieser Mitglieder macht einen Zwischenruf und fragt nach der nichterfolgten Vertragsverlängerung von Terodde. Nun könnte man annehmen, dass die meisten Vorstände in Deutschland entweder ruhig und sachlich auf den Inhalt des Zwischenrufs eingehen oder aber diesen komplett ignorieren.

Nicht so beim HSV. Jonas Boldt, Vorstand Sport, Medien, Kommunikation und Fankultur war sich nicht zu schade, den Zwischenrufer auf eine unfassbar arrogante und überhebliche Art und Weise öffentlich abzukanzeln. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, der Mann ist Vorstand Sport, Medien, KOMMUNIKATION und FANKULTUR!!! Immerhin hat er mit der Aktion bewiesen, dass seine kommunikativen Talente den sportlichen in keinster Weise nachstehen.

Die Mitgliederversammlung ist u.a. für folgende Angelegenheiten zuständig: „Entgegennahme der Berichte der Vereinsorgane, der Ausschüsse des Vereins sowie der HSV Fußball AG.“ (Satzung, §14; 2e). Der Zwischenrufer ist also Teil des obersten beschließenden Organs des Vereins, der nebenbei auch Hauptaktionär und Mehrheitsgesellschafter der HSV AG ist, somit dieser übergeordnet. Die Vertreter der AG sind verpflichtet, zu berichten wobei sie lustigerweise nicht verpflichtet sind, Nachfragen zu beantworten oder weitergehende Auskünfte zu erteilen. Nichtsdestotrotz hat Boldt zynisch und herabsetzend auf den Zwischenruf geantwortet. Was soll das?

Ein Teil dieser Antwort lautete: Man wolle „Wegkommen vom Personenkult“? Wer war es denn, der die „Säulenspieler“ etabliert hat? Sind „Säulenspieler“ etwa kein Personenkult? Oder war das etwa das öffentliche Eingeständnis, im letzten Jahr als Sportvorstand auf ganzer Linie versagt zu haben? Dann stellt sich unweigerlich auch die Frage nach den Konsequenzen.

Aber der gute Jonas ist nicht das erste Mal durch Arroganzanfälle auffällig geworden. Was sagte Boldt beispielsweise über die von ihm geholten Trainer:

„Der erste Schritt war das Trainerteam, da haben wir mit Dieter Hecking als Cheftrainer die absolute Top-Lösung umsetzen können.“

„Wir haben mit Daniel Thioune einen Trainer geholt, der in Osnabrück mit überschaubaren Mitteln eine Mannschaft stetig weiter entwickelt hat. Er passt zu unserer den etwas veränderten Möglichkeiten angepassten Ausrichtung. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm und haben von der ersten Kontaktaufnahme an gespürt, dass Daniel für diese Herausforderung brennt.“

„Wir haben eine Überzeugung bei Tim Walter. Das erste ist, dass wir mutig sein wollen. Zum anderen sind ein fußballerischer Ansatz und wir wollen uns in der Arbeit gegen den Ball verbessern. Tim ist ein Freund davon, Spieler besser zu machen. Wir können nur erfolgreich sein, wenn die Jungs das Feuer und den Hunger haben, etwas erreichen zu wollen.“

Top-Lösung. Brennt für die Herausforderung. Wir haben eine Überzeugung. Jedesmal im Brustton der Gewissheit. Jedesmal nach einem Jahr Makulatur. Niemals einen Fehler ein- oder für Irrtümer geradegestanden. In Wahrheit hat Boldt bei Hecking zu spät reagiert und bei Thioune zu spät reagiert. Wie wird das bei Walter werden? Dazu kommen über 70 Spieler-Transfers, von denen die meisten nicht funktioniert haben und man froh ist, wenn die Fehleinkäufe irgendwann von der Gehaltsliste wieder runter sind. Erfolgsgeschichten sehen anders aus. Woher nimmt der Vogel nur seine Selbstgefälligkeit? Wieviel Chancen braucht Boldt noch? Wie viele vergeigte Aufstiege sind einer zu viel? Wie viele Fehleinkäufe kann sich der HSV leisten? 

Der Verein ist in einer äußerst kritischen Lage und der sportlichen Leitung fällt nichts anderes dazu ein als „Mach doch selber!“?

Wahnsinn.

Wenn ein Sportvorstand schon bei einem einzigen gar nicht mal so kritischen Zwischenruf dermaßen die Fassung verliert, was passiert denn, wenn er mal richtig in die Mangel genommen wird? Bisher nämlich verschont ihn die Hamburger Pressemischpoke weitestgehend. Erstaunlich übrigens, wenn man sich überlegt, wie heftig gegen Schulz und Schaefer aus allen Presserohren gefeuert wurde. Dabei haben die sich was genau zuschulden kommen lassen, Unstimmigkeiten mit Präsident Pinselreiniger? In Kreisen der Hamburger Pressevertreter scheint Majestätsbeleidung das durchaus strafwürdigere Delikt zu sein, als Aufstiege zu verkacken und Geld aus dem Fenster zu werfen. Von unfassbaren Vertragserpressungen wie Rom und so mal ganz abgesehen.

Judas Boldt ist ein unreifer, unfähiger Gernegroß, der ohne jegliche Kontrolle und kritische Beurteilung, dafür aber voller Selbstüberschätzung ein Schiff steuert, das mindestens drei Nummern zu groß für ihn ist. Und in Person von Präsident Pinselreiniger Marcel Jansen hat er den idealen Segelkameraden gefunden. Aber Achtung: Arroganz ist nicht nur unsympathisch und manchmal auch peinlich, sie kann auch direkt in den Abgrund führen, wenn man nicht aufpasst.